Blick auf Wien vom Kahlenberg aus
Blick auf Wien. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass sich die Kommunen aus der Doppelkrise herausinvestieren müssen.
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Warum die Gemeinden jetzt investieren sollten

5. Mai 2022
In der Finanzkrise ab 2009 zählte Österreich nicht zu den Ländern, die auf eine besonders restriktive Budgetpolitik setzten. Im Gegensatz zu anderen Ländern in der Eurozone brach das Wachstum hierzulande deshalb auch viel weniger ein. „Allerdings kam es auch in Österreich zu einem Investitionsstau auf Gemeindeebene“, sagt Mario Holzner, Direktor des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) und Co-Autor einer neuen Studie zum Thema. Selbst in Gemeinden, die stark wuchsen, wurden Investitionen in Bildung, Verkehr oder Gebäudesanierungen auf die lange Bank geschoben.

Gemeinsam mit den wiiw-Ökonomen Bernhard Moshammer und Philipp Heimberger ging Holzner daher der Frage nach, wie die Gemeinden auf die wirtschaftlichen Herausforderungen durch Corona und den Ukraine-Krieg reagieren sollen.

Fazit: Die Kommunen müssen sich aus der Doppelkrise herausinvestieren. Ein Investitionsstau wie nach der Finanzkrise aufgrund einer fehlgeleiteten Sparpolitik sollte dieses Mal tunlichst vermieden werden.

Mario Holzner
wiiw-Direktor Mario Holzner: „Gerade die Gemeinden können einen großen Beitrag dazu leisten, die fragile Konjunkturentwicklung zu stabilisieren, den Kampf gegen den Klimawandel zu forcieren und damit auch die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern - etwa russischem Erdgas - zu reduzieren.“

„Gerade die Gemeinden können einen großen Beitrag dazu leisten, die fragile Konjunkturentwicklung zu stabilisieren, den Kampf gegen den Klimawandel zu forcieren und damit auch die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern - etwa russischem Erdgas - zu reduzieren“, so Holzner.

Ein gutes Beispiel dafür sei der Gebäudesektor. In Österreich befindet sich fast die Hälfte der nutzbaren Wohnfläche in Gebäuden, die vor 1970 errichtet wurden. Hier ließe sich mit thermischen Sanierungen viel CO2 einsparen. Der noch vor der Covid-19 Krise und dem Green New Deal der EU-Kommission präsentierte Nationale Klima- und Energieplan der Bundesregierung veranschlagte den Gesamtinvestitionsbedarf für thermische Gebäudesanierungen bis 2030 auf immerhin 16,2 Milliarden Euro.

Leistbarer Wohnraum braucht öffentliche Investitionen

Auch die Wohnkosten haben in den vergangenen Jahren rasant angezogen. Investitionen in leistbaren neuen Wohnraum könnten Wohnen auch für weniger einkommensstarke Schichten erschwinglicher machen.

Eine Sanierungsoffensive würde auch die Beschäftigung signifikant erhöhen. Kommunale öffentliche Investitionen und die Förderungen von Sanierungen haben eindeutig positive wirtschaftliche Effekte.

„Angesichts stark steigender Mieten, die vor allem sozial schwache Menschen treffen, ist die Schaffung von leistbarem Wohnraum die wahrscheinlich größte Herausforderung für jede größere Stadtgemeinde“, sagt Thomas Bohrn, Leiter des Büros für Daseinsvorsorge und Kommunalwirtschaft der Stadt Wien.

Vororte an öffentlichen Verkehr der Großstädte anbinden

Auch beim öffentlichen Verkehr gibt es Aufholbedarf. Hier besteht ein starkes Gefälle zwischen Zentrum und Peripherie: In Kleingemeinden mit weniger als 500 Einwohnern wohnen weniger als 10 Prozent in der Nähe öffentlicher Verkehrsmittel. In Gemeinden mit mehr als 50.000 Einwohnern ist der Anteil größer als 90 Prozent, in Wien beträgt er 100 Prozent - ein ähnliches Bild wie beim Breitbandausbau.

Auch wenn Haushalte in ländlichen Gemeinden bisher weniger als ihre urbanen Pendants für Verkehr ausgegeben haben, könnte sich das angesichts stark steigender Energiepreise ändern. Individualverkehr wird teurer, das hat auch soziale Auswirkungen. Besonders in kleinen Städten und Vororten sind Investitionen in die Verkehrsanbindung sinnvoll, da sie sich in unmittelbarer Nähe zum öffentlichen Verkehr großer Städte befinden.

Bei der digitalen Verwaltung und der Bildung besteht ebenfalls Handlungsbedarf, insbesondere was die Stärkung der digitalen Kenntnisse von Frauen angeht, um sie am Arbeitsmarkt besser zu integrieren. Nicht zuletzt auch im öffentlichen Gesundheitswesen sind Investitionen notwendig, wie die Corona-Krise gezeigt hat.

Beispielsweise für mehr Pflegepersonal in den Krankenhäusern oder um mehr Psychotherapiemöglichkeiten anbieten zu können.

Notwendiger Paradigmenwechsel

„Wir brauchen hier einen Paradigmenwechsel, wie er auch von Institutionen wie dem Internationalen Währungsfonds oder der OECD angemahnt wird. In der Finanzkrise hat man gesehen, dass Sparpolitik das Wachstum nach der Krise abwürgt. Natürlich ist das kein Plädoyer für ungebremstes Schuldenmachen. Aber es braucht Spielräume für Investitionen“, sagt Holzner. Schaffen ließen sich diese etwa dadurch, dass bestimmte Investitionen nicht als Schulden eingestuft werden.

Ähnlich sieht das Thomas Bohrn. „Um die Daseinsvorsorge ausbauen und Menschen vor dem Absturz in die Armut bewahren zu können, sind mehr Spielräume für öffentliche Investitionen dringend notwendig – gerade in Zeiten wie diesen.“

Bohrn verweist in diesem Zusammenhang auf die enormen Anstrengungen der Stadt Wien bei grundlegenden öffentlichen Dienstleistungen wie Wasserversorgung, Abwasser- und Müllentsorgung, Gesundheit, Öffis aber auch dem sozialen Wohnbau. „Wenn wir als Gesellschaft das hohe Niveau der Leistungen der Daseinsvorsorge aufrechterhalten und adäquat auf Krisen wie Corona und den Ukraine-Krieg reagieren wollen, muss uns auch die Möglichkeit gegeben werden, dafür mehr Geld in die Hand zu nehmen. Denn Investitionen in die Daseinsvorsorge sind Investitionen in die Zukunft und stellen damit die Grundlage für den Erhalt der hohen Lebensqualität wie auch die Entwicklung des Wirtschaftsstandortes in Wien dar“, so Bohrn.

Die Studie wurde im Auftrag des Büros für Daseinsvorsorge und Kommunalwirtschaft der Stadt Wien erstellt.