das Riedenburg-Areal in Salzburg
Durch die städtebauliche Disposition und die Freiraumplanung mit der zentralen Erschließungsachse entstand ein autofreies „Inneres“.

Salzburg: Von der Kaserne zum Wohnquartier

Vorschläge, die Kaserne im Salzburger Stadtteil Riedenburg – bekannt unter dem Begriff „Riedenburg-Areal – dem Wohnbau zu widmen, reichen Jahrzehnte zurück. Das Projekt beleuchtet die Vorzüge innerstädtischer Nachverdichtung – auch unter dem „Smart-City“-Aspekt.

Bereits 1988 schlug der damalige Bürgermeister Josef Reschen vor, auf der Riedenburgkaserne Wohnungen zu bauen. Wenig später konterte Militärkommandant Engelbert Lagler mit Bedingungen für die Freigabe von Kasernenareal. Er forderte Ersatzbauten „im Wert von mehreren hundert Millionen Schilling“ und torpedierte damit alle Ambitionen, auf dem Kasernengelände geförderte Wohnungen zu realisieren.

Erst immer größere Löcher im Haushalt des Verteidigungsministeriums und der anhaltend unterversorgte Salzburger Wohnungsmarkt schufen den Druck, das Vorhaben wieder auf die Agenda zu setzen.

Schließlich wurde 2012 das rund 35.000 m2 große Areal in bester innerstädtischer Lage von der Republik Österreich nach einem öffentlich ausgeschriebenen Verfahren an eine Bietergemeinschaft aus einem genossenschaftlichen und einem privaten Wohnbauträger veräußert.

Das Areal war heiß begehrt

Dass die Lage des Grundstücks am Rande der historischen Altstadt und in der sogenannten Pufferzone des UNESCO-Welterbes auch anderen Nutzungen zugelassen hätte, ist durchaus plausibel. Insbesondere seitens der Immobilienwirtschaft wurden lukrativere Verwertungsmöglichkeiten für das Kasernenareal gesehen.

Die Kulturszene wiederum ventilierte, Teile des Areals wenigstens temporär der Kunst- und Theaterszene zur Verfügung zu stellen. Alle diese Überlegungen wurden durch die kommunalpolitische Entscheidung obsolet, rasch eine möglichst große Zahl an geförderten (Miet)-Wohnungen zu realisieren.

Im schließlich 2016–2019 errichteten Wohnquartier sehen Kritiker nach wie vor einen Widerspruch zur der im späten 19. Jahrhundert entstandenen gartenstadtähnlichen Bebauung mit Villen im Stadtteil Riedenburg. Dabei wird aber übersehen, dass für dieses Quartier große, den Maßstab des Villenbaues weit hinter sich lassende Objekte durchaus prägend sind.

In diese Kategorie fallen etwa die alte Sternbrauerei oder das von der Kongregation der Barmherzigen Schwestern 1874–78 nach Plänen von Vinzenz Rauscher jun. und des Wiener Dombaumeisters Friedrich von Schmidt errichtete Konventsgebäude mit dem bis heute bestehenden Seniorenwohnheim. In dieser Tradition des großen Maßstabs steht auch das neue Wohnquartier, dessen Dimension von der Ausdehnung der Kaserne herrührt.

Architektenwettbewerb zur städtebaulichen Interpretation des Areals

Die Diskussion über den Maßstab und die adäquate städtebauliche Interpretation des Areals wurde in einem prominent besetzten Architektenwettbewerb geklärt, an dem eine ganze Reihe hochrangiger internationaler Architekturbüros teilgenommen haben.

Dabei kürte die Jury unter dem Vorsitz von Rüdiger Lainer am 20. März 2014 den Vorschlag der ARGE Schwarzenbacher Struber Architekten und Fally + Partner Architekten aus Salzburg zum Leitprojekt.

Für den nördlichen Abschnitt empfahl sie den städtebaulichen Ansatz des Ateliers Pucher aus Graz umzusetzen. Mit der Freiraumplanung betraute man das Büro „agence ter“ aus Karlsruhe. In einem intensiven kooperativen Prozess, den der Gestaltungsbeirat der Stadt moderierte, wurden diese sich ergänzenden Gestaltungsansätze zu einer städtebaulichen Konzeption zusammengeführt und inhaltlich verdichtet.

Offene Bauweise statt Kasernenstruktur

Die Entscheidung der Jury basiert auf der Erkenntnis, dass die Bildung von durchlässigen auf dem Gelände verteilten Clustern auch einen positiven Umgang mit den „Rändern“, den Schnittstellen zur benachbarten Bebauung, erlaubt. Diese Bebauungsstruktur nimmt unmittelbar Anleihe zur offenen Bauweise des bestehenden Stadtteils.

Das neue „Quartier Riedenburg“ distanziert sich damit von der hermetischen Struktur der Kaserne, die an allen vier Seiten von hohen Mauern umgeben und damit von der benachbarten Bebauung abgeschottet war.

Diese städtebauliche Figur widerspricht jenen, die eine wie auch immer gestaltete Blockrandbebauung für die Neuordnung des Areals favorisierten.

Der Wettbewerb lieferte den Beweis, dass weder der Standort noch die gegenwärtigen Anforderungen an das Wohnen eine Blockrandbebauung begünstigen. Entgegen den immer wieder vorgebrachten Argumenten für derartige Strukturen konnte in diesem Wettbewerb kein einziger der Entwürfe mit einem derartigen Ansatz überzeugen. Die städtebauliche Konzeption mit der Öffnung des Areals ist unter der Voraussetzung, dass man bereit ist, objektive Kriterien anzuerkennen, keine willkürliche Entscheidung, sondern unter den gesetzten Prämissen objektiv richtig.

Klischees von der Zerstörung eines Stadtteils

Auch wenn heute kaum jemand die Sinnhaftigkeit der Verdichtung nach innen bestreitet, anstatt weiterhin Grünräume im Umland zu verbauen, geht es sehr rasch in eine andere Richtung, wenn ein solches Areal in nächster Nachbarschaft entsteht. Nicht anders verhielt es sich, als die konkreten Pläne für die Bebauung der Riedenburg publik wurden.

Über Monate hinweg haben die Lokalmedien Klischees von der Zerstörung eines Stadtteils bedient. Dabei hat die Entscheidung, dieses Areal für Wohnen, und zwar vornehmlich für sozial verträgliches Wohnen zu widmen, erhebliche Vorzüge.

Mobilität ohne private Pkw

Die zentrale Lage mit einer optimalen Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel ermöglicht es, Mobilität ohne private Pkw zu offerieren. Die Stadt Salzburg, die zu den Stoßzeiten im Stau steht, setzt hier auch ein Signal zum Umdenken.

Um Mobilität jenseits der Abhängigkeit vom privaten Pkw auf den Weg zu bringen, wurde eine attraktive Infrastruktur für Fahrrad-, E-Bike- sowie E-Mobil-Nutzung geschaffen. Statt der 636 erforderlichen Radabstellplätze stehen 844 zur Verfügung.

Umgekehrt konnte durch ein ausgeklügeltes Verkehrskonzept, das sich auf einer Analyse des erwartbaren Bedarfs stützt, die Zahl der 445 Pkw-Pflichtstellplätze auf 297 Tiefgaragen- und 17 Oberflächenstellplätze reduziert werden.

Infrastruktur nicht nur für die Bewohner des Quartiers

Unterstützt wird diese verkehrliche Anbindung durch die funktionelle Integration des neuen Quartiers. So situierte man an der stark befahrenen Neutorstraße Geschäftsflächen und Büros und einen Platz, der als Entree zur Wohnanlage dient.

Ein Café-Restaurant, das Menschen mit körperlichen und/oder geistigen Beeinträchtigungen beschäftigt, ein städtischer Kindergarten und ein Bewohnerzentrum, das für den ganzen Stadtteil offensteht, sind weitere Funktionen, die nicht nur den Bewohnern der 315 Wohnungen zählenden Anlage zur Verfügung stehen.

Ein Mehrwert für den ganzen Stadtteil bildet auch die öffentlich zugängliche Grünfläche in der Größe von rd. 5000 m² und die Durchwegung des Geländes, welche das neue Quartier an die Umgebung an- und mit ihr verbindet.

Durch die städtebauliche Disposition und die Freiraumplanung mit der zentralen Erschließungsachse entstand ein autofreies „Inneres“, das durch gezielt gesetzte Maßnahmen, wie etwa durch Radstellboxen, von den Verkehrserregern an Neutor-, Moos- und Leopoldskronstraße akustisch abgeschirmt wird.

Ein echter Glücksfall ist zudem, dass faktisch als letztes Relikt der Kaserne das Haus Sinnhubstraße 3, ursprünglich eine Stallung für rekonvaleszente Pferde aus dem Jahr 1893, gerettet werden konnte und eine Bestandsgarantie besitzt. Es beherbergt seit September 2018 das Architekturhaus Salzburg, das vom Verein Initiative Architektur geführt wird.

Plan des Riedenburg-Areals
Grafik: ARGE Schwarzenbacher/Sturber/Atelier Thomas Pucher

Über eine Wohnanlage dieser Größenordnung einen Bericht zu verfassen, wenn gerade die letzten Bewohner einziehen, wie dies jetzt im Juli und August des Jahres 2019 der Fall ist, muss berücksichtigen, dass noch nicht jedes Detail sitzt.

Der großzügige Baumbewuchs, mit dem die Anlage ausgestattet wurde, muss noch in die Jahre kommen und noch sind längst nicht alle Geschäfts- und Büroflächen vermietet. Die Voraussetzungen jedenfalls, dass gemeinsam mit den tertiären Nutzungen die neue Wohnanlage zur Stärkung des gesamten Stadtteils beiträgt, sind geschaffen, recht viel mehr kann man seitens der Architekten nicht tun.