Gemeindebunddelegation in Bukarest
Die Gemeindebund-Delegation vor dem Parlament in Bukarest.

Rumänien: Land vieler Herausforderungen und Chancen

Die Fach- und Bildungsreise des Österreichischen Gemeindebundes führte eine Delegation von Bürgermeistern und Bundesvorstandsmitgliedern in eines der jüngsten EU-Mitgliedsstaaten. Im Fokus standen neben Terminen in der Hauptstadt Bukarest, Gespräche mit Bürgermeistern aus fast allen Regionen Rumäniens und ein Ausflug zur Burg Bran (dt. Törzburg) und nach Braşov (dt. Kronstadt) in Siebenbürgen.

Die Bürgermeisterreisen führen seit 2007 in das jeweils vorsitzführende EU-Land, um dort in Gesprächen mit Gemeindevertretern und Politikern einen Blick über den Tellerrand zu werfen, neue Kulturen und die kommunalen Herausforderungen kennenzulernen.

Mitte Mai 2019 ging es nach Rumänien, das seit 2007 Mitglied der Europäischen Union ist. Bei der Ankunft in Bukarest erwartete uns eine pulsierende Metropole mit rund zwei Millionen Einwohner. Die gigantomanischen Prunkbauten der sozialistischen Ära Ceauşescus fordern Aufmerksamkeit und sind gleichzeitig Symbol für die Überwindung des sozialistischen Regimes.

Das Parlament mit seinen mehr als 5.000 Räumen ist das größte Zivilgebäude der Welt. Als Sitz demokratischer Institutionen ist es auch heute ein Ort der Gestaltung der rumänischen Zukunft. Bei der Besichtigung des Parlamentsgebäudes wird einem das Ausmaß des weltfremden Denkens des früheren Regimes mehr als bewusst. Zur Errichtung des Palastes wurden teils historische Wohnhäuser mit rund 40.000 Wohnungen, ein Dutzend Kirchen und drei Synagogen abgerissen und Teile der Altstadt zwangsgeräumt. 

Bukarest – „Paris des Ostens“

In Bukarest, wegen seiner weitläufigen Boulevards und seinem Triumphbogen auch als Paris des Ostens bezeichnet, liegen Arm und Reich eng beieinander. Während im Villenviertel Häuser um mehrere Millionen Euro verkauft werden, verfallen ums Eck Wohngebäude, weil die Wohnungseigentümer nicht die finanziellen Mittel zur Renovierung aufbringen können. Der Staat fördert seit Jahren zwar die Fassadenrenovierung der Wohnhäuser mit 70 Prozent. 30 Prozent müssen die Eigentümer aufwenden.

Da die allermeisten Wohnungen der alten sozialistischen Wohnkomplexe Eigentumswohnungen sind, müssen hunderte Eigentümer auf einen Nenner gebracht werden, weswegen viele Häuser auf ihre Renovierung warten. In manchen Gegenden scheint aber auch die Zeit seit 1989 stehen geblieben zu sein. So wurde etwa der Rohbau des riesigen geplanten Fernsehzentrums nach dem Umsturz nicht mehr fertiggestellt. Seit 30 Jahren warten dort Baumaterialien auf den Weiterbau.   

Die Verwaltungsstruktur Rumäniens

Am zweiten Tag der Reise führte der Weg in die rund 120 Kilometer im Nordwesten von Bukarest liegende Gemeinde Mărăcineni, im Kreis Argeş. Mit rund 5.200 Einwohnern und rund 21 km² Fläche ist Mărăcineni eine Durchschnittsgemeinde in Rumänien.

Insgesamt gibt es in Rumänien 3.181 Gebietskörperschaften. Davon sind 2862 Landgemeinden und der Rest Städte, also 319. Der Staat ähnlich dem französischen Modell eher zentralistisch organisiert. Die ursprünglich historischen Landesteile haben keine Funktion, über den Gemeinden bestehen die 41 Kreise und die Hauptstadt Bukarest. „Bundesländer“ wie in Österreich gibt es in Rumänien nicht. Die Gemeinden sind überproportional von staatlichen Zuschüssen und Bedarfszuweisungen abhängig. Diese machen ca. 83 Prozent des durchschnittlichen Gemeindehaushalts aus. Gemeindeeigene Steuern machen nur etwa 10,2 Prozent Anteil am Budget der Kommunen aus.

Für Investitionen in die Infrastruktur sind die Kommunen zu einem hohen Grad von EU-Fördermitteln abhängig. Die Ko-Finanzierungen seitens der EU werden in den Gemeinden klar und groß kommuniziert, indem bei den Bauvorhaben große Tafeln mit den Projektbeschreibungen und den EU-Fördermitteln angebracht sind. 

Wirtschaftlich prosperierende Regionen

Der Bürgermeister der Gemeinde Mărăcineni, Nicolae-Liviu Dascalu lud die Gemeindebund-Delegation gemeinsam mit dem Verband der Kommunen Rumäniens und acht Bürgermeistern aus fast allen Regionen des Landes zu einer kleinen Besichtigungstour in der Gemeinde ein, die unmittelbar an die Kreishauptstadt Piteşti liegt, wo sich der Hauptsitz des rumänischen Automobilproduzenten Dacia befindet.

Rumänien
Mitglieder des Gemeindebund-Präsididums beim Empfang des Bürgermeister der Gemeinde Mărăcineni.

In der Gemeinde Mărăcineni selbst gibt es laut Dascalu rund 300 Unternehmen, die auch viele ausländische Investoren anziehen und dafür sorgen, dass es kaum Arbeitslose gibt. Wiewohl die Gemeinde durch ihre Gunstlage verhältnismäßig gut bestellt ist, ergaben sich in den Gesprächen und Diskussionen viele Einblicke in die kommunalen Herausforderungen der rumänischen Kommunen.

Fokus der Gemeinden: Sozialleistungen  

So bietet die Gemeinde als wichtige Sozialleistung für die arme Bevölkerung ein Kindertagesheim mit rund 50 Kindern. Mehrere Betreuer, eine Psychologin und eine Krankenschwester kümmern sich um die Kinder. Dieses kostenlose Angebot können Kinder in Anspruch nehmen, die nur einen Elternteil oder aus ärmeren Verhältnissen kommen. Den „normalen“ Kindergarten, wie wir ihn kennen, gibt es auch, der ist aber nicht kostenlos.

Bei der Besichtigung des Kinderheimes ergaben sich auch viele Einblicke in die rumänische Gesellschaft. Während aus Mărăcineni kaum Gemeindebürger im Ausland leben und arbeiten, sieht die Situation in anderen Gemeinden anders aus. Insgesamt arbeiten 5,5 Millionen Rumänen im Ausland und überweisen rund 40 Milliarden Euro pro Jahr in die Heimat.

Ein Bürgermeister erzählte etwa, dass ein Drittel seine Einwohner, insgesamt 1.000 Bürger im Ausland arbeiten und davon fast alle in einem Schlachtbetrieb im Norden Deutschlands. Für die Gemeinden ist diese Entwicklung eine große Herausforderung, wiewohl die Bürgermeister mit aller Kraft daran arbeiten Unternehmen und Betriebe in ihre Region zu holen und damit den Bürgern Perspektiven zu ermöglichen.

Ein großes Problem ist aber auch die Tatsache, dass viele Unternehmen den Mitarbeiten gerade einmal den viel zu niedrigen Mindestlohn zahlen. Bei Lebenshaltungskosten annähernd so hoch wie in Österreich ist dies für viele Familien eine große Herausforderung. Der Austausch mit den Bürgermeistern aus Rumänien endete bei einem gemeinsamen späten Mittagessen mit traditioneller rumänischer Küche und rumänischer Musik.

Den Abschluss der Bürgermeisterreise bildete ein Ausflug über die Karpaten nach Siebenbürgen zum Schloss Bran (dt. Törzburg) und nach Braşov (dt. Kronstadt) mit der berühmten schwarzen Kirche.    

Schloss Bran
Die Törzburg in Siebenbürgen, jetzt in Besitz eines Habsburgers, ist als Dracula-Schloss Bran bekannt.