Bildungscampus Aspern
Das Gebäude des Bildungscampus Aspern ist beinahe energie­autark. Großzügige Freiflächen bieten genügen Platz für Spiel, Sport und Erholung.
© Gisela Erlacher

„Schule ist viel mehr als nur ein Gebäude“

16. Mai 2021
Wie sieht er aus – der Raum für die Zukunft? Wie können wir mit den Spezifika der sich ändernden Gegebenheiten umgehen? Und was braucht es, um ökonomisch, sozial und ökologisch verträglich zu agieren?

Herr Gleissner, in einer kürzlich veröffentlichten Studie zeigt die AK die negativen Folgen der Schulschließung auf und plädiert für eine sichere Öffnung der Schulen. Wieso ist Schule auch räumlich so wichtig?

Wolfgang Gleissner: Schule ist nicht nur ein Ort, an dem gelehrt und gelernt wird. Unterricht ist ein soziales Geschehen. In der Schule finden wichtige Prozesse statt, die online nicht ersetzt werden können. Ich denke da beispielsweise an das Aufbauen und Pflegen sozialer Kontakte, Partizipation und Kollaboration, aber auch das Ausprobieren und Gestalten. Das alles ist für Kinder und junge Menschen in ihrer Entwicklung wichtig. Solche sozialen Prozesse und deren Bedeutung werden uns oft erst dann bewusst, wenn sie plötzlich wegfallen. 

Wie kann ein Schulbau dazu beitragen, all diese genannten Aspekte nicht nur zu ermöglichen, sondern auch zu fördern?

Loris Malaguzzi prägte den Begriff des Raums als dritten Pädagogen und fasst damit die Aufgaben der Schule als Raum hervorragend zusammen. Das Gebäude ist mehr als eine Hülle, es erfüllt wichtige Funktionen und unterstützt die darin gelebte Pädagogik. Daher muss es stets an die Anforderungen der Nutzer und Nutzerinnen angepasst und im Sinne zukünftiger Generationen auch nachhaltig gedacht werden. Schulbauten sollen unterschiedliche Lehr- und Lernformen ermöglichen. 

Können Sie einige Beispiele nennen?

Besonders dafür geeignet sind zum Beispiel das Cluster- und Departmentsystem, wie wir es im Bildungsquartier Aspern umgesetzt haben.

Beim Clustersystem sind mehrere Klassenzimmer um einen offenen Raum angesiedelt, der für Gruppenarbeiten genutzt werden kann.

AHS Wien West
Beim Clustersystem sind mehrere Klassenzimmer um einen offenen Raum angesiedelt, der für Gruppenarbeiten genutzt werden kann – in diesem Fall in der AHS Wien West. Foto: Hannes Buchinger

Beim Departmentsystem werden die Schüler und Schülerinnen in einem Raum des jeweiligen Departments unterrichtet. Also zum Beispiel Naturwissenschaften oder Sprachen. Die sogenannten „Home-Bases“ ersetzen die Stammklassen, hier können die Jugendlichen die Zeit zwischen und außerhalb der Unterrichtsstunden frei gestalten. Offene Gang­bereiche mit Lerninseln fördern Gemeinschaft und Zusammenarbeit. Durch Schiebewände flexibel gestaltbare Lernbereiche erlauben fächer- und klassenübergreifendes Lernen. Die Devise lautet: „Weg von der klassischen Gangschule hin zu innovativen Raumkonzepten.“

Welche Rolle spielt Architektur bei all dem?

Architektonische Qualitäten im Innen- und Außenraum sind wesentlich für eine anregende Atmosphäre, in der es sich bewiesenermaßen leichter lernen lässt. Idealer­weise schaffen wir durch ansprechende Architektur eine Identifikation der Nutzerinnen und Nutzer mit dem Gebäude.  

Es ist uns in der Bundesimmobiliengesellschaft ein großes Anliegen, dass die Schülerinnen und Schüler und natürlich auch die Pädagoginnen und Pädagogen sich in ihrer Schule wohlfühlen.

Sicht- und kurze Wegverbindungen tragen zu einer offenen Kommunikation und damit wiederum zu einem Gemeinschaftsgefühl bei. Neben einer optisch ansprechenden Gestaltung braucht es vor dem Hintergrund des Lärmpegels in einer Schule auch eine hohe akustische Qualität. Außerdem legen wir als BIG ein besonderes Augenmerk auf die Luftqualität und eine gute Belichtung. Beides beeinflusst die Leistungsfähigkeit der Schüler und Schülerinnen positiv. 

Wolfgang Gleissner
Wolfgang Gleissner: „Das Gebäude ist mehr als eine Hülle, es erfüllt wichtige Funktionen und unterstützt die darin gelebte Pädagogik.“

Sie haben gesagt, ein Schulbau muss nachhaltig gedacht werden. Könnten Sie darauf näher eingehen?

Ich meine hier die drei Säulen der Nachhaltigkeit. Eine Ausgewogenheit ökologischer, ökonomischer und sozialer Faktoren. Das ist unser klarer Anspruch an gute ­Architektur. Wir haben früh damit begonnen, unsere Leitlinien hinsichtlich des Klimaschutzes auszubauen.

Die BIG hat einen eigenen nachhaltigen Mindest­standard implementiert, der weit über die gesetzlichen Anforderungen hinausgeht. So erreicht jedes Neubau- und umfassende Sanierungsprojekt mindestens die Zertifizierung klimaaktiv SILBER. Bereits in der Planung kann Einfluss auf Energieeffizienz und Umweltschutz des Gebäudes genommen werden.

Ressourcen­schonende Materialien, eine hohe thermische Qualität und die Voraussetzungen für die Gewinnung und Nutzung erneuerbarer Energien sind nur einige der zahlreichen Möglichkeiten. Darüber hinaus dürfen Gebäude nicht nur für die jetzige, sondern müssen auch für zukünftige Generationen geplant werden. Moderne Schulen denken zudem auch Nutzungen außerhalb des regulären Unterrichts wie z. B. für Sportvereine mit.

All diese Maßnahmen sind auch mit Blick auf unser langfristig ausgerichtetes Handeln wichtig. Nur ein Projekt, das auf allen Ebenen hochwertig ist, entspricht unserem Bestreben, Raum für die Zukunft zu bauen.

Kletterwand im Bundesschullandheim Radstadt.
Kletterwand im Bundesschullandheim Radstadt. Foto: Herman Seidl

Zur Person 

Wolfgang Gleissner ist einer der beiden Geschäftsführer der BIG und unter anderem für den Unternehmensbereich „Schulen“ zuständig.