Bernd Fislage
„Eine Situation wie die derzeitige bietet die besten Argumente, um mit dem Rechnungshof zu diskutieren, dass man gerade jetzt so eine Entscheidung getroffen hat. Jetzt ist es wesentlich leichter als in normalen Zeiten, wo einem der Rechnungshof im Nacken sitzt, weil man vielleicht Geld verschleudert hat.“ Kommunalkredit-Chef Bernd Fislage im Gespräch mit KOMMUNAL-Chefredakteur Hans Braun.

„Verschwende keine Krise“

Bei den Kommunalen Sommergesprächen hielt Kommunalkredit-Chef Bernd Fislage ein Impulsreferat über krisensichere Investitionen in unsere Infrastruktur. Sein Fazit: Wir sind dabei, die Krise als Impuls für notwendige Investitionen zu verschwenden. Er fordert von allen Beteiligten mehr Mut.

Herr Fislage, verschwenden wir die Krise?

Ich glaube, wir haben nur durch die Krise in manchen Dingen sehr schnell reagiert. Wir kommen jetzt aber wieder in den normalen Modus, die Anspannung lässt nach und wir könnten mehr machen, tun es aber nicht. 

Wo sollten wir mehr machen?

Nehmen sie das Programm bei den Photovoltaik-Aufdach-Anlagen, wo die österreichische Bundesregierung eine Million Dächer finanziert haben möchte. Warum nutzen wir nicht die öffentlichen Gebäude, gerade um Aufdachanlagen jetzt beschleunigt auszubauen? Warum beschleunigen wir nicht die Gesetzgebung, Rahmenbedingungen oder Vergabeverfahren für die Übertragung von Strom?

Das Problem ist meist, dass die Gemeinden für diese Dinge nicht immer das Geld haben, sie müssen es in Gesundheitsvorsorge und die Aufrechterhaltung der normalen sozialen Daseinsvorsorge stecken. Von welchen Kostenpunkten reden wir eigentlich, wenn wir beispielsweise nur von den PV-Anlagen auf dem Dach reden?

Ich würde das Thema nicht über Kostenpunkte betrachten, sondern darüber wie viel Einsparmöglichkeiten es gibt. Die Kosten für PV sind massiv heruntergegangen. Mit dieser Technologie haben sie in vielen Ländern mittlerweile eine Vergabe, die nicht nur auf Subventionen basiert, sondern auf Marktpreisen.

Insofern glaube ich, dass wir eigentlich noch CO2-Kosten betrachten. Sie wissen, dass aus der EU ein Vorschlag kommen wird, CO2 zu bepreisen. Wenn ich diese beiden Parameter zusammennehme, wird – wahrscheinlich sogar auf sehr kurze Sicht – die Produktion aus Photovoltaikanlagen und Windanlagen vom Strom wesentlich günstiger sein – und subventionsfrei. 

Ist das schon das krisensichere Investieren, das Sie gemeint haben?

Krisensicher investieren ist für mich, wenn man in langen Zyklen denkt – zwanzig Jahre, dreißig Jahre. Damit meine ich Infrastrukturen, die in der Regel einen derart langen Lebenszyklus haben. Wenn Sie eine Brücke bauen, hält diese dreißig Jahre. Wenn Sie eine Straßenbahn bauen, fährt die dreißig Jahre. Wenn Sie einen Photovoltaikpark errichten, hält der zwischen zwanzig und dreißig Jahren, bei Windanlagen ist es genauso.

Bernd Fislage
Bernd Fislage : „Krisensicher investieren ist für mich, wenn man in langen Zyklen denkt – zwanzig Jahre, dreißig Jahre. Damit meine ich Infrastrukturen, die in der Regel einen derart langen Lebenszyklus haben.“

In diesen sehr langen Zeiträumen können wir sehr genau ex ante kalkulieren, wie die Ertragssituation ist. Wenn wir ex ante kalkulieren, wie die Ertragssituation ist, können wir natürlich auch Infrastruktur in zwei Richtungen als Daseinsvorsorge nutzen: Einmal als Daseinsvorsorge für unsere späteren Pensionen, die sich aus dem Rückfluss speisen, und gleichzeitig als Daseinsvorsorge, dass wir mit dieser Infrastruktur einerseits unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken oder verbessern, und gleichzeitig den heranziehen unsere Gesellschaft umzubauen, zur CO2-Einsparung.

Was ist mit der täglichen kleinen Mobilität? Mit dem Auto in die Arbeit zu fahren ist auf dem Land oft eine Notwendigkeit – CO2 zu bepreisen macht das Fahren teurer. In den Ballungsräumen ist das machbar, doch wie soll das am Land machbar sein?

Sie können auf dem Land - eine Idee, die heute womöglich noch nicht reif ist - das fahrerlose Fahren forcieren. Wenn man kleinere Busse hat, die elektrisch angetrieben werden und selbsttätig fahren können, dann kann man auch in kleineren und ländlichen Regionen Menschen nachts um zehn oder elf Uhr befördern. Das heißt, man kann ganz neue Verkehrskonzepte kreieren.

Nehmen sie Homeworking und Social Distancing aus der Corona-Krise. Ich habe Kollegen in meinem Metier, die seit sechs Monaten nicht im Büro waren und auch die nächsten drei Monate nicht im Büro sein werden. Deren Büros sind in der Hauptstadt eines europäischen Landes und sie wohnen in einem anderen europäischen Land. Auch das sind Arbeitsmodelle, die wir vermehrt sehen werden.

Nehmen Sie Video-Conferencing. Keiner hat vor einem Jahr über Zoom nachgedacht oder über Teamviewer. Sie können eine IT-Abteilung haben, die nicht im gleichen Gebäude ist, und sich aus kilometerweiter Entfernung auf ihren PC schaltet. Das sind alles neue Arbeitsmodelle, die durchaus dazu führen können, dass Menschen nicht nur in die Stadt fliehen, sondern auch wieder in die ländlichen Räume zurückgehen. 

Da hakt es aber mit der Breitbandverbindung, weil diese im ländlichen Raum noch nicht ausreichend ausgebaut ist.

Absolut richtig. Wir hatten letztes Jahr in Niederösterreich die erste Großvergabe, nachdem vor drei Jahren der Pilot gemacht wurde, dass man Glasfaser in Form eines privat-öffentlichen Prozesses auf den Weg gebracht hat. Die öffentliche Hand wollte weiter kapitaltechnisch beteiligt sein. Sie nahm aber kein neues Geld in die Hand, sondern nahm das, was sie hatte und brachte es ein.

Die Hoffnung wäre gewesen, dass wir jetzt eigentlich bereits in der zweiten Ausschreibungsphase wären, damit dass in eineinhalb Jahren daran gekoppelt werden kann. Das ist meines Erachtens leider ins Stocken geraten. Mal losgelöst davon, dass Initiativen in Oberösterreich, Steiermark, Kärnten nicht wirklich vernetzt sind, wie sie gleichzeitig rausgehen können.  

Das ist das föderale Problem in Österreich. Das wird in Deutschland aber nicht viel anders sein? 

Ich glaube, Föderales ist eine Chance und ein Problem. Föderal ist eine Chance, dass man Dinge schneller entscheiden kann, als wenn alles zentral ist. Föderal kann eine Herausforderung sein, wenn jeder föderale Entscheidungsträger sagt, ich muss selber den Stein der Weisen erfinden, anstatt Best-Practice von jemandem zu übernehmen. 

Wenn man zu lange von Büro weg ist, gehen die Entscheidungsfindungsprozesse von jenen, die doch im Büro sind, an einem vorbei, und man wird irgendwie isoliert. Muss man dahingehend einen Mittelweg finden? 

Da kommen wir in ein Thema hinein, mit dem ich mich tatsächlich auch bei der Kommunalkredit sehr auseinandersetzen musste. Ich selber komme aus einem Umfeld, in dem bereits Home- oder Distanceoffice gemacht wurde. Ich bin zur Kommunalkredit gekommen und habe als Vorstandsvorsitzender Homeoffice nicht gefördert, weil ich glaubte, dass man damit Erfahrung haben muss, damit es funktioniert.

Dissemination von Information, also das sogenannte „auf dem Laufenden bleiben“, ist eine Hol- und eine Bringschuld. Zur Bringschuld gehört, dass der Arbeitgeber bereit ist, Informationen in Foren einzustreuen, zur Holschuld gehört aber, präsent zu sein und sich die Information einzuholen.

Ich selbst habe früher im Großraumbüro gearbeitet. Das Großraumbüro hat mir den Vorteil gegeben, dass ich vier Tage unter der Woche auf Reisen, und einen Tag im Office war. Dieser eine Tag im Großraumbüro und die multiple Kommunikation dort haben mir geholfen, aufzuschnappen, was die ganze Woche passiert ist, und ich konnte mich einbringen.

Zurück zur Kommunalkredit: Welche grünen Projekte unterstützt Sie denn nun vorrangig?

Grundsätzlich unterstützen wir nur grüne Projekte. Sie wissen, dass wir die KPC als neunzigprozentige Tochter haben, die gleichzeitig die Förderung in erneuerbare Projekte für die österreichische Regierung abwickeln.

Jede einzelne Transaktion, die wir neu abschließen, muss den Kriterien des ESG/SDG gestellt werden. Das heißt, wir gehen sehr weit, indem wir nicht nur Windenergie, Biomasse, Solarenergie, Wasserstofferzeugung und ähnliches unterstützen, sondern uns genauso anschauen: Machen wir nur Verbrennungsanlagen und was passiert mit den Verbrennungen, mit dem CO2? Wird CO2 freigesetzt, oder wird es eingespart? Was passiert mit dem Thema Transportinfrastruktur? Bauern wir Straßen, oder bauen wir keine Straßen? Wieviel CO2 wird für die Straße erzeugt? Werden daneben Elektroladestationen gebaut, um damit das CO2 wieder zu reduzieren? Also ein Instrumentarium, an dem wir jede unserer Entscheidungen dann abgleichen.

Sind alle 18 Verwendungszwecke für die Gemeindemilliarde, die ja vordefiniert sind, für die Kommunalkredit interessant, um darin zu investieren? Dabei geht es ja auch um kleinere Dinge, etwa Volksschulen thermisch zu sanieren. Das ist etwas anderes als eine Müllverbrennungsanlage zu errichten …

Grundsätzlich ist es eine Frage der Größenskalierung. Als Kommunalkredit machen wir Projekte, die durchaus im hohen zweistelligen Millionenbereich sind, aber genauso gut im mittleren einstelligen Millionenbereich. Daraus stellt sich immer wieder eine Frage an die Gemeinden: Könnt ihr Kommunen bündeln? Ihr habt im Grunde genommen in drei, vier, oder fünf Kommunen Vorhaben, die von der technischen Herangehensweise nicht so unterschiedlich sind. Könnt ihr die zusammenbringen? Denn damit können auch kleine Projekte finanziert werden.  

Sie haben zum Schluss Ihres Vortrages mehr Mut gefordert. Mut kann man nicht kaufen - entweder man hat ihn, oder man hat ihn nicht. 

Ist wohl wahr. Das ist das gleiche Sprichwort in Deutschland. 

Aber mehr Mut von einem Kommunalpolitiker zu verlangen, der mit Steuergeldern hantiert, ist in Zeiten wie diesen problematisch.

Ich würde die Gegenthese aufstellen. Eine Situation wie die derzeitige bietet die besten Argumente, um mit dem Rechnungshof zu diskutieren, dass man gerade jetzt so eine Entscheidung getroffen hat. Jetzt ist es wesentlich leichter als in normalen Zeiten, wo einem der Rechnungshof im Nacken sitzt, weil man vielleicht Geld verschleudert hat.

Dann muss man das den Bürgermeistern aber kommunizieren.

Ich hab da eine 180-Grad unterschiedliche Sichtweise und eine Antithese. Gerade jetzt ist der Zeitpunkt – angesichts der Krise, angesichts der Gelder, die da sind, und angesichts dessen, dass wir die Wirtschaft zum Laufen kriegen müssen – zu investieren.

Gerade jetzt ist Mut gefordert ist, Dinge zu machen. Etwa ob man im ländlichen Raum wirklich ein Krankenhaus- oder eine Pflegediensteinrichtung braucht. Kann man das nicht bündeln? Kann ich dann die Betten, die ich habe, als Notfallbetten nicht reduzieren?

Gerade jetzt, wenn Gemeindepolitiker oder ein Bürgermeister hinkommt: Wir halten uns die Redundanzen. Dann möchte ich einen Rechnungshof sehen, der sagt wir können es uns leisten die Redundanzen zu schneiden.