Wahlurne für die EU-Wahl
Die Parteien verpassen eine kommunikative Chance, den Bürgern die komplexen Zusammenhänge der EU verständlich zu machen.
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Österreichische Parteien schreiben am Bürger vorbei

23. Mai 2019
Schachtelsätze mit bis zu 63 Wörtern, englische Fachbegriffe wie „Anti-Tax-Avoidance Directive“ oder bizarre Wortkombinationen wie „Better Regulation-Strategie“: Die Wahlprogramme der Parteien zur Europawahl sind heute nach wie vor für viele Wählerinnen und Wähler unverständlich. Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse der Universität Hohenheim in Stuttgart und der clavis Kommunikationsberatung. Dazu kommt: Die österreichischen Parteien schneiden mit Blick auf ihre formale Verständlichkeit bei der anstehenden Europawahl noch einmal schlechter ab als bei der Nationalratswahl im Jahr 2017.

„Damit die Wähler eine begründete Wahlentscheidung treffen können, sollten Parteien ihre Positionen klar und verständlich darstellen.

Die Grundlage dafür bildet das Wahlprogramm, aus dem alle anderen Kommunikationsmittel wie Broschüren oder Webseiten abgeleitet werden“, sagt Prof. Frank Brettschneider, der mit seinem Team regelmäßig Wahlprogramme untersucht.

Verpasste kommunikative Chance

Im Durchschnitt erreichten die österreichischen Wahlprogramme auf einer Skala von 0 (nicht verständlich) bis 20 (sehr gut verständlich) einen Wert von 8,4 Punkten.

Im Vergleich zur Nationalratswahl von 2017 (10,2 Punkte) gibt es einen deutlichen Rückschritt.

„Die Ergebnisse sind enttäuschend, denn gerade zur Europawahl verpassen die Parteien eine kommunikative Chance, den Bürgerinnen und Bürgern die komplexen Zusammenhänge der EU und ihre politischen Angebote verständlich zu machen“. so Dieter Bitschnau, Geschäftsführer der clavis Kommunikationsberatung. 

Europwahlprogramme
Die formale Verständlichkeit der Europawahlprogramme 2019 in Österreich.
Wahllprogramme Nationalratswahl
Die formale Verständlichkeit der Programme zur Nationalratswahl 2017.

FPÖ schert aus

Einen anderen Weg hat die FPÖ gewählt, die für die Europawahl kein offizielles Wahlprogramm vorgelegt hat und damit in der Analyse nicht berücksichtigt werden konnte.

Schriftliche Aussagen der Freiheitlichen zu Europa finden sich nur in Broschüren und Online-Medien.

„Das ist ungewöhnlich“, sagt Frank Brettschneider: „Damit fehlt den Wählerinnen und Wählern eine solide Basis, um politische Vorhaben der FPÖ für Europa im Detail beurteilen zu können.“

Bei früheren Analysen wurde die FPÖ berücksichtigt. Bei der Nationalratswahl erreichte das FPÖ-Programm mit 9,8 Punkten den vorletzten Platz.

SPÖ-Programm am verständlichsten, NEOS diesmal Schlusslicht

Am besten schnitt das Wahlprogramm der SPÖ (11,2 Punkte) ab.

Auf den weiteren Plätzen folgt die ÖVP mit 8,8 Punkten vor den Grünen mit 7,5 Punkten.

Das Schlusslicht zur Europawahl 2019 bildet das Programm der NEOS, welches nur 5,9 Punkte erreichte und damit fast so schwer verständlich ist wie eine wissenschaftliche Doktorarbeit.

Im Vergleich zur Nationalratswahl gibt es deutliche Verschiebungen bei der Rangfolge: 2017 hatten die NEOS mit 11,9 Punkten noch das verständlichste Programm. Auf den Plätzen zwei und drei fanden sich die SPÖ (11,5 Punkte) und die ÖVP (10,1 Punkte).

Die Studie im Detail finden sie hier.

Das sagen die Spitzenkandidaten der EU Wahl.