Teilnehmer am Beteiligungsprozess
Nach dem geglückten Projektstart haben Arbeitsgruppen in mehreren Runden die Stärken und Schwächen der Gemeinde und Fragen wie Ortsteilentwicklung, Bodenpreise und Flächenmanagement, Verkehr und Mobilität, Tourismus, Bildung, Kinderbetreuung und vieles mehr diskutiert.
© Franz Reißner

Landleben

St. Georgen am Kreischberg startet Beteiligungsprozess

9. September 2024
„Schau in die Zukunft. In ihr wirst du den Rest deines Lebens verbringen.“ Das gilt heuer in besonderem Maße für die Gemeinde St. Georgen am Kreischberg, die einen umfassenden Beteiligungsprozess durchführt. Gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern wird unter dem Motto „gemma’s an“ ein Masterplan für die kommenden Jahre entwickelt.

St. Georgen am Kreischberg zählt knapp 1.700 Einwohnerinnen und Einwohner und ist 2015 aus dem Zusammenschluss von St. Georgen ob Murau und St. Ruprecht-Falkendorf hervorgegangen. Die Gemeinde besteht aus mehreren Ortsteilen mit jeweils eigener sozialer und räumlicher Struktur, aus zwei Pfarren, zwei Feuerwehren und zahlreichen Vereinen.

Durch großzügige Erweiterungen der Skipisten und touristischen Anlagen (Hotels, Chalets etc.) am und um den Kreischberg und die allgemeinen Entwicklungen der letzten Jahre steht die Gemeinde vor einigen großen Herausforderungen: von leistbarem Wohnraum, Abwanderung, Verkehr, Mobilität, (Alters-)Versorgung und Ortsteilentwicklung bis zur wirtschaftlichen Entwicklung. 

Herausforderungen und Ziele der Gemeindeentwicklung

„Wir brauchen einen ernsthaften Dialog, um die Themen, Ideen und Bedürfnisse herauszufiltern, die den Menschen am Herzen liegen. Vor uns liegt eine spannende Zeit und ich bin zuversichtlich, dass wir einige wichtige Weichenstellungen vornehmen werden“, meint Bürgermeisterin Cäcilia Spreitzer. Der Beschluss für den Prozess ist im Gemeinderat einstimmig ausgefallen. Es ist ein mutiger Schritt und nicht alles ist leicht zur Kenntnis zu nehmen. „Die meisten Gemeinden trauen sich das gar nicht“, bestätigte Gerald Matis vom ISK Institut, das den Prozess professionell begleitet. 

Beteilungsprozess
Das ISK Institut aus Dornbirn, das schon mehrere solche Prozesse durchgeführt hat, hat ein fünfstufiges Programm entwickelt, bei dem zunächst der Ist-Zustand erhoben wird. Rechts am Clipboard ISK-Chef Gerald Mathis. Foto: Helena-Autischer

Das ISK Institut aus Dornbirn, das schon mehrere solche Prozesse durchgeführt hat, hat dafür ein fünfstufiges Programm entwickelt, bei dem zunächst der Ist-Zustand erhoben wird. Darauf aufbauend werden Ziele und Lösungswege erarbeitet und die notwendigen Maßnahmen von den Gemeindegremien beschlossen. Am Ende steht ein Masterplan, der der Gemeinde als Arbeitsunterlage und Leitlinie für ihre zukünftige Arbeit dienen wird. 

Unterstützung durch die LEADER-Region Holzwelt Murau

Unterstützt wird das Vorhaben von der LEADER-Region Holzwelt Murau, die in ihrer Entwicklungsstrategie auf eine starke Region mit starken Gemeinden abzielt. Immerhin haben die Gemeinden vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten, um gute Rahmenbedingungen für die Zukunft zu schaffen.

Als Regionalentwicklungsverein will die Holzwelt die gezielte Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger fördern. Es geht darum, „eine Kultur zu stärken, in der möglichst viele voneinander lernen und miteinander wachsen können. Die Holzwelt Murau schafft hier den Rahmen für Beteiligung und damit ein ‚Wir‘ für die Zukunft“, so Holzwelt-Geschäftsführer Harald Kraxner. 

Eine gute Einbindung der Bürgerinnen und Bürger ist entscheidend für das Gelingen des Projekts. Daher wird es seitens der Gemeinde von einer Steuerungsgruppe aus Mitgliedern aller Fraktionen begleitet. 

Der Ablauf

Nach dem geglückten Projektstart am 1. März mit über 200 Personen in der voll besetzten Kreischberghalle haben diesen Frühling Arbeitsgruppen (ca. 70 Personen) in mehreren Runden die Stärken und Schwächen der Gemeinde und Fragen wie Ortsteilentwicklung, Bodenpreise und Flächenmanagement, Verkehr und Mobilität, Tourismus, Bildung, Kinderbetreuung und vieles mehr diskutiert. Dabei wurden Problemfelder, Ziele und etwaige Lösungsansätze gesammelt.

Im April und im Mai wurde zusätzlich eine Onlinebefragung über die Zufriedenheit mit dem Leben in der Gemeinde und über mögliche Verbesserungen durchgeführt.

Am 14. Juni fand eine groß angelegte Veranstaltung im Open-Space-Format statt, um noch einmal Themen innerhalb der Handlungsfelder zu diskutieren und zu überprüfen, ob die Ergebnisse aus den Arbeitsgruppen und aus der Befragung in breiteren Schichten auf Zustimmung stoßen bzw. in welchen Bereichen nachgeschärft werden muss oder kann. 

Erste Erfolge und konkrete Maßnahmen

Erste Ergebnisse wurden durch das neu entstandene Netzwerk „Gemeinsam g’sund“ erzielt, das die medizinischen und gesundheitlichen Angebote koordiniert und kommuniziert. Eine erste Publikation wurde den Bürgerinnen und Bürgern bereits zugestellt. Auch die Verbesserung der Infrastruktur zur Wiederbelebung von Dorffesten und Märkten konnte schon erreicht werden und wird bereits in diesem Jahr für den wiederbelebten traditionellen „Lorenzimarkt“ genutzt, für den sich im Zuge des Beteiligungsprozesses eine eigene Arbeitsgruppe zusammengefunden hat. 

Langfristige Maßnahmen und zukünftige Entwicklungen

Maßnahmen in den Bereichen Gemeinde­finanzen, Bodenpreise und Flächenmanagement, Tourismus, Verkehr und Infrastruktur, die eine längere Vorlaufzeit, komplexere Strukturen und langfristige Auswirkung haben, werden aktuell erarbeitet. 

Die Bedeutung eines professionellen Kommunikationskonzepts

Der Prozess wird durch ein umfassendes professionelles Kommunikationskonzept begleitet, denn die rege Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger ist entscheidend für die Qualität der Entscheidungen, die am Ende getroffen werden.

Die Gesamtheit der eingebrachten Vorschläge bildet das Fundament für eine fundierte und stabile Leitlinie der Gemeindepolitik, auch wenn nicht jede einzelne Idee umgesetzt und nicht jeder Wunsch erfüllt werden kann. Wesentlich ist es, ein Klima zu schaffen, in dem sich Einzelne gehört, verstanden und willkommen fühlen und in dem es möglich ist, im Sinne einer guten Zukunft gemeinsam an einem Strang zu ziehen. 

Verankerung der Bürgerbeteiligung in der Gemeindepolitik

Aus allen Vorschlägen werden Lösungswege ausgewählt, die vielversprechend erscheinen und auf Gemeindeebene umsetzbar sind. Sie bilden die Leitlinie für die Gemeindepolitik der kommenden Jahre und die Basis, auf der konkrete Maßnahmen entwickelt, im Gemeinderat beschlossen und umgesetzt werden. 

Der Beteiligungsprozess bildet eine Erweiterung der traditionellen Gemeindevertretung (Bürgermeisterin und Gemeinderat), die sich zum Tragen der gemeinsam gefällten Entscheidungen für die zukünftige Gemeindepolitik verpflichtet hat. Dadurch ist es für die Bürgerinnen und Bürger nicht nur möglich, Vorschläge einzubringen, sondern es gibt auch ein Commitment, die letztlich erarbeiteten Maßnahmen offiziell zu beschließen und in die Tat umzusetzen.