Walter Leiss
Walter Leiss: „Wenn es nicht gelingt, bei den Bürgern die Akzeptanz für die geplanten Maßnahmen zu erzeu-gen, werden die Ziele nicht zu erreichen sein.“

Was die neue Regierung für das Klima bringt

Im Regierungsprogramm der neuen Regierung heißt es, „die österreichische Regierung bekennt sich zu ihrer Verantwortung, die notwendigen Schritte und Weichenstellungen vorzunehmen, um dieser Herausforderung auf allen Ebenen gerecht zu werden und die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens zu erfüllen“.

In den aufgezählten Maßnahmen – die manchen viel zu wenig und zu unkonkret sind – heißt es zum Beispiel: „Erhöhung der Sanierungsrate und -qualität, unter anderem durch Weiterentwicklung der Wohnbauförderung und der Bauvorschriften, Sanierungskonzepte. Null­emissionsgebäude Schritt für Schritt zum Standard machen. Phase-out aus fossilen Energieträgern in der Raumwärme ab 2020: Aus für alle Öl- und Kohleheizungen bis 2035 …“.

„Der Standard“ übersetzt das wie folgt: „Dann wird es den Straßenverkehr, wie wir ihn heute kennen, nicht mehr geben. Dann müssen Millionen Ölheizungen herausgerissen und Gasheizungen umgebaut werden. Dann muss sich die Wirtschaft radikal umstellen und mit ihr die meisten Unternehmen sowie die Arbeitswelt. Dann muss sich die Siedlungsstruktur auf dem Land und das Leben in den Städten ändern.“

Waren die Ziele, die im Dezember 2019 im Klimaplan formuliert wurden, vielen zu wenig und wurden heftig kritisiert und als blanker Hohn bezeichnet, so wird auch das jetzige Regierungsprogramm als zu vage und zu wenig ambitioniert hingestellt. 

Andere, wie Prof. Gero Vogl (emeritierter Ordinarius für Physik an der Universität Wien), bezweifeln allerdings die Möglichkeiten der Umsetzung. In einem Gastkommentar in der „Presse“ vom 19.12.2019 schreibt er: „Natürlich wird uns die Einhaltung der so überaus fahrlässig gemachten Zusagen nicht gelingen, und wir sollten rechtzeitig echte Schritte setzen und auch bei unseren Zusagen nach Möglichkeit zurückrudern.“

Der bekannte Harvard-Psychologe Steven Pinker und andere Wissenschaftler kommen zum Ergebnis, dass es allein mit erneuerbaren Energien länger als ein Jahrhundert dauern wird, um die Welt zu dekarbonisieren. Trotz Energiewende habe Deutschland seinen Klimagasausstoß bislang kaum verringert, so die Wissenschaftler im „Spiegel“ Nr.51/2019.

Braucht die Klimawende neue Atomkraftwerke?

Als Lösung wird in den USA an kleinen, angeblich sicheren AKWs gearbeitet. In Europa werden in manchen Staaten auch noch große neue AKWs errichtet, die als grüne Energie eingestuft werden. Ohne Atomenergie wird die Klimawende nicht zu schaffen sein, sagen sie. Das ist für Österreich aber im Regierungsprogramm ausgeschlossen.  

Es wird in den Bereichen Industrie, Verkehr, Wohnen und Landwirtschaft noch viele technische Entwicklungen und Veränderungen geben, aber die Umsetzung wird in vielen Fällen bei den Bürgern liegen. Bundes- und Landesgesetze werden erlassen werden.

Womit wird in Zukunft geheizt?

In einigen Fällen wird der Vollzug bei den Gemeinden liegen. Gebote, Verbote, Steuern und Förderungen sind die Formen des staatlichen Handelns. Ist das Verbot von Ölheizungen bei Neubauten noch eher durchsetzbar, wird es beim Bestand schon herausfordernder.

Schätzungen zufolge sind derzeit 700.000 Ölheizungen in Betrieb, vielfach in Häusern im ländlichen Raum, wo es wenige oder nur teure Alternativen gibt. Aber auch die urbanen Räume sind nicht besser dran. Alle umzustellen, die jetzt mit Gas heizen, wird in den Städten nicht einfach werden. Wer sagt’s dann dem Bürger? Das werden vielfach die Bürgermeister als Baubehörden sein.

Auch wenn lange Übergangsfristen geplant sind, wird der Zeitpunkt der Umsetzung kommen. Und jenen, die jetzt um einen Heizkostenzuschuss ansuchen, wird man dann sagen müssen: „Ihr müsst einen kompletten Heizungstausch vornehmen.“ Da wird es vieler Fördergelder bedürfen, um eine Akzeptanz zu ermöglichen. 

Was bringt die Erhöhung der Mineralölsteuer?

Die bloße höhere Besteuerung – wie die so oft geforderte Erhöhung der Mineralölsteuer (MöSt) und die Abschaffung des Dieselprivilegs – wird, wenn Alternativen fehlen, nicht zu einer Lösung führen.

Ökonomen errechnen, dass durch die Erhöhung der MöSt der Tanktourismus um 93,7 Prozent zurückgehen und damit der heimische Verbrauch von etwas mehr als zehn auf 8,4 Milliarden Liter sinken würde. Dadurch würden auch die CO2-Emissionen, die Österreich zugerechnet werden, massiv um 4,8 Millionen Tonnen zurückgehen. Mehr als die Hälfte des Zieles für 2030 wäre damit schon erreicht.

Die heimischen Autofahrer (vielfach die Pendler) müssten dafür zwar um 500 Millionen Euro mehr an MöSt bezahlen, bei einem Minus von 300 Millionen Euro am MöSt-Gesamtaufkommen für den Staat. Aber der Transit wird nach wie vor durch Österreich fließen und der CO2-Ausstoß bleibt gleich, egal wo getankt wird, nur weil die Messmethode geändert wurde. Das muss man den Bürgern erst erklären.

Kritik ist zu erwarten

Ob dann noch alle die Klimaziele mittragen, wenn sie selbst von konkreten Maßnahmen betroffen sind, darf bezweifelt werden. Schon im Gesetzgebungsverfahren wird die Opposition die Maßnahmen kritisieren. Und die Bürger, die sich’s nicht leisten können, werden der Kritik zustimmen.

Und obwohl die Maßnahmen notwendig sind, wird sich das Meinungsbild dann rasch ändern. Man muss nur nach Paris schauen. Seit Wochen demonstrieren Hunderttausende Bürger gegen eine geplante Pensionsreform.

Neben vielen Angleichungen in den Pensionssystemen geht es um die Erhöhung des faktischen Pensionsalters von 62 auf 64 Jahre. Auch hier liegen die Fakten auf dem Tisch. Auch in Frankreich sind die Bürger kürzer im Arbeitsleben und werden immer älter. Trotzdem ist keiner zu den Reformen bereit. Schon deutet die französische Regierung Kompromisse an. Ob wir uns das beim Klima auch leisten können, ist eine berechtigte Frage.

Den Kritikern am Regierungsprogramm ist entgegenzuhalten, dass zwischen Theorie und verantwortungsvoller Umsetzung Welten liegen. Wenn es nicht gelingt, bei den Bürgern die Akzeptanz für die geplanten Maßnahmen zu erzeugen, werden die Ziele nicht zu erreichen sein. Insofern ist das Regierungsprogramm schon als ambitioniert zu bezeichnen.