Ragweed
Ragweed ist hochallergene Pflanze, deren Pollen bei Menschen Heuschnupfen verursachensowie zu Asthma führen kann.
© galitskaya - stock.adobe.com

Natur

Neophyten - Nutzen und Gefahren durch nicht heimische Pflanzen

17. Mai 2023
Man liest immer wieder von den gefährlichen „invasiven Neophyten“, die unsere heimischen Pflanzenarten verdrängen, Schäden anrichten und die Gesundheit der Menschen gefährden können. Da viele dieser Arten aus wärmeren Regionen stammen, ist es wahrscheinlich, dass sie sich durch den Klimawandel noch weiter ausbreiten werden. Doch um welche Pflanzen handelt es sich eigentlich und welche Bedrohung geht von ihnen aus?

Ohne gebietsfremde Arten wären unsere Nutz- und Ziergärten ziemlich monoton. Stellen wir sie uns ohne Paradeiser, Sonnenblumen oder Rosskastanien vor. Es geht also nicht darum, Neues pauschal abzulehnen, sondern vielmehr darum, den arglosen Umgang mit neuen Arten durch vorausschauendes Handeln abzulösen. 

Was sind Neophyten eigentlich?

Neophyten sind, wörtlich übersetzt, „Neu-Pflanzen“. Es handelt sich um Pflanzen, die in einem bestimmten Gebiet nicht heimisch waren und erst nach 1492 (Entdeckung Amerikas) dorthin gelangten. Der Mensch hat in der Regel direkt oder indirekt an der  Verbreitung dieser „Neu-Pflanzen“ mitgewirkt.

Eine direkte Mitwirkung ist etwa die absichtliche Einfuhr von Nutz- oder Zierpflanzen, eine indirekte passiert zum Beispiel, wenn Pflanzen(teile) in Autoreifen, Klettverschlüssen oder Schuhsohlen als „blinde Passagiere“ mitreisen.
Aber erst, wenn sich eine gebietsfremde Art wild wachsend dauerhaft etablieren kann, spricht man von Neophyten.

Was macht einen Neophyten invasiv?

Neophyten werden erst dann als „invasiv“ bezeichnet, wenn sie ein besonders ­ausbreitungsfreudiges Wachstum zeigen. Es sind also Arten, die sich fern ihrer Heimat in der neuen Umgebung wild wachsend etabliert haben und sich dort besonders stark und schnell ausbreiten. Nur einige aller zugewanderten Arten verhalten sich invasiv, dies hat aber mitunter schwerwiegende Konsequenzen.

Welche Gefahren gehen von invasiven Neophyten aus?

Götterbaum
Der Götterbaum hat die unerwünschte Angewohnheit, sehr schnell zu wachsen und dabei mühelos Asphalt aufzubrechen. Das muss dann mühselig und oft wiederholt (weil der Götterbaum als Wurzelausläufer sehr hartnäckig ist) repariert werden. Im Bild Peter Comhaire, Gründer der „micromacro GmbH“ und Mitentwickler einer künstlichen Intelligenz, die Neophyten erkennt.

Invasive Neophyten können heimische Pflanzen verdrängen und naturnahe Lebensräume zerstören. So reichert etwa die Robinie (Robinia pseudoacacia) Böden mit Stickstoff an und zerstört heimische Trockenrasen, die ohnehin durch den Landnutzungswandel gefährdet und Lebensraum für viele seltene Arten sind.

Sie können aber auch aufgrund allergischer Inhaltsstoffe die menschliche Gesundheit gefährden. Zum Beispiel produziert das aus Nordamerika eingeschleppte Ragweed (Ambrosia artemisiifolia) eine große Menge hochallergener Pollen. Durch die späte Blütezeit wird die Allergiesaison noch weiter in den Herbst verlängert.

Durch das starke Wurzelwachstum beispielsweise des Götterbaums (Ailanthus altissima) oder des Japanischen Staudenknöterichs (Fallopia japonica) können Bauwerke wie Uferbefestigungen, Straßenbeläge oder Hangsicherungen beschädigt werden. Hier können nicht nur große Kosten entstehen, sondern im schlimmsten Fall (etwa bei einer Überschwemmung) Menschenleben in Gefahr kommen)

Welche gesetzlichen Regelungen gibt es?

Es gibt zahlreiche nationale und internationale Verordnungen und Gesetze bezüglich invasiver Neophyten. 
Das wichtigste Regelwerk im Umgang mit invasiven gebietsfremden Arten in der Europä­ischen Union ist die EU-Verordnung Nr. 1143/2014.

Diese Verordnung beinhaltet unter anderem eine Aufzählung von derzeit 32 Pflanzenarten, von denen 16 bereits in Österreich etabliert sind. Die Bestimmungen dieser Verordnung gelten natürlich auch für Österreich, um die Einbringung dieser Arten zu verhindern und die Ausbreitung einzudämmen. 

EU-Liste invasiver gebietsfremder Arten

Regel­mäßig wird von der EU eine aktualisierte Liste mit invasiven gebietsfremden Arten veröffentlicht. Bekannte Arten auf dieser Liste sind etwa der Götterbaum (Ailanthus altissima), der Riesen-Bärenklau (Heracleum mantegazzianum) oder das Drüsige Springkraut (Impatiens glandulifera).

Gelistete Arten dürfen gemäß der EU-Verordnung nicht 

  • in das Gebiet der Union verbracht werden,
  • kultiviert oder gezüchtet werden,
  • in die, aus der und innerhalb der Union befördert werden,
  • in Verkehr gebracht oder in die Umwelt freigesetzt werden,
  • verwendet oder getauscht werden.

Die Arten der EU-Liste sind für die einzelnen Länder der EU von unterschiedlicher Bedeutung, wobei bei Weitem nicht alle Arten gelistet sind, die ökologische, gesundheitliche und wirtschaftliche Schäden verursachen können.

Umgang mit Problemarten

Die in der EU-Liste aufgeführten invasiven Neophyten dürfen keinesfalls im Garten gepflanzt werden. Auch andere Arten können durch großen Ausbreitungsdrang in die freie Natur problematisch werden, daher sollte man bei der Wahl neuer Pflanzen prinzipiell vorsichtig sein. Informieren Sie sich bitte vor dem Kauf im einschlägigen Gartenfachhandel oder bei der Österreichischen Gartenbau-Gesellschaft.

Pflanzenarten können sich auf verschiedenen Wegen unkontrolliert ausbreiten:

Ausbreitung durch Früchte und Samen

Einige beliebte, häufig gepflanzte Zierpflanzen-Arten bilden eine große Menge Samen, die durch Wind oder Tiere verbreitet werden und sich auch außerhalb des eigenen Gartens ansiedeln können. Dazu zählen z. B. Sommerflieder (Buddleja), Kirschlorbeer (Prunus laurocerasus) oder Kanadische Goldrute (Solidago canadensis). Auch wenn diese Arten nicht „verboten“ sind, kann man durch einfache Maßnahmen eine unkontrollierte Verbreitung verhindern.

Pflanzen Sie Sorten, die keine Samen ausbilden (z. B. vom Sommerflieder), schneiden Sie abgeblühte Blütenstände vor der Samenreife ab (z.B. von der ­Herbst-Aster) bzw. verwenden Sie alternativ heimische Arten (z. B. Echte Goldrute statt Kanadischer Goldrute). Grenzt Ihr Garten an schützenswerte Naturräume, verzichten Sie ganz auf aussamende Arten.

Ausbreitung durch Wurzelausläufer

Andere Arten verbreiten sich wiederum sehr erfolgreich durch ihr Wurzelsystem. Ausläufertreibende Bambus-Arten (Phyllostachys) haben bereits ganze Gärten zugewuchert und führen inzwischen nicht selten zu Schadensersatzforderungen. Noch so gut gemeinte Wurzelsperren versagen meist. Die Pflanzung horstbildender Bambus-Arten (Fargesia) bzw. die Topfkultur verhindern Ärger.

Auch der anspruchslose Götterbaum, selten gepflanzt, meist spontan aufgegangen, verbreitet sich nicht nur durch Samen, sondern auch durch Wurzelsprosse. Der imposante Staudenknöterich, immer wieder als Zierpflanze in die Gärten geholt, ist nicht wieder loszuwerden.
Verzichten Sie bitte im eigenen Interesse und im Interesse der Umwelt auf die Pflanzung stark ausläufertreibender Gartenpflanzen.

Ausbreitung durch Triebstücke

Manche Arten brauchen nicht einmal Wurzelteile, um sich auszubreiten. Triebstücke des Japanischen und Sachalin-Staudenknöterichs (Fallopia japonica bzw. F. sachalinensis) bewurzeln sich bei Erdkontakt und bilden rasch dichte Bestände.

Ausbreitung in Gewässern

Einige ursprünglich als Zierpflanzen in der Aquaristik eingeführte Wasserpflanzen wurden durch unsachgemäßes „Entsorgen“ in heimische Gewässer eingebracht (zum Beispiel Schmalblättrige Wasserpest, Brasilianisches Tausendblatt). Dort konnten sie sich stark vermehren, verdrängen heimische Arten und führen zu strukturellen Änderungen im Lebensraum. Eine Entfernung dieser Pflanzen ist mittlerweile praktisch unmöglich.

Um eine unbeabsichtigte Verbreitung zu verhindern, dürfen keinerlei Pflanzenreste in der Natur entsorgt werden.

Alle Maßnahmen in Bezug auf invasive Neophyten sollten sich vorrangig auf die konsequente Verhinderung der Etablierung bzw. weiteren Ausbreitung beschränken. Profis und Freizeitgärtner können durch die Wahl ihrer Gartenpflanzen sowie durch Pflegemaßnahmen (etwa Rückschnitt vor Samenbildung) maßgeblich dazu beitragen.

Eine großflächige Bekämpfung bereits etablierter invasiver Neophyten ist zeit- und kostenintensiv und schwierig in der Umsetzung und die Notwendigkeit der Maßnahmen ist den Beteiligten nur schwer vermittelbar. 

Text: Österreichische Gartenbau-Gesellschaft