Die Auswirkungen der Hitze sind umso intensiver, je dichter verbaut ist.
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Ortszentren grüner gestalten

Die Bodenversiegelung sowie der Klimawandel und seine problematischen Begleiterscheinungen erfordern ein radikales Umdenken, was das Erscheinungsbild so mancher heimischer Gemeinde betrifft. Speziell die Innenstädte und Ortszentren sollten grüner gestaltet werden.

Es gibt ein Problem, das mittlerweile in den Köpfen der meisten Menschen angekommen ist, und es heißt Klimawandel. Der globale Temperaturanstieg, die immer häufiger auftretenden Wetterextreme und die damit verbundenen Folgen, machen uns in vielerlei Hinsicht zu schaffen.

Als wäre das noch nicht genug, werden einige dieser weltweiten negativen Auswirkungen durch ein zweites Problem verschärft, das lokal und hausgemacht ist - die Bodenversiegelung. Starkregenereignisse, bei denen das Wasser nicht mehr versickern kann, oder Hitzeinseln, die die ohnehin schon hohen Temperaturen in Bodennähe nochmals ansteigen lassen, sind nur zwei Beispiele für die kumulierenden Effekte von Klimawandel und Bodenversiegelung. Deren größte Auswirkungen sind in Siedlungsgebieten zu verzeichnen, und zwar umso stärker, je dichter die Areale verbaut sind.

Bodenversiegelung befeuert Klimawandel

In Österreich ist die Situation besonders ernst, denn der Alpenraum ist ohnehin schon überdurchschnittlich stark vom Klimawandel betroffen. Bis zu 130 Tropen- und Hitzetage sind hierzulande pro Jahr zu verzeichnen.

Und bei der Bodenversiegelung sind wir unangefochten der traurige Europameister. Österreichs produktive Böden verringerten sich allein im Jahr 2020 um 39 km². Der jährliche Verlust schwankte im Zeitraum 2001 bis 2020 zwischen 38 km² und 104 km². Anschaulicher gesagt werden in Österreich täglich Flächen in der Größe von 18 Fußballfeldern versiegelt.

In dieser Dimension wäre die Bodenversiegelung übrigens auch ganz ohne Klimawandel schon ein ernst zu nehmendes Problem für sich. Zusammen verstärken sich die beiden aber zu noch drastischeren Auswirkungen.

In den letzten Wochen wurden wiederholt Forderungen kolportiert, dass die Flächenwidmung aus der Gemeindekompetenz genommen werden solle. Zu viele Chaletdörfer, Hotelprojekte und Ähnliches seien genehmigt worden. Bei der Bodenversiegelung schon länger das meistgenannte Beispiel sind die auch aus anderen Gründen problematischen „Supermärkte auf der grünen Wiese“ und Fachmarktzentren in der Peripherie. Ein Vielfaches der Fläche der zumeist eingeschoßigen Gebäude wird als Parkplätze verbaut, nicht zuletzt weil die Geschäfte häufig ohne Auto kaum praktikabel erreichbar sind.

Natürlich könnte man auch eine Tiefgarage, ein Parkdeck oder eine mehrstöckige sinnvolle Verbauung fordern. Doch damit steigen die Kosten und der Betreiber zöge es vermutlich vor, sich in einer anderen Gemeinde niederzulassen. Die Chance, einen Nahversorger zu (er)halten, ist für viele Ortschaften ein Glücksfall und geradezu unverzichtbar.

In der Raumordnung verschärfen die Bundesländer zwar nach und nach die Regeln. Im August hat etwa Oberösterreich in seinem neuen Raumordnungsgesetz und der neuen Raumordnungsstrategie den Klimaschutz an erste Stelle gesetzt und Schluss mit erwähnten „Parkplatz-Wüsten“ gemacht. Tatsache bleibt jedoch, dass schon jetzt zu viel Fläche versiegelt ist.

Zuasphaltierter Vorzeigestadtteil

Extreme Parkplatz-Beispiele sind das Outlet-Center im burgenländischen Parndorf oder die Parkplätze vor dem Einkaufszentrum G3 vor den Toren Wiens, in Gerasdorf.

Innerstädtisch ist die Seestadt Aspern in Wien ein trauriges Beispiel. Insbesondere ist sie das deshalb, weil sie erst in jüngster Zeit im wahrsten Sinne des Wortes auf der grünen Wiese errichtet wurde und man sämtliche Freiheiten hatte, die nur denkbar scheinen. Dennoch finden sich weitläufige, autofreie Straßen, Fußgängerzonen und Plätze, die flächendeckend zuasphaltiert wurden. Eine Smart City sieht anders aus. Der öffentliche Raum ist nicht nur versiegelt, sondern das auch noch in Schwarz, ideal für Wärmeabsorption und daraus resultierende Überhitzung. Fördern sollte man eigentlich vielmehr helle und reflektierende Oberflächenmaterialien.

Seestadt Aspern
Autofrei und dennoch flächendeckend zuasphaltiert präsentiert sich die Seestadt Aspern. Foto: Andreas Hussak

Generell gilt: Helle Flächen speichern weniger Wärme als dunkle. Studien zeigen, dass Wärmeabstrahlung und CO₂-Fußabdruck von Beton- oder Natursteinpflaster weitaus geringer sind als von Asphaltflächen.

Begrünung wirft Fragen auf

Noch besser als helle Oberflächen sind fraglos begrünte Oberflächen. Und das gilt nicht nur für die großen Ballungszentren in unserem Land. Das gilt für jede Stadt, für jedes Dorf, letztendlich sogar für jedes Haus.

Natürlich sind die Auswirkungen der Hitze umso intensiver, je dichter verbaut ist. Je dichter verbaut ist, desto mehr Verkehr herrscht zwangsläufig, und umso wahrscheinlicher ist auch der Boden versiegelt. Diese Konstellation findet man üblicherweise in den Stadt- und Ortsmitten. Gerade diese Zentren sollten am ehesten begrünt werden und gerade diese sind es auch, die am schwierigsten zu begrünen sind.

Die Frage, warum das so ist, ist gar nicht so leicht zu beantworten. Es kommt zunächst darauf an, von welcher Art Begrünung die Rede ist. Geht es um den öffentlichen Raum, also die Straßen und Plätze? Oder geht es um Gebäude? Und wenn wir von Gebäuden sprechen, reden wir von neuen oder von historischen? Von einer Dachbegrünung oder Fassadenbegrünung? Und was macht man bei denkmalgeschützten Gebäuden? Ist da Begrünen überhaupt erlaubt?

Rasen hält nicht lange

Die Begrünung zentraler Plätze ist gar nicht so einfach, wie manch einer glauben mag. Hochfrequentierte Flächen überleben als Rasen nicht und verwandeln sich spätestens nach ergiebigen Regenfällen in Gatsch. Dabei könnte man mit unversiegelten, klimaaktiven Flächen Temperaturen im öffentlichen Raum deutlich senken. Früher waren dies geschotterte Flächen oder Kopfsteinpflaster. Diese entsprechen heute häufig nicht mehr den Nutzungsanforderungen einer mobilen Gesellschaft. Der Aspekt der Barrierefreiheit ist zudem auch zu berücksichtigen.

Wie geht man mit Leitungen um?

Ein weiteres Problem für die Begrünung von städtischen Zentren sind die vielen Leitungsführungen im Boden.

„In Salzburg wurde aktuell der Kajetanerplatz neu gestaltet. Eine Begrünung der Flächen mit Bäumen war nicht möglich, weil sich im Boden keine ausreichend großen Pflanzplätze finden ließen. Man hätte Leitungen umlegen und neu konzipieren müssen, um Pflanzbereiche zu schaffen“, erklärt Eva Hody vom Bundesdenkmalamt. Das ist allerdings teuer und muss langfristig geplant werden.

Die Pflege der Grünbereiche kostet natürlich auch etwas, und Bäume verursachen im Herbst Arbeitsaufwand bei der Reinigung der Verkehrsflächen. Nicht zuletzt liebt die Schneeräumung auch große, zusammenhängende, freie Flächen.

Praktikable Lösungen in Leoben und Steyr

Gute, weil praktikable Lösungen selbst für Hauptplätze liefern etwa die Stadt Leoben mit Stadtmobiliar, das neben Sitzgelegenheiten und Radständern auch Pflanzen und Bäume umfasst, und Steyr, wo man auf dem Stadtplatz sogenannte „Wanderbäume“ aufgestellt hat, die bei Veranstaltungen verschoben werden können. Zugegeben, das ist noch nicht allzu viel, aber es ist ein Anfang, es ist realistisch und es ist bereits passiert. Damit haben diese Stadtgemeinden einigen anderen etwas voraus.

Rendering Hauptplatz Leoben
Rendering der geplanten Begrünung des Hauptplatzes in Leoben. Die mobilen Möbel bringen mit (Klein-)Bäumen und Stauden ein wenig Grün auf den vielgenutzten Platz. Bild: stingl-enge architekten ZT-gmbh
Stadtplatz in Steyr
Am Stadtplatz in Steyr hat man die sogenannten „Wanderbäume“ aufgestellt. Für Großveranstaltungen können die Baumtröge bewegt und umgestellt werden. Foto: Eva Pötzl

Denkmalschutz macht Begrünung oft schwierig

Bei der Gebäudebegrünung haben es die genannten Orte auch nicht leicht. Sie gehören zu den „Kleinen historischen Städten“, einem Zusammenschluss von 17 österreichischen Kleinstädten. Und einige der innerstädtischen Gebäude sind denkmalgeschützt. Bei solchen ist die Frage einer Begrünung immer eine Fall-zu-Fall-Entscheidung seitens des Denkmalamts. Eine generelle Aussage lässt sich dahingehend nicht machen, zumal in jedem Bundesland auch noch unterschiedliche Bestimmungen gelten. 

Historische Gebäude haben aber im Allgemeinen sehr gute Klimaeigenschaften, da sie mit Materialien gebaut sind, die relativ viel Speichermasse haben. Sind auch die Fassaden mit natürlichen Materialien in Kalktechnik ausgeführt, können sie zum Beispiel nach Gewittern sehr viel Feuchtigkeit speichern und bei Hitze wieder abgeben, was zur Kühlung der Innenräume beiträgt. Dachbegrünungen, vielfach übrigens auch die Installation von Fotovoltaikanlagen, sind hingegen oft nicht möglich, weil die alten Dachkonstruktionen nicht auf zusätzliche schwere Lasten ausgelegt sind. Moderne Bauten hingegen haben damit kein Problem.

Intensive und extensive Begrünung

Bei der Dachbegrünung unterscheidet man zwischen intensiver und extensiver Begrünung. „Intensiv“ bedeutet einen Bodenaufbau wie in der Natur mit nahezu frei wählbaren Pflanzen, während „extensiv“ die kargere Variante darstellt. Hier handelt es sich nur um ein einfaches Substrat, auf dem Moose, Gräser, Sukkulenten und einige Knollenpflanzen wachsen.

intensive Dachbegrünung
Hier ein Beispiel für eine „intensive Dachbegrünung“. Die Erdschicht hat eine durchgehende Dicke von mindestens 22 Zentimetern. 

Wer glaubt, nur Flachdächer könne man begrünen, liegt falsch. Tatsächlich kann man auch Steildächer sehr gut begrünen, und zwar in praktisch jedem Neigungswinkel, bis in die Senkrechte. Dann handelt es sich vermutlich schon um Fassadenbegrünung. Auch die erfreut sich steigender Beliebtheit und wird von Experten als hocheffizient gepriesen.

Es gibt verschiedene Arten der Fassadenbegrünung: von komplexen Vorhängekonstruktionen über bodengebundene Trog-Systeme bis hin zur klassischen Kletterpflanze. Bei Letzterer bitte Wilden Wein statt Efeu verwenden: Der rankt sich nämlich zum Licht anstatt in die dunklen Fugen und verliert über den Winter seine Blätter.

Dachbegrünung
Auch Steildächer können begrünt werden, in praktisch jedem Winkel. Hier ein Beispiel der Architektin Regina Lettner im ca. 50-Grad-Winkel. 

Keine Fassadenbegrünung ohne Pflegekonzept

Was die Fassadenbegrünung betrifft, tut sich etwas in Österreich. Mit dem BeRTA, das steht für Begrünung-Rankhilfe-Trog-All-in-one, können österreichische Städte und Gemeinden gegenwärtig eine umfassende Förderung für die Beschaffung einer troggebundenen Grünfassade erhalten. Und ganz neu ist auch die neue ÖNORM „L 1136 Vertikalbegrünung im Außenraum“. Mit ihr gibt es endlich eine Norm zur Fassadenbegrünung, die erste ihrer Art in Europa.

Susanne Formanek, Geschäftsführerin von GRÜNSTATTGRAU, der Kompetenzstelle für Bauwerksbegrünung, und Präsidentin des Österreichischen Instituts für Baubiologie und -ökologie, hat die Norm mitentwickelt und weiß: Eine Norm ist keine Anleitung, sondern sollte den Stand der Technik wiedergeben. „Sie ist aber strukturell schon so aufgebaut, wie man an ein Werk herangeht. Von den Arten der Begrünung über die Art, wie eine Planung zu erfolgen hat, von bauwerks- und pflanzenspezifischen Faktoren bis hin zum Begrünungsziel.“

Susanne Formanek
„Jedes Blatt zählt.“ Susanne Formanek, Geschäftsführerin von GRÜNSTATTGRAU und Präsidentin des Österreichischen Instituts für Baubiologie und -ökologie. Foto: Niko Formanek

Neu und wichtig ist auch: keine Fassadenbegrünung ohne Pflegekonzept. „Es kann  niemand mehr von einem Fachmann verlangen, dass er eine Fassadenbegrünung plant und ausführt, ohne dass er sich Gedanken gemacht hat, wie man sie pflegt“, erklärt Formanek.

Die Norm wird hoffentlich helfen, ­Bauwerksbegrünungen weiter zu forcieren. Als probates Mittel zur innerstädtischen Begrünung birgt diese Variante nämlich das größte ungenutzte Potenzial, um das örtliche Mikroklima zu verbessern. Egal wofür sich eine Gemeinde entscheidet: Wichtig ist, dass man damit beginnt zu begrünen, und sei es auch nur eine kleine Stelle. Formanek formuliert es pointiert: „Jedes Blatt zählt!“ 



Zur weiteren Vertiefung in das Thema sei an dieser Stelle der „Green Market Report“ empfohlen. Erhältlich ist er im Handel, eine kostenlose Kurzversion bekommt man über grünstattgrau.at. Und zum Thema Flächenverbrauch ist aktuell die Ausstellung „Boden für alle“ in der Salzburger Ziviltechnikerkammer zu sehen. Besuchbar ist sie noch bis Ende Oktober.