Martin Kulmer
Martin Kulmer: „Der beste Job, den es gibt, ist, Bürgermeister zu sein.“
© Erich Varh

Plötzlich Krisenmanager

Dieser Mann hat sich als Krisenmanager bewährt. Martin Kulmer übernahm das Bürgermeisteramt gerade während der aufkommenden Pandemie. Ein knappes Jahr später bestätigte die Bevölkerung sein Handeln mit einem fulminanten Wahlsieg.

Außergewöhnliche Zeiten liefern durchaus außergewöhnliche Geschichten. Zum Beispiel jene von der Übernahme des Bürgermeisteramts in St. Veit an der Glan durch Martin Kulmer - just zur Zeit der weltweit größten Pandemie. „St. Veit an der Glan?“, werden sich jetzt viele fragen. „Ist das nicht der Ort, wo Mitte Oktober das Kommunalwirtschaftsforum stattfindet?“ Ja, genau der ist es! Die Kärntner Bezirksstadt nördlich von Klagenfurt ist ein wichtiger Wirtschaftsstandort in der Region. Vor gut einem Jahr wurde ihre Leitung in neue Hände übergeben. Gerhard Mock ging in Pension und übergab das Bürgermeisteramt an Martin Kulmer, den er selbst viele Jahre zuvor in die Politik gebracht hatte. 

Hauptplatz St. Veit
Der Hauptplatz von St. Veit an der Glan: Die Belebung der Innenstadt ist ein prioritäres Anliegen von Bürgermeister Martin Kulmer. Foto: STAMA_2019

Rückblende

Anfang der Achtzigerjahre zieht der sechsjährige Martin mit seinen Eltern aus dem nicht allzu weit entfernten Metnitz nach St. Veit. Hier besucht er die Volks-und Hauptschule und anschließend die HTL für Elektrotechnik in Klagenfurt.

In seiner Freizeit engagiert sich der junge Martin Kulmer bei den Kinderfreunden als Helfer und Betreuer für die Kindergruppe in St. Veit. Als solcher „hat man immer wieder Kontakt zur Stadtgemeinde und zum Bürgermeister gehabt, weil man irgendwo eine Subvention oder Förderung gebraucht hat“, erzählt er. So wurde Bürgermeister Mock auf ihn aufmerksam, fragte ihn, ob er in der Gemeinde mitmachen wolle, und ehe er sich’s versah, war Kulmer 1997 der jüngste Gemeinderat Kärntens - noch vor Abschluss seiner Matura.

Seine berufliche und politische Karriere verliefen seitdem parallel. Heute ist Kulmer Geschäftsführer der BÜM gem. Betreuungs-GmbH. „Das ist eine Kinderbetreuungseinrichtung, bei der wir Kinder im Alter von ein bis vierzehn Jahren betreuen, in Krabbelstube, Kindergarten und Hort.“ Die BÜM (Abkürzung für „Betreuen - Üben - Miteinander“) beschäftigt heute kärntenweit 300 Mitarbeiter an 100 verschiedenen Standorten. 

Auch politisch sind die Jugendlichen und ihre Ausbildung ein Kernthema Kulmers. Er wird Vorsitzender des Jugend- und Sportausschusses sowie stellvertretender Stadtrat und punktet mit der gelungenen  und verhältnismäßig raschen Umsetzung eines leidigen Dauerthemas in der Gemeinde - dem neuen Jugendzentrum.

Später als Stadtrat übernimmt Kulmer auch noch die Agenden seines vielleicht liebsten Politikfelds: „Es hat mir immer viel Spaß gemacht, und ich bin es heute noch - verantwortlich für Wohnungen und Wohnbau“, bekennt der Bürgermeister und erzählt: „Wir haben in St. Veit den sozialen Wohnbau sehr stark forciert, aber im Unterschied zu anderen Städten haben wir als Gemeinde selber gebaut, anstatt es Genossenschaften zu überlassen. St Veit ist finanzstark und kann es sich leisten, Projekte zu finanzieren und Wohnungen zu vermieten. So können wir die Mietzinspolitik mitgestalten. Das ist uns in den letzten Jahren gut gelungen.“

In Summe gibt es gegenwärtig 1400 Gemeindewohnungen in St. Veit. Gemessen an der Bevölkerung hat die Bezirksstadt damit nach Wien den österreichweit höchsten Anteil an Gemeindewohnungen.

Gemeindewohnungen in St. Veit
Gemessen an der Bevölkerung hat St. Veit nach Wien schon jetzt den österreichweit höchsten Anteil an Gemeindewohnungen – und es werden noch mehr. Foto: Stadtgemeinde St. Veit

Mitinitiiert hat Kulmer aber auch das Neubauprojekt der Volksschule im Ort Hörzendorf, denn das alte Schulgebäude war 150 Jahre alt und wurde den Anforderungen eines zeitgemäßen Unterrichts nicht mehr gerecht. „Das Projekt hatte Seltenheitscharakter, denn gerade im ländlichen Bereich werden die Schulen sehr oft geschlossen. Mit dem Land Kärnten haben wir es geschafft, den Standort  zu erhalten, weil wir ein modernes, zukunftsorientiertes Konzept hatten, jenes der verschränkten Ganztagsschule“, erklärt Kulmer. Unterrichts- und Freizeitphasen wechseln einander ab. Die Kinder sind dabei von 8 bis 16 Uhr in der Schule. 

„Das war eine große Überzeugungsarbeit“, erinnert sich Kulmer, „denn viele Eltern hatten Bedenken, dass ihre Kinder nach Hause möchten.“ Schnell stellte sich heraus, dass die Sorgen unbegründet und die Kinder gerne in der Schule waren. Auch Kulmer freute sich, „denn gerade im ländlichen Raum ist es wichtig, dass man dort noch eine Schule hat, eine Feuerwehr und im besten Fall ein Gasthaus, damit ein soziales Leben und ein gemeinschaftliches Miteinander funktionieren“.

Eröffnung Volksschule Hörzendorf
Die neue Volksschule Hörzendorf ist eine moderne Ganztagsschule. Die Kinder werden von 8 bis 16 Uhr unterrichtet. Nach anfänglicher Skepsis sind Eltern und Schüler von dem Konzept in der Praxis sehr bald überzeugt gewesen. Foto: Fritz-Press

Erfolge wie die Wohnungen und das Bemühen um die Jugend ließen Kulmer schließlich zum Bürgermeisterkandidaten avancieren. Zwar war die Übergabe des Chefsessels schon viele Monate zuvor geplant gewesen, doch kamen mit der aufkommenden Pandemie Zweifel am Zeitpunkt der Übergabe.

Dennoch: „Es half eh nichts, ich musste in den sauren Apfel beißen. Wer A sagt, muss auch B sagen. Da kann man keinen Rückzieher machen“, schildert Kulmer den ungewöhnlichen Beginn. Dennoch hat es „vom ersten Tag an gut funktioniert. Ich wollte die Bevölkerung einfach gut durch diese Krise begleiten. Das haben wir vom ersten Tag an versucht - etwa mit Hilfsdiensten für unsere Bürger. Wir haben die Leute kontaktiert und geschaut, dass keiner auf der Strecke bleibt oder sich nicht selbst helfen kann.“

Initiative zur Innenstadtbelebung

Die Leute dürften gespürt haben, dass sich der neue Bürgermeister um sie kümmert. Vielleicht war das die erste vertrauensbildende Maßnahme. Oder es war Kulmers Bemühen um die coronageschädigte Wirtschaft.

„Um den Wirtschaftstreibenden zu helfen, die über Monate hinweg kein Geschäft und keinen Umsatz gemacht haben, haben wir die Initiative ,Lust auf Innenstadt‘ ins Leben gerufen.“

Die kleinen Live-Konzerte (selbstverständlich mit genügend Abstand) dreimal pro Woche am Hauptplatz kamen bei der Bevölkerung sehr gut an. „Wir haben es geschafft, an diesen Tagen die Stadt zu füllen, und die Menschen waren sehr dankbar. Ich glaube, dass diese Initiative in den Köpfen der Menschen geblieben ist. Insbesondere war mir auch die Wirtschaft sehr dankbar dafür, dass ich mich das umzusetzen getraut habe, anstatt alles einfach zu verbieten.“

Im Wahlkampf war nur wenig Kontakt zu den Bürgern möglich

So erklärt sich Kulmer rückblickend seinen fulminanten Wahlsieg. Am 28. Februar, nicht ganz ein Jahr nach Amtsantritt, musste er sich nämlich erstmals dem Wählervotum stellen – und bekam prompt mehr als zwei Drittel aller Stimmen.

„Viel konnten wir  ja sonst nicht umsetzen und der persönliche Kontakt mit den Bürgern war mir leider nicht möglich. Deswegen war ich am Wahltag umso glücklicher, als ich erfuhr, fast siebzig Prozent der Wähler auf meiner Seite zu haben“, freut sich Kulmer. „Ich habe in diesen elf Monaten als Bürgermeister gespürt, dass das ein schöner Job ist. Ich würde fast sagen, der beste Job, den es gibt, ist, Bürgermeister zu sein, weil man jeden Tag Neues erlebt, weil man viel mitgestalten und bewegen kann, und man sein eigener Chef ist. Es ist ein Privileg, diese Funktion ausüben zu dürfen. Für mich ist das eine wunderschöne Aufgabe, die ich so lange wie möglich ausüben möchte. Ich bin sehr, sehr glücklich, Bürgermeister zu sein, und fühle mich in dem Job total wohl.“ 

Das trifft sich gut, denn für Kulmer gibt es viel zu tun. „Mir ist es wichtig, dass die Stadtgemeinde auch weiterhin Motor für die Wirtschaft ist, gerade jetzt, nach der Pandemie, wird es umso wichtiger sein, Impulse für die Wirtschaft zu setzen.“

Dazu wird einerseits der komplett ausgelastete Industriepark am Stadtrand um einige Hektar erweitert. Zum anderen steht die relativ große Innenstadt mit dem schönen Hauptplatz in Kulmers Fokus. „Die kämpfen jetzt extrem stark mit den Auswirkungen der Pandemie. Speziell der Handel und die Gastronomie. Wir hatten schon vor der Pandemie damit zu kämpfen, dass wir den Leerstand in der Innenstadt reduzieren. Diese Herausforderung wird jetzt noch größer sein, nach der hoffentlich irgendwann endenden Pandemie.“

Vorreiter bei erneuerbaren Energien

Fest steht: Kulmer wird nicht langweilig werden, denn es gilt auch, den Status der Sonnenstadt St. Veit als Vorreiter bei erneuerbaren Energien zu wahren. Schon heute versorgen Photovoltaik­anlagen mit einer Gesamtfläche  von 24.000 m² rund 1.500 Haushalte der Stadt mit Strom. Und auf den öffentlichen Gebäuden im Besitz der Gemeinde plant Kulmer weitere Photovoltaikanlagen zu errichten. 

Carsharing-Fuhrpark St. Veit
St. Veit an der Glan ist ein Vorreiter in Sachen erneuerbare Energien. Der Fuhrpark des stadt­eigenen Carsharings umfasst sechs E-Fahrzeuge. Foto: Stadtgemeinde St. Veit

Zur Person

Martin Kulmer

Alter: 44

Gemeinde: St. Veit an der Glan

Einwohnerzahl: 12.386 (2020)

Bürgermeisterin seit: April 2020

Partei: SPÖ