Mann mit Mountainbike auf einem Sessellift
Irgendwann könnte auch ein Wintersportbetrieb ganz ohne Schnee möglich sein.
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Skigebiete ziehen Lehren aus vergangenen Wintern

8. November 2024
Bereits vor zehn Jahren hat das Skigebiet St. Corona/Wechsel (Bezirk Neunkirchen) vom reinen Skitourismus auf ein Ganzjahresprogramm umgestellt. In der Wissenschaft gilt St. Corona als wirtschaftliches Musterbeispiel. Die Erfahrungen werden nun von einem EU-Projekt erforscht.

Heuer im März standen in St. Corona am Wechsel die beiden Schlepplifte still. Schuld daran war der wärmste Februar der Messgeschichte. Von diesen Klimaveränderungen sind Skigebiete von Kranjska Gora in Slowenien bis Megève in Frankreich gleichermaßen betroffen. Insgesamt zehn Wintersportdestinationen aus fünf Ländern nehmen darum am EU-finanzierten Projekt „TranStat“ teil, das die Erfahrungen von Wintersportorten im Klimawandel drei Jahre lang wissenschaftlich begleitet. 

„Am Ende des Projekts soll eine Art Rezeptbuch, wie ein Kochbuch, entstehen, sodass auch andere Orte von den Erfahrungen profitieren können“, erklärt Leonie Hasenauer vom Institut für interdisziplinäre Gebirgsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, einer der Partnerorganisationen des Projekts, in einem Gespräch mit noe.ORF.at. Die Geografin ist eine von vielen Wissenschaftler:innen, Tourismusvertreter:innen und Politiker:innen, die gemeinsam Wege und Methoden suchen, um Skigebiete in niedrigeren Lagen fit für den Klimawandel zu machen.

„In gewisser Weise ist St. Corona sicher ein Vorbild für andere Destinationen“, sagt sie. Das Skigebiet am Wechsel sei besonders flexibel. Wenn die Schneelage sehr schlecht sei, dann könne rasch das Angebot für Mountainbiker, Familien und sogar Sommerrodler geöffnet werden – KOMMUNAL berichtet darüber bereits 2017.

Wandlungsprozess ist im Gang

„Hier hat in der Vergangenheit ein Wandlungsprozess stattgefunden, der steht anderen noch bevor“, bestätigt Hasenauer. Begonnen hat dieser Prozess in St. Corona 2014 mit der wegweisenden Entscheidung, den Sessellift aus den 1960er-Jahren nicht zu modernisieren, sondern rückzubauen.

„Das war ja doch ein ungewöhnlicher Zugang, dass man sagt, man geht ziemlich radikal raus aus der Logik des Skigebiets und hinein in die Logik, ganzjährig ein Zentrum zu sein für Familien mit kleineren Kindern“, erinnert sich der Geschäftsführer von Ecoplus Alpin, Markus Redl.

Entstanden ist gemeinsam mit lokalen Entwicklern ein Ganzjahressportangebot, bestehend aus Motorikpark, Sommerrodelbahn, Wanderwegen und 200 Kilometern Mountainbikestrecken. 250.000 Gäste nutzen dieses Angebot jährlich. Es gibt aber kein Copy-­Paste-Konzept, betont Hasenauer. Jede Wintersportregion bringe andere Voraussetzungen und Potenziale mit. Wichtig sei, dass überhaupt neu gedacht werde – und dass die lokale Bevölkerung dabei ein Mitspracherecht habe.

Irgendwann könnte auch ein Wintersportbetrieb ganz ohne Schnee möglich sein, meint Ecoplus-Alpin-Geschäftsführer Redl. Für die kommenden Jahre und Jahrzehnte rechnet er noch mit einer großen Nachfrage nach dem Skisport, jedoch mit stetig steigender Konkurrenz durch Mountainbiking und Co. 

TranStat 

Das Projekt TranStat möchte dabei helfen, gemeinsam entwickelte Vorgehensweisen für den Übergang zu nachhaltigen Gebirgsdestinationen – Skigebieten und ihrem Siedlungsraum – in der Praxis umzusetzen.

Auf der Grundlage eines partizipativen und integrativen Ansatzes strebt TranStat die Ausarbeitung von Szenarien und gemeinsam entwickelten Vorgehensweisen an, mit denen auf die festgestellten Herausforderungen in den Gebirgsdestinationen reagiert werden kann. Die Schwierigkeit besteht darin, neue Modelle wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Entwicklung zu fördern, um eine lebenswerte und nachhaltige Zukunft im Alpenraum sicherzustellen.