Walter Leiss
Walter Leiss: „Die neuen Regelungen sollten verständlich und nachvollziehbar sein, damit sie auch von den Bürgerinnen und Bürgern mitgetragen werden. Eine weitere Befeuerung der Spaltung der Gesellschaft können wir wirklich nicht brauchen.“
© Philipp Monihart

Nicht nur die Pandemie spaltet die Gesellschaft

Die Pandemie und ihre Folgen beherrschten die öffentliche Diskussion der letzten beiden Jahre. Nach einer kurzen Schockstarre und gemeinsam getragenen Maßnahmen sind wir sehr rasch in der politischen Realität angekommen. Selbst das Beiziehen vieler Expertinnen und Experten hat nicht wirklich geholfen, sondern eher dazu geführt, dass die Verunsicherung noch größer wurde. Jeder weiß es besser und jeder schlägt andere Maßnahmen vor. Die Verunsicherung in der Bevölkerung ist stark gestiegen und hat zu einer Spaltung der Gesellschaft geführt.

Die Diskussionen über die Impfpflicht, ob überhaupt, ab wann, Impflicht ohne Strafen und Tests nur mehr kostenpflichtig, führen letztendlich dazu, dass die Situation nicht mehr ernst genommen wird. Letztlich wird es davon abhängen, wie sich das Virus weiter verhält. Bleibt es bei den milden Verläufen mit der Omikron-Variante oder legt das Virus noch eines nach?. Jetzt kommt doch bald wieder die wärmere Jahreszeit, da können wir alle aufatmen und der Herbst ist noch fern.

Private Daten wurden Medien zugespielt

Neben Corona waren wohl die Enthüllungen über diverse Chats und SMS, sowie zuletzt von Side Letters zum Regierungsabkommen die beherrschenden politischen Themen.

Illegale Hausdurchsuchungen, beschlagnahmte elektronische Medien, Untersuchungsausschüsse und gleichzeitige Strafverfahren wurden öffentlich abgehandelt, Steuerakte publiziert und öffentlich diskutiert. Endlich wird auch darüber berichtet, dass viele dieser Daten unter Missachtung von Gesetzen an die Medien gespielt wurden und letztendlich veröffentlicht wurden.

Stellen Sie sich vor, dass Display Ihres Smartphones zerbricht und Sie bringen das Gerät in den nächsten Handyshop – nicht zum B-VT - zur Reparatur. Das Display wird Ihnen ausgetauscht und am nächsten Tag finden Sie alle Ihre Daten in der Öffentlichkeit. Das nenne ich Informationsfreiheit. Wieso dann noch immer über das Informationsfreiheitsgesetz verhandelt wird, wenn es doch gang und gäbe ist, Strafakten, Steuerakten, SMS oder WhatsApp-Nachrichten zu veröffentlichen, bleibt ein Rätsel.

Mehr Augenmerk auf Energieeffizienz legen

Sind einmal die Pandemie und Chatnachrichten nicht in den Schlagzeilen, so rücken andere Themen in den Fokus.

Die Klimakrise erfordert eine Energiewende. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz soll ermöglichen, dass Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energieträgern produziert wird. Ehrgeizige Pläne für den Ausbau von Windkraft und Photovoltaikanlagen oder Wasserkraftwerke liegen am Tisch. Nur die Umsetzung stockt.

Gegen viele Projekte mobilisieren Bürger und NGOs. Viele Stimmen mahnen schon ein, dass die Energiewende so nicht schaffbar ist.

Umweltschutz, Naturschutz, Biodiversität und Klimaschutz sind gleichwertige Ziele, die sich durchaus nebeneinander verwirklichen lassen, meint jedenfalls die zuständige Bundesministerin.

Viele Projekte sind so aber entweder gar nicht oder nur mit erheblicher Verzögerung verwirklichbar. Dass so, ganz nebenbei, der Wirtschaftsstandort Österreich und die damit verbundenen Arbeitsplätze nicht gefährdet werden sollen, wird erst gar nicht erwähnt. Die Transformation wird schon gelingen. Wir müssen halt mehr Augenmerk auf die Energieeffizienz legen.

Die Elektromobilität ist gut, aber warum müssen SUVs elektromobil sein? Es reicht doch auch aus mit einem viel effizienteren Kleinwagen – wenn es schon der Individualverkehr sein muss – zu fahren, vermeint der Verkehrsklub Österreich. 

Einkaufen nur mehr im Second-Hand-Shop?

Derzeit verursacht die Textilindustrie jährlich 1,2 Billionen Tonnen CO2 – und damit mehr als internationale Flüge und Kreuzfahrten zusammen. Die Modeindustrie als Teil der Textilbranche ist allein für fünf Prozent der globalen Emissionen zuständig, war kürzlich zu lesen. Einkaufen nur mehr im Second-Hand-Shop wird empfohlen. Der Handel freut sich zwar gerade über die Öffnungsschritte, aber eigentlich sollten wir gar nicht einkaufen. Ob die Mehrheit der Gesellschaft das auch so sieht, darf bezweifelt werden.

Konfliktpotenzial Bodenverbrauch

Ähnlich schaut es mit dem Thema Bodenverbrauch in der öffentlichen Diskussion aus. Dabei geht es nicht nur um die viel zitierten „Häuselbauer“, sondern auch um Gewerbe und Industrie oder Straßenprojekte.

Manche meinen, dass wir all das in Zukunft nicht benötigen werden. Die Erschließung neuer Stadtteile, genauso wenig, wie neue Gewerbeanlagen mit den dadurch geschaffenen Arbeitsplätzen. Darin liegt ein gewaltiges Konfliktpotenzial.

Genauso im vorgesehenen Austausch unserer derzeit noch vielfach mit fossilen Energieträgern beheizten Heizanlagen. Zuerst gilt es, sämtliche Ölheizungen und Gasheizungen zu erheben und diese dann bis zu bestimmten Terminen auszutauschen. Dies wird für viele Haushalte in den nächsten Jahren eine große Herausforderung bedeuten, denn mit dem Austausch des Wärmeerzeugers allein wird es nicht getan sein. Ohne entsprechende Wärmedämmung, einem Fenstertausch und weiteren Maßnahmen wird der gewünschte Erfolg nicht eintreten. Hier wird es zusätzliche Unterstützungsmaßnahmen benötigen, wenn man bedenkt, dass schon jetzt die Teuerung der Energiepreise neue Förderpakete erforderlich gemacht hat.

Statt Pfandsystem Sammlungen intensivieren

Ein weiterer Dauerbrenner ist das Thema Abfallwirtschaft. Wir sind zwar in Österreich Musterschüler und haben ein gut funktionierendes Entsorgungssystem, des ungeachtet besteht trotzdem großer Nachholbedarf aufgrund von EU–Vorgaben. Vor allem im Bereich der Kunststoffgetränkeflaschen und der Kunststoffverpackungen.

Kunststoffgetränkeflaschen sollen bis zum Jahr 2029 zu 90 Prozent getrennt gesammelt und einem Recycling zugeführt werden. Wir erreichen zwar derzeit schon 70 Prozent und es fehlen nur knapp 9.900 Tonnen zur Zielerreichung, aber nicht die Intensivierung der Sammlung, sondern ein Pfandsystem soll die Zielerreichung ermöglichen gesetzt.

Mit viel Fördergeld sollen die neuen Sammelsysteme eingeführt werden. Von einem dreistelligen Millionenbetrag war die Rede. Die viel größere Herausforderung besteht jedoch bei der Erreichung der Recyclingquote für Kunststoffverpackungen.

Mit der jüngst vorgestellten Vereinheitlichung der Sammelsysteme für Kunststoffverpackungen soll dies erreicht werden. Dies wird für viele Regionen eine bedeutsame Umstellung mit sich bringen.

Vor allem in den Städten wird die Umstellung von der bisherigen Hohlkörpersammlung von Flaschen auf eine generelle Sammlung von Kunststoffverpackungen eine große Herausforderung werden. In dem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass schon seit längerer Zeit eine Neuerlassung und Neuausrichtung der Abgeltungsverordnung ausständig ist.

Hier muss endlich der Grundsatz wahrgenommen werden, dass die Regionen, die wesentlich zur Zielerreichung beitragen, belohnt werden und diejenigen Regionen, die die Ziele nicht erreichen und noch immer einen großen Anteil von Kunststoffverpackungen im Restmüll haben, dafür nicht noch zusätzliche Mittel erhalten.

Neue Regelungen sollten verständlich und nachvollziehbar sein

Aus den nur wenigen Beispielen sieht man, dass es neben der Pandemiebewältigung noch viele Themen und die damit verbundenen Herausforderungen zu bewältigen gibt. Die neuen Regelungen sollten verständlich und nachvollziehbar sein, damit sie auch von den Bürgerinnen und Bürgern mitgetragen werden. Eine weitere Befeuerung der Spaltung der Gesellschaft können wir wirklich nicht brauchen.