Gemeinschaftsgarten
In Gärten können Menschen aus unterschiedlichen Lebenswelten gemeinsame Interessen verfolgen. Diese kollektive Orientierung und die gleichzeitige Anwesenheit der Mitglieder (etwa im Rahmen von Gartentagen oder Ähnlichem) schaffen Begegnungsräume
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Soziales

Was Gemeinwesenarbeit mit Sicherheit zu tun hat

Eine aktuelle Studie erforschte unter anderem sicherheitsrelevante Wirkungen von Gemeinwesenarbeit im öffentlichen Raum. Der Beitrag stellt einige Ergebnisse der mehrjährigen Forschung vor. Aufgezeigt werden etwa die Wirkpotenziale von Gemeinschaftsgärten, deren Umsetzung sowohl in städtischen als auch in ländlichen Gemeinden untersucht werden konnte.

Sicherheit im öffentlichen Raum wird durch eine Vielzahl an komplex zusammenwirkenden Unsicherheits- und Verunsicherungsfaktoren bedingt. Problemlagen wie Sachbeschädigungen, Lärmbelästigung, diskriminierende räumliche Verdrängungs- und Aneignungsprozesse bis hin zu Vorfällen körperlicher Gewalt können dabei eine Rolle spielen und werden in der öffentlichen und medialen Auseinandersetzung in den Blick genommen.

Die Ursachen und Konstellationen der wahrgenommenen Herausforderungen können sehr unterschiedlich sein, sie belasten aber teilweise das kommunale Zusammenleben und das persönliche Sicherheitsgefühl im öffentlichen Raum.

Ganzheitliche Lösungsansätze

Überwachung und Kontrolle können diese beispielhaft angeführten kommunalen Herausforderungen (alleine) nicht lösen. Unterschiedliche Faktoren wirken in komplexer Weise auf das subjektive Sicherheitsgefühl ein, ganzheitliche Lösungs- und Handlungsansätze sind notwendig.

Dabei verdienen soziale Maßnahmen besondere Beachtung: Das subjektive Sicherheitsgefühl lässt sich etwa durch ein gestärktes Bewusstsein der Bürger:innen bzw. Bewohner:innen über ihre Handlungsmöglichkeiten und -kompetenzen erhöhen.

Die Förderung von Verantwortungsübernahme für öffentliche Räume und damit einhergehend auch die Bereitschaft, diese mitzugestalten, sind weitere förderliche Aspekte.

Mehr Wissen und Verständnis für Lebenswelten, die als „fremd“ wahrgenommen werden, kann sich positiv auswirken. Zudem braucht es ein Sicherheitsverständnis, das auch die Sicherheit jener Gruppen in den Blick nimmt, die stereotyp als „anders“ oder „vulnerabel“ wahrgenommen und potenziell als sicherheitsgefährdend problematisiert werden. Ansätze der Gemeinwesenarbeit können in diesen Zusammenhängen dazu beitragen, die Qualität öffentlicher Räume unter anderem auch sicherheitswirksam zu beeinflussen.

Wirkungsstudie zu Gemeinwesenarbeit

Das KIRAS-Forschungsprojekt „community works – Gemeinwesenarbeit als Sicherheitsfaktor im öffentlichen Raum: Wirkerkenntnisse und Erfolgsfaktoren“ untersuchte von 2020 bis 2022 die Wirkweisen verschiedener Ansätze der Gemeinwesenarbeit (GWA) in Österreich. Das Projekt „community work’s“ wurde im Sicherheitsforschungs-Förderprogramm KIRAS des Bundesministeriums für Finanzen finanziert.

GWA kann als mehrdimensionale, ganzheitliche soziale Intervention verstanden werden, die die Verbesserung der Lebenssituation von Menschen eines Gemeinwesens im Blick hat und demokratische und zivilgesellschaftliche Prozesse fördern will.

Im Rahmen der  Studie wurden sechs heterogene Sozialräume beforscht, in denen unterschiedliche GWA-Interventionen wie Stadtteilarbeit, mobile Soziale Arbeit mit spezifischer GWA-Perspektive oder Gemeinschaftsgärten gesetzt wurden.

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Im Rahmen der Studie wurden von 2020 bis 2022 sechs heterogene Sozialräume in Österreich beforscht, in denen unterschiedliche GWA-Interventionen wie Stadtteilarbeit, mobile Soziale Arbeit mit spezifischer GWA-Perspektive oder Gemeinschaftsgärten gesetzt wurden. Foto: DisobeyArt - stock.adobe.com

Das Forschungsdesign kombinierte quantitative und qualitative Forschungsmethoden (mixed methods). Zwei Fallstudienorte befanden sich im ländlichen und kleinstädtischen Umfeld, einer im mittelstädtischen und drei im großstädtischen Raum.

Die quantitative Forschung konnte vor allem zeigen, dass sich die Präsenz Sozialer Arbeit bzw. Sozialer Dienste im städtischen Raum per se signifikant positiv auf das Sicherheitsempfinden der Nutzer des jeweiligen Sozialraums auswirkt. Die qualitativen Ergebnisse machen die Wirkungen gemeinwesenorientierter Maßnahmen im Detail nachvollziehbar, ausgewählte Erkenntnisse zu sowohl städtischen als auch ländlichen Kommunen werden nachfolgend zusammengefasst.

Kommunale Veränderungen begleiten

Besonders sichtbar wurde das Wirkpotenzial von GWA für die Begleitung kommunaler Transformationsprozesse, etwa durch Nachverdichtung, Urbanisierungstendenzen in ländlichen Räumen, Veränderungen der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung, aber auch infolge der Pandemie:

Anhand mehrerer Beispiele konnte in der Studie gezeigt werden, dass sich durch die Begleitung mittels GWA solche Umbrüche und Krisen positiv bearbeiten lassen. Indem betroffene Gruppen proaktiv eingebunden und ihre Bedürfnisse ernst genommen werden, lassen sich diffuse Ängste konkretisieren und können kommuniziert werden.

Indem GWA das Bewusstsein der Akteur:innen über ihre Handlungskompetenzen im Sozialraum stärkt, werden Voraussetzungen geschaffen, um mit (als negativ) wahrgenommenen Folgen von Transformation umzugehen.

Durch eine kontinuierliche, zwischen unterschiedlichen Akteur:innen (wie Verwaltung, Politik, Nutzer:innengruppen) vermittelnde Tätigkeit kann GWA in umkämpften Räumen die Raumnutzung lenkend beeinflussen und zur Integration unterschiedlicher Nutzungsbedürfnisse beitragen. Dabei sind potenzielle Verdrängungsprozesse weniger artikulationsmächtiger Gruppen systematisch mitzudenken und diese darin zu stärken, ihre Bedarfe zu artikulieren. So kann Folgekonflikten bzw. sozialräumlichen Ausschlüssen entgegengearbeitet werden.

Gerade wenn GWA dazu führt, dass Menschen miteinander in Austausch treten, Räume mitgestalten und zu Akteur:innen in Veränderungsprozessen werden, können auch Ängste und Unsicherheiten etwa im Umgang mit als fremd wahrgenommenen Personen und Lebenswelten reduziert werden. Erfolgversprechend erweisen sich dabei kollektivierende Aktivitäten (wie etwa Gemeinschaftsgärten – siehe unten), die an gemeinsamen Interessen ansetzen. Wenn auf Raumaneignung durch bestimmte Gruppen hingewirkt wird, ist jedoch auch zu prüfen, wer dadurch eventuell ausgeschlossen werden könnte.

Stärkung des Gemeinwesens durch Gemeinschaftsgärten

Gemeinschaftsgärten können als Form bildungsorientierter Gemeinwesenarbeit betrachtet werden. Sie zeigen – gerade auch im ländlichen Raum – auf mehreren Ebenen Wirkungen und Wirkhinweise:

In Gärten können Menschen aus unterschiedlichen Lebenswelten gemeinsame Interessen verfolgen. Dabei steht weniger ihre Unterschiedlichkeit, sondern das geteilte Ziel, Pflanzen zum Gedeihen zu bringen oder Gemüse zu ernten, im Zentrum.

Diese kollektive Orientierung und die gleichzeitige Anwesenheit der Mitglieder (etwa im Rahmen von Gartentagen oder Ähnlichem) schaffen Begegnungsräume – im Zusammentreffen unterschiedlicher Lebenswelten und Zugänge können Vorurteile reflektiert und abgebaut werden.

Solche Sozialräume, die an geteilten Interessen anstatt an Differenzen ansetzen, können zu einem Miteinander beitragen. Damit die soziale Integration innerhalb des Gartens nicht zur Desintegration mit der Umgebung führt, ist es wichtig, die (erweiterte) Nachbarschaft, aber auch Verantwortliche auf Gemeindeebene ausreichend einzubinden.

Als bottom-up organisierte Sozialräume können Gärten Selbstorganisationsprozesse sowie Teilhabe bzw. Partizipationskompetenzen stärken. Gartengemeinschaften, die sich an soziokratischen Prinzipien orientieren, regen demokratische Lernprozesse an. Transparente Organisations- und Entscheidungsprozesse sowie ein reflexiver Umgang mit Machtverhältnissen erweisen sich als wichtige Erfolgsfaktoren für solche Wirkungen, eine Moderation und Begleitung der dynamischen Prozesse kann ebenfalls förderlich sein.

In der Studie wurde auch das Potenzial von Gemeinschaftsgärten in Krisenzeiten sichtbar: Gärten können im Kontext von Heimatlosigkeit (etwa als explizit „interkulturell“ ausgerichtete Projekte) und Leistungsdruck oder auch in gesellschaftlichen Ausnahmesituationen (wie der Covid-19-Pandemie), zu geschützten Räumen werden. Damit können sie nicht nur einen Beitrag zu mehr Lebensqualität leisten, sondern auch Strategien im Umgang mit Herausforderungen stärken.

Irritation als Chance

Wirkhinweise zeigen sich auch dann, wenn die Orientierung der Gemeinschaftsgärten auf den ersten Blick mit dominanten Charakteristika eines spezifischen Gemeinwesens (zum Beispiel im ländlichen Raum) unvereinbar scheint:

Wenn etwa kollektiv bewirtschaftete Beete oder heterarchische Entscheidungsstrukturen im Kontrast zu individuell gestalteten Eigengärten bzw. hierarchischen Vereinsstrukturen stehen oder marginalisierte bzw. tendenziell unsichtbare Gruppen (wie Geflüchtete, Zugezogene, nicht heteronormative Familien etc.) als Gärtner:innen sichtbar werden, führt dies potenziell zu Irritationen.

Sie verweisen auf diffuse Unsicherheiten und Ängste im Gemeinwesen, die durch die Gärten manifest werden. Gärten eröffnen auf diese Weise Möglichkeiten, sich mit dem bisher als „anders“ oder „neu“ Wahrgenommenen unmittelbar und handelnd in Bezug zu setzen. Lernprozesse werden angeregt, unter Umständen kann so der Umgang mit gesellschaftlichen Transformationsprozessen (wie Zuzug, Urbanisierung etc.) positiv beeinflusst werden.

Konflikte im öffentlichen Raum bearbeiten

Das Beispiel deutet an, dass GWA im Rahmen von Konfliktbearbeitung eine relevante Rolle spielt: GWA-Fachkräfte können den direkten Austausch zwischen Konfliktparteien fördern oder auch eine Stellvertreter:innen-Position einnehmen, indem sie die Bedürfnisse und Lebenszusammenhänge der jeweils anderen Konfliktpartei besser verständlich machen. Wechselseitige Vorbehalte können abgeschwächt und die Bedürfnisse und Raumnutzungsrechte problematisierter Nutzer:innen­gruppen im öffentlichen Raum (etwa Jugendlicher oder wohnungsloser Menschen) verstärkt wahrgenommen werden. GWA kann hier vor allem deshalb wirken, weil sie über Expertise zu unterschiedlichen Lebenswelten und zu strukturellen Bedingungen des Zusammenlebens im Gemeinwesen verfügt und Übersetzungsarbeit leistet. Letztere ist in zwei Richtungen relevant: hinsichtlich der Nutzer:innen und hinsichtlich der Akteur:innen auf politischer bzw. Verwaltungsebene. Indem Entscheidungsträger:innen die Expertise der Gemeinwesenarbeit zu lebensweltlichen Realitäten und sozialräumlichen Bedingungen anerkennen und einbeziehen, können Wirkmöglichkeiten sozialer Interventionen im Gemeinwesen verstärkt werden.