Der Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler hisste gemeinsam mit den Klima-Aktivisten von „Fridays for Future“ eine Flagge für den Klimaschutz
Der Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler hisste gemeinsam mit den Klima-Aktivisten von „Fridays for Future“ eine Flagge für den Klimaschutz, mit dem Klimaziel von maximal 1,5 °C Erderwärmung, als „sichtbares Zeichen für die Entscheidung, die der Gemeinderat einstimmig getroffen hat“.

Was bedeutet es, wenn Gemeinden den Klimanotstand ausrufen?

Die 1200-Einwohner-Gemeinde Michaelerberg-Pruggern in der Obersteiermark machte den Anfang: In der Gemeinderatssitzung vom 13. Juni beschloss der Gemeinderat einstimmig, den Klimanotstand auszurufen – als erste Gemeinde in Österreich. Viele Gemeinden und Städte und - als erstes Bundesland - das Land Vorarlberg folgten. Sie wollen damit vor allem eines: Zeichen setzen und Bewusstsein schaffen. Doch fangen die Klimaschutzpioniere mit den geforderten Maßnahmen auch bei sich selbst an?

Aufmerksamkeit für ein ohnehin brennendes Thema. Mit drastischen Formulierungen wurden die Beschlüsse zum Klimanotstand begründet: „Unser Haus brennt“, waren die Fraktionen im Vorarlberger Landtag einig, und Landeshauptmann Markus Wallner betonte: „Wir sind an einem Punkt angekommen, an dem es kein Zurück mehr gibt.“

Traiskirchens Bürgermeister Andreas Babler formuliert via Facebook: „Die Zeit des Wartens ist endgültig vorbei, weil es um nichts weniger als das Überleben unserer Kinder und Kindeskinder auf diesem Planeten geht.“

Im obersteirischen Michaelerberg-Pruggern ging man nüchterner an die Sache heran, doch auch für Bürgermeister Hannes Huber zählt die Symbolkraft: „Wir wollen mit unserem Schritt Aufmerksamkeit für den Klimaschutz erregen und Menschen zum Nachdenken bringen. Auch richtet sich unsere Botschaft an die ,hohe Politik‘, die endlich aktiv werden muss“, fasst er zusammen. Er begrüßt, dass andere Gemeinde es gleichgetan haben.

Im Speckgürtel rund um Wien spürt man bereits den Klimawandel

Etwa die Marktgemeinde Perchtoldsdorf und die Stadtgemeinde Traiskirchen, die mit ihrer Lage im sogenannten Speckgürtel rund um Wien die Auswirkungen der Klimaveränderung schon heute besonders spüren: „Viele unserer Bürgerinnen und Bürger sind tagsüber in Wien. Sie haben damit auch ein städtisches Empfinden, etwa was die Auswirkungen der Hitzetage oder das Verschwinden von Bäumen betrifft“, begründet der Perchtoldsdorfer Bürgermeister LAbg. Martin Schuster, der dem Gemeinderat ein Klimamanifest zum Beschluss vorgelegt hat, diesen Schritt. Auch ihm geht es darum, Zeichen zu setzen: „Jeder Grundsatzbeschlusses zielt natürlich einmal darauf ab, aufzurütteln und ein Thema hochzubringen“, meint er.

Besonders öffentlichkeitswirksam hisste der Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler gemeinsam mit den Klima-Aktivisten von „Fridays for Future“ eine Flagge für den Klimaschutz, mit dem Klimaziel von maximal 1,5°C Erderwärmung, als „sichtbares Zeichen für diese Entscheidung, die der Gemeinderat einstimmig getroffen hat“. Also alles nur Effekthascherei? Nicht ganz.

Die Gemeinden als Vorreiter und Vorbilder

„Ich erinnere mich noch daran, als in den 90er- Jahren die Mülltrennung erstmals zum Thema wurde. Damals waren es die Gemeinden, die das in die Breite brachten, binnen weniger Jahre zur Selbstverständlichkeit werden ließen“, zieht er einen Vergleich und ist überzeugt, dass den Kommunen in der aktuellen Debatte eine ähnliche Rolle zukommt.

Michaelerberg-Pruggern hat in der Vergangenheit bereits Pionierarbeit geleistet: „Im Ortsteil Pruggern (Anm.: Damals noch eigenständige Gemeinde) wurden bereits 2006 alle öffentlichen Gebäude an die mit Bioenergie betriebene Fernwärme angeschlossen, beginnend mit 2007 wurde die Straßenbeleuchtung Zug um Zug  auf LED umgestellt“, erzählt Bürgermeister Hannes Huber.

Bürgermeister Hannes Huber, Michaelerberg-Pruggern
Bürgermeister Hannes Huber, Michaelerberg-Pruggern: "Wir werden im Bebauungsplan festlegen, dass auf den über 20 neuen Bauparzellen keine fossilen Brennstoffe erlaubt sind.“

Auch für Perchtoldsdorf ist der Klimaschutz kein Neuland: Seit 1994 ist die Gemeinde Mitglied des Klimabündnis Österreich, gemeinsam mit derzeit 986 anderen, die sich mit individuellen Maßnahmen für den Klimaschutz engagieren. 2010-2014 hat Perchtoldsdorf als Klima- und Energie-Modellregion eine bundesweite Vorbildfunktion eingenommen.

„Natürlich sind wir als  Gemeinden bei vielen Themen gefordert, selbst aktiv zu werden. Es ist aber auch wichtig, innerhalb der Bevölkerung einen Diskurs in Gang zu setzen“, so Martin Schuster, der damit in eine ähnliche Kerbe stößt wie sein Amtskollege aus der Steiermark: „Es ist uns klar, dass wir als Kleingemeinde das Weltklima nicht retten werden. Aber wir wollen in unserem Wirkungsbereich Bewusstsein schaffen und Menschen etwa beim Ausstieg aus der fossilen Energie individuell vor Ort unterstützen. Denn die Bereitschaft der Bevölkerung ist da“, so Bürgermeister Hannes Huber. Nach der Ausrufung des Klimanotstands lud er deshalb zur Bürgerversammlung ein, um gemeinsam mit der Bevölkerung nächste Schritte für den Klimaschutz zu erarbeiten.

Willensbekundungen für mehr Klimaschutz

Mit ihren Beschlüssen erlegen sich die Gemeinden aber auch selbst einige Pflichten auf.

In Perchtoldsdorf sollen künftig alle Anträge auf ihre Klimarelevanz, die auch auszuweisen ist, geprüft und Maßnahmen mit positivem Effekt auf das Klima prioritär behandelt werden – so sieht es das Klimamanifest vor.

Ähnliches ist in der Traiskirchner Resolution zum Klimanotstand zu lesen: Die Gemeinde setzt sich zum Ziel, Auswirkungen auf das Klima bei jeglichen Entscheidungen zu berücksichtigen und Lösungen zu bevorzugen, die sich positiv auf Klima-, Umwelt- und Artenschutz auswirken. Außerdem will die Gemeinde alle in ihrem Einfluss stehenden Gesetze, Verordnungen und Maßnahmen prüfen und bemüht sich, diese im Sinne des angestrebten Ziel von maximal 1,5 Grad Erderwärmung anzupassen. Dort, wo die Stadt Traiskirchen keinen direkten Einfluss mehr hat, möchte Bürgermeister Babler auch auf Landes- und Bundesebene Änderungen erreichen, etwa in der Bauordnung.

Vorarlberg: Vereinbarkeit mit Energieautonomie und Klimaschutz wird geprüft

Das Land Vorarlberg hat sich diese Aufgabe bereits selbst gestellt. Nachdem der Landtag den Klimanotstand ausrief, prüft das Land jetzt alle Gesetze, Verordnungen und Förderungen auf ihre Vereinbarkeit mit Energieautonomie und Klimaschutz. Allesamt wichtige Ansätze, um klimafreundliches Denken und Handeln Stück für Stück zur Selbstverständlichkeit werden zu lassen. Doch kurzfristige Auswirkungen sind davon nicht zu erwarten, vor allem angesichts der Tatsache, dass die Grundsatzbeschlüsse mehr Willensbekundung als Verpflichtung sind.

Den Worten folgen Taten - Klimanotstand

Es ist aber deshalb nicht alles Schall und Rauch. Denn überall, wo Beschlüsse zum Klimaschutz fielen, sind auch bereits erste (zusätzliche) Maßnahmen in Planung: „Konkret haben wir vor, auf zwei großen Flächen, die wir mit der nächsten Flächenwidmungsplanänderung in Bauland widmen werden, die Energieversorgung zu reglementieren: Wir werden im Bebauungsplan festlegen, dass auf den über 20 neuen Bauparzellen keine fossilen Brennstoffe erlaubt sind“, so Bürgermeister Huber aus Michaelerberg-Pruggern. Damit könnte die Gemeinde beispielgebend für andere sein. Die Bevölkerung wünscht sich unter anderem finanzielle Anreize und Information für alle, die derzeit noch mit Öl heizen – an der konkreten Umsetzung dieser Maßnahme wird gearbeitet.

Traiskirchen: Maßnahmenkatalog wird erarbeitet

Auch Traiskirchen lässt den Worten Taten folgen: Gemeinsam mit Expertinnen und Experten wird derzeit ein struktureller Maßnahmenkatalog erarbeitet,  der Fragen der Dachflächengestaltung mit erneuerbaren Energien, der Verhinderung von großflächiger Bodenversiegelung sowie des Baustoffmanagements berücksichtigt. Auch städtische Pflanzaktionen sind geplant. Für all das stellt die Gemeinde auch entsprechende finanzielle Mittel zur Verfügung: „Bis 2030 haben wir ein Budget von 20 Millionen Euro für eine entsprechende Personal- und Verwaltungsstruktur und die konkrete Projektumsetzung vorgesehen“, so Bürgermeister Andreas Babler. Selbst auferlegtes Ziel ist, den Ausstoß von Treibhausgasen zu verringern und die Emissionen bis 2030 auf Netto-Null zu reduzieren. Dafür wünscht sich die Gemeinde eine valide externe Evaluierung.

Andreas Babler
Andreas Babler, Bürgermeister von Traiskirchen: "Bis 2030 haben wir ein Budget von 20 Millionen Euro für eine entsprechende Personal- und Verwaltungsstruktur und die konkrete Projektumsetzung vorgesehen.“

Klimamanifest in Perchtoldsdorf

Perchtoldsdorf knüpft mit dem Klimamanifest an die Maßnahmen der Vergangenheit an: „Natürlich werden wir unser Energiekonzept weiterentwickeln, außerdem den EMAS-Prozess (Europäisches Energiemanagement) auf alle kommunalen Bereiche ausdehnen. Ebenso setzen wir verstärkt auf den Baumschutz und die seit zwei Jahren laufende Bepflanzungsoffensive“, nennt Bürgermeister Schuster einige Beispiele, mit denen die deutliche Kohlendioxid-Reduktion im gemeindeeigenen Bereich vorangetrieben werden soll.   

Martin Schuster, Bürgermeister von Perchtoldsdorf
Martin Schuster, Bürgermeister von Perchtoldsdorf: "Wir als Gemeinden sind bei vielen Themen gefordert, selbst aktiv zu werden. Es ist aber auch wichtig, innerhalb der Bevölkerung einen Diskurs in Gang zu setzen.“