Gerhard Christiner
Gerhard Christiner: „Eine große Herausforderung im Stromnetz ist, dass es große Versäumnisse beim Ausbau der Übertragungskapazitäten gibt. Die Hochspannungsleitung in Salzburg kommt etwa zehn Jahre zu spät.“
© Rudi Fröse

Infrastruktur

„Stromsystem immer öfter im roten Bereich“

Das Gelingen der Energiewende hängt davon ab, wie gut das heimische Stromnetz auf die steigenden Belastungen vorbereitet ist. Gerhard Christiner, technischer Vorstand der Austria Power Grid (APG), über die Probleme, die es dabei gibt.

Ist das Stromnetz, vor allem das niederrangige, bereit für eine dezentrale Energieversorgung und die Nutzung erneuerbarer Energien?

Gerhard Christiner: Das Gelingen der Energiewende braucht eine Gesamtsystemplanung und eine gemeinsame Kraftanstrengung. Nur wenn es uns gelingt, die Kapazitäten in den Bereichen Stromnetze, Speicher, Reserven, Erneuerbare Produktion und digitale Plattformen synchronisiert auszubauen, können wir die sichere Transformation managen.

Sowohl das Übertragungs- als auch die Verteilnetze haben ein umfangreiches Investitionsprogramm für die nächsten Jahre vorgelegt. Wir als APG investieren 3,5 Milliarden in den Um- und Ausbau der Strominfrastruktur und die Kollegen von den Verteilnetzen rund 14,5 Milliarden in den kommen zehn Jahren.

Was sind die Herausforderungen dabei?

Eine große Herausforderung im Stromnetz ist, dass es große Versäumnisse beim Ausbau der Übertragungskapazitäten gibt. Die Hochspannungsleitung in Salzburg kommt etwa zehn Jahre zu spät. Das verursacht zehn Millionen Euro an Kosten monatlich, weil wir die Kapazitäten in der Strominfrastruktur nicht haben, um Erfordernisse auch ohne Eingriffe managen zu können.

Darüber hinaus ist es notwendig, dass es eine breite Akzeptanz bzw. ein Bewusstsein für die Notwendigkeit aller Maßnahmen sowohl auf Ebene der Entscheidungsträger als auch der Bevölkerung gibt. Gerade aus diesem Grund engagiert sich die APG im Rahmen vieler Kooperationen, Veranstaltungen wie z. B. die Kommunalen Sommergesprächen sowie Publikationen, um dieses Bewusstsein breit zu schaffen.

Ist der wichtige 380-kV-Ring rund um Österreich bereits geschlossen? Wenn nein, wo spießt es sich?

Der Lückenschluss des 380-kV-Rings ist Teil unseres Netzentwicklungsplans. Aktuell sind wir in der Errichtungsphase der Salzburgleitung, die 2025 in Betrieb gehen wird. Klar ist jedoch auch, dass aufgrund der Zielsetzung, bis 2040 klimaneutral zu sein, es in vielen Bereichen zu einer Verdoppelung der Kapazitäten kommen muss. Die APG wird in den nächsten Monaten diesbezüglich konkretere Pläne vorlegen.

Wie resilient ist das österreichische Stromnetz im Falle eines Blackouts.

Vorfälle wie die Frequenzabweichung vom 8. Jänner 2021 zeigen, dass die Zusammenarbeit innerhalb Europas funktioniert. Diese Ereignisse sind jedoch ein Warnsignal, dass das Gesamtsystem Strom immer öfter in den roten Bereich fährt.

Wenn wir den notwendigen Ausbau der Kapazitäten in allen Bereichen des Stromsystems insbesondere bei den Netzen nicht umgehend angehen, dann steigen naturgemäß die betrieblichen Risiken an. Mit unserem zeitgerecht umgesetzten Ausbauprogramm geben wir auf dieses mögliche Risiko die richtige Antwort um die sichere Transformation für Wirtschaft und Gesellschaft in Österreich zu setzen.