Politik
„Mutig in die neuen Zeiten“
Wenn man nach Wahlen Schlüsse ziehen und sich die Ergebnisse ganz genau ansehen will, lohnt nicht zuletzt auch der Blick auf die kommunale Ebene: Bürgermeisterinnen und Bürgermeister gelten als die politische Instanz, die das höchste Vertrauen der Bevölkerung genießt, und wissen, wie ihre Gemeinden „ticken“. Bestätigt wird das nicht zuletzt durch eine Umfrage des renommierten Instituts Demox Research, bei der Anfang Oktober rund 1.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer befragt wurden.
„Dieser Vertrauensbeweis bedeutet uns sehr viel, weil er auch schon über viele Jahre konstant ist und weil Politik nicht auf allen Ebenen derart großen Zuspruch erfährt“, erklärt Gemeindebund-Präsident Johannes Pressl. Aber dazu später mehr.
KOMMUNAL hat darüber hinaus auch die Gemeindechefs nach ihrer Meinung zum Zustandekommen des Wahlergebnisses wie auch zu dessen Interpretation gefragt.
Gemeinden wollen eingebunden werden
Und praktisch zeitgleich forderte Gemeindebund-Präsident Pressl die Einbindung der Gemeindevertreter in die kommenden Regierungsverhandlungen, genauer gesagt forderte er die Regierungsverhandler auf, die Kommunen in die Programmgespräche einzubinden. „Die Lösung vieler großer Probleme braucht die lokale Ebene mehr denn je. Eine ,Koalition‘ mit den Gemeinden ist daher auch eine Gestaltungspartnerschaft mit den Menschen“, so Pressl.
Eine andere Forderung des Gemeindebundes nach Einführung von E-Voting hat nach den Erfahrungen der Wahl wieder an Brisanz gewonnen. Der bürokratische Aufwand in den Gemeinden und damit viel Arbeit (und Geld) vor allem für die Abwicklung der Wahlkarten wären mit verstärkter Digitalisierung vermeidbar gewesen. Allen, die jetzt Luft holen, um die klassischen Wahlen zu verteidigen, sei gesagt: Die „Zettelwahl“ wird bestehen bleiben. Es geht um die bessere Ausnützung neuer digitaler Lösungen.
Die Gemeinden als tragende Säule im Staat wollen in die Programmverhandlungen einer neuen Bundesregierung mit eingebunden werden. Es geht natürlich auch um die eigenen Interessen, aber viel mehr im Vordergrund steht, dass viele (zur Gewohnheit gewordene) Leistungen der Daseinsvorsorge kaum mehr zu finanzieren sind.
„Die Gemeinden stehen vor großen finanziellen Herausforderungen. Die Wirtschaft schwächelt und die Kosten in Bereichen wie Spitälern, Pflege und Kinderbetreuung steigen überproportional. Jede neue Regierung muss sich auf einen klaren Reformkurs einigen, um Österreich wieder wirtschaftlich zu stärken. Bis solche strukturellen Reformen aber greifen, bedeutet dies, dass die Gemeinden weitere finanzielle Unterstützung benötigen, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Drei zentrale Forderungen wurden bereits formuliert. Erstens: Der Staat soll Gemeinden dort unterstützen, wo sie ihre Aufgaben nicht mehr allein bewältigen können. Zweitens: Gemeinden sollen ihre eigenen Einnahmen stärken dürfen, zum Beispiel durch eine Grundsteuerreform. Drittens: Auch die Gemeinden selbst müssen effizienter werden und Sparpotenziale heben, etwa durch Digitalisierung oder Überprüfung von Ausgaben“, so Pressl Mitte Oktober im Interview mit dem Bezirksblatt während der Ungarn-Reise des Gemeindebundes.
Kostengünstige Beschaffung
Es bringe auch nichts, verschiedene notwendige Bereiche wie Feuerwehr, Kindergarten oder Pflegeheim gegeneinander auszuspielen, so Pressl. Stattdessen sollte in allen Bereichen nach Optimierungsmöglichkeiten gesucht werden.
Ein Beispiel dafür sei eine Aktion in Niederösterreich, bei der Hilfeleistungsfahrzeuge (HLF2) normiert und kostengünstiger beschafft werden. Früher kosteten diese individuell ausgestatteten Fahrzeuge bis zu 600.000 Euro – ein dicker Brocken für jede Feuerwehr und jede Gemeinde. Durch eine gemeinsame Aktion des Landesfeuerwehrverbands Niederösterreich und des NÖ Gemeindebundes können sie nun für unter 400.000 Euro erworben werden. Das zeige, so Pressl, dass durch kreative Ansätze und Standardisierungen Einsparungen möglich seien, ohne die notwendigen Funktionen zu beeinträchtigen. Diese Diskussion über Effizienz und Verantwortung müsse man auch in anderen Bereichen führen.
Und das ist es, was der Gemeindebund unter Einbindung in die Programmverhandlungen versteht: die Erfahrung der Praktiker einbringen.
So machen sie es in Ungarn
Apropos Ungarn-Reise. Der Standard titelte, dass „der Gemeindebund in Ungarn Kickls Visionen kennen lernt“. Das ist etwas verkürzt, weil der Gemeindebund zweimal jährlich in jedes EU-Vorsitzland reist. Derzeit ist das eben Ungarn. Aber gelernt hat man.
So beim Besuch des 3.000-Einwohner-Dorfes Diósjenő, etwa 60 Kilometer nördlich von Budapest. Der Bürgermeister zeigte zu Beginn voller Stolz seinen neu errichteten Wellnessbereich neben dem öffentlichen Schwimmbad, der in Zukunft auch mehr Touristen in die Gemeinde locken soll. Bei einem Vortrag im Gemeindezentrum erfuhr man dann auch mehr über die Herausforderungen der Kommunen in Ungarn.
So organisiert diese Gemeinde selbst eine Gemeindeküche, wo täglich 250 Mahlzeiten gekocht und ausgegeben werden. Der größte Teil der Familien muss für die Verpflegung nichts zahlen. Die Gemeinde versorgt auch 50 sozial Bedürftige täglich mit einem Menü. Der Betrieb der Küche kostet die Gemeinde etwa 145.000 Euro pro Jahr. Vom Staat gibt es 85.000 Euro Zuschuss und 20.000 Euro Einnahmen für den Verkauf des Essens. Den Rest muss die Gemeinde aus ihrem Budget stemmen.
Während im Gegensatz zu Österreich die ungarischen Gemeinden nicht für Wasserversorgung und Kanal zuständig sind, nannte der Bürgermeister auch andere Aufgabenbereiche, wie etwa die soziale Brennholzversorgung oder die Beschäftigung von Sozialhilfeempfängern. In Ungarn müssen Sozialhilfeempfänger in ihren Wohnsitzgemeinden arbeiten. Kurz gesagt: Wer nicht arbeitet, bekommt kein Geld. Der Bürgermeister ist für die Kontrolle zuständig.
Und die Vertrauensumfrage?
Im Oktober 2024 vertrauten insgesamt 57 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher ihren Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern (Anm.: 15 Prozent vertrauen „voll und ganz“ und 42 Prozent „überwiegend“). Zum Vergleich: Im Mai 2024 lag die Vertrauensrate bei insgesamt 43 Prozent (10 Prozent „voll und ganz“ und 33 Prozent „überwiegend“). Das entspricht einer Steigerung von einem Drittel.
„Der ‚Ausreißer‘ der Mai-Umfrage wird wohl mit den allgemeinen hitzigen politischen Debatten im Frühjahr dieses Jahres zusammenhängen, denen sich auch die Bürgermeister nicht entziehen konnten. In den letzten Monaten haben unsere Landsleute aber ganz klar gesehen, wer für sie rund um die Uhr als Ansprechpartner zur Verfügung steht. Umso mehr freue ich mich, dass wir in Sachen Vertrauen wieder bei den konstanten Spitzenwerten der letzten Jahre angekommen sind“, so Hannes Pressl, der auch den wesentlichen Punkt anspricht: „Die wichtigste Währung in der Politik ist das Vertrauen. Das Vertrauen in die Politikerinnen und Politiker, in die staatlichen Organisationen und in den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Gerade mit dem Blick auf die anstehenden Koalitionsverhandlungen ist klar: Wir alle sind gefordert, das Vertrauen unserer Landsleute in unsere Demokratie jeden Tag aufs Neue zu gewinnen. In den Gemeinden sind wir es gewohnt, mit und vor allem für unsere Bürgerinnen und Bürger gemeinsam zu gestalten“.
Lob und Kritik vom Falter-Chef
Man kann dazu auch „Falter“-Chefredakteur Florian Klenk zitieren, der im Gemeindebund-Podcast meint, dass Bürgermeister mehr Wertschätzung verdienen. Klenk – Chefredakteur und Miteigentümer der Wochenzeitung „Falter“ – spricht im „Amtsgeheimnisse“-Podcast über Journalismus und Kommunalpolitik. Das Medienverständnis in einer modernen Demokratie im Allgemeinen, die Möglichkeiten der Nutzung neuer Medien in den lokalen Gemeinden und die Rolle von Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern jetzt und in Zukunft – das sind unter anderem Themen dieser Podcast-Folge.
Klenk, selbst Sohn eines ehemaligen Gemeinderates, schätzt Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sehr. So gibt er sein inneres journalistisches und investigatives Feuer und seine – auf weite Strecken auch kritischen – Anschauungen über so manchen Politiker und über bestimmte Entwicklungen weiter. Und er spricht den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern sowie den Gemeinderätinnen und -räten seine Wertschätzung aus: „Alle, die sich – noch dazu meist ehrenamtlich – für die lokale Gemeinschaft engagieren und zwischen Interessen vermitteln, verdienen viel mehr öffentliche Anerkennung und Wertschätzung!“
In diesem Sinne landen wir wieder bei der Bundeshymne: „Mutig in neue Zeiten!“ Das ist es, was den Regierungsverhandlern ins Stammbuch geschrieben sei. Denn wenn sie keinen Mut zeigen, droht einfach nur ein „Weiterwurschteln“.