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Mit großem Herzen für die Jugend
Gerade einmal 27 Jahre alt war Raphael Scheucher, als er Ende Jänner das Bürgermeisteramt von seinem Vorgänger Dietmar Tschiggerl übernahm. Dieser legte nach 17 Jahren an der Spitze von Halbenrain und insgesamt 33 Jahren im Gemeinderat seine Funktionen zurück. In der südoststeirischen Gemeinde vollzog sich ein wahrer Generationenwechsel und für einige Wochen wurde Scheucher damit sogar zum jüngsten Bürgermeister der Steiermark. Ende Februar 2024 löste ihn wiederum der 26-jährige Lukas Vogl aus Krottendorf-Gaisfeld (Bezirk Voitsberg) in dieser Rolle ab.
Scheucher ist kein Zugezogener, sondern von Geburt an fest in seiner Heimat verankert. Aufgewachsen ist der neue Ortschef im Ortsteil Hürth, den Kindergarten und die Volksschule hat er in Halbenrain besucht, die Hauptschule und i:HTL folgten im benachbarten Bad Radkersburg.
Gleichwohl ist der neue Bürgermeister trotz seines jungen Alters weltgewandt und bestens vernetzt. Mit seiner technischen Ausbildung beginnt er nach dem Bundesheer beim Logistik-Unternehmen Knapp zu arbeiten. Zunächst ist er als Programmierer auf Baustellen international unterwegs. Scheucher kommt viel herum, hauptsächlich sind seine Einsatzgebiete Amerika, wie etwa Chile, und Zentraleuropa.
Später wechselt er in die Detailplanung und ist für das Verfassen von Pflichtenheften zuständig. Danach arbeitet Scheucher für den technischen Verkauf, der die kompletten Anlagen des Spezialunternehmens für Logistik-Automatisierung vertreibt. Das bedeutet immer wieder Verhandlungen, und so reist er auch für diese Tätigkeiten viel herum.
Kandidatur als Jugendvertreter
Dennoch bleibt Scheucher in seiner Heimat fest verankert, ist im Vereinsleben mit dabei und engagiert sich seit Jugendtagen in der Jungen Volkspartei (JVP). Vor der letzten Gemeinderatswahl im Jahr 2020 kommt er schließlich näher mit der Kommunalpolitik in Berührung. Der junge Mann wird gefragt, ob er mitmachen möchte, und kandidiert als Jugendvertreter.
Zwar ergattert er bei dieser Wahl noch kein Mandat, ist seitdem aber bei allen Sitzungen dabei und auch in der Fraktion eng eingebunden, deren stellvertretender Ortsparteiobmann er derzeit ist. „Ich bin auch im Bezirksparteivorstand und durfte eigentlich von Anfang an mitarbeiten“, erzählt er.
„So konnte ich kommunalpolitische Luft schnuppern in einer Zeit von multiplen Krisen – ob Corona, Krieg oder Teuerung –, die nicht nur unsere Bundespolitik beschäftigt haben, sondern deren Auswirkungen auch auf kommunaler Ebene spürbar waren.“ Der neue Bürgermeister wusste also durchaus schon vorab, was ihn mit der Amtsübernahme in etwa erwartet.
Seine Heimatgemeinde Halbenrain ist für steirische Begriffe verhältnismäßig flach. Sie liegt im Süden des Thermen- und Vulkanlandes im Bezirk Südoststeiermark. Südöstlicher liegt nur noch die benachbarte ehemalige Bezirkshauptstadt Bad Radkersburg, und wer in diese möchte, fährt zwangsläufig durch Halbenrain durch. Die Gemeinde, die 1985 zum Markt erhoben wurde liegt in einer Ebene, die die Mur geformt hat.
Der Fluss ist gleichzeitig ihre südwestliche Begrenzung und prägt Halbenrain mit seinen Auwäldern. Die naturbelassenen Murauen, immerhin das zweitgrößte geschlossene Auenwaldgebiet Österreichs, sind ein ideales Wandergebiet und auch bei Radlern sehr beliebt. Der Murradweg, die Weinland Steiermark Radtour und der Eurovelo 9 führen hier durch. Diese malerische Umgebung war lange Jahre ein Natura-2000-Gebiet. „Seit letztem Jahr sind wir eine Biosphären-Gemeinde und gehören zum großen Biosphärenpark im Mur-Drau-Donau-Korridor“, ist sich Scheucher der Schönheit seiner Heimat durchaus bewusst.
Entscheidung über Zukunft des Schlosses hängt in der Luft
Im Mittelpunkt von Halbenrain thront als Wahrzeichen der Marktgemeinde, das 1244 erstmals erwähnte Schloss, das von einem herrlichen Park umgeben ist und mit seinen drei Geschoßen ein Juwel der Region darstellt. Noch befindet sich darin eine Fachschule für Land- und Ernährungswirtschaft. 2025 soll diese jedoch geschlossen werden.
Für die Gemeinde ist diese Situation momentan schwierig. Gefragt, was denn an aktuellen Projekten geplant ist, erklärt Scheucher das Dilemma:
„Im Prinzip kämpfen wir dieses Jahr wie alle Gemeinden mit einem sehr straffen Budget. Grundsätzlich arbeiten wir daran, die bereits laufenden Projekte erfolgreich abzuschließen. Im Hinblick auf neue Projekte hängt bei uns jedoch sehr vieles mit der Entscheidung zusammen, was mit dem Schloss geschehen wird. Ein Teil davon, der Rothof, ist etwa unser Veranstaltungszentrum. Das gehört zu dem Schlosskomplex dazu und abhängig davon, wie das Schloss weiter genutzt wird, müssen ganz viele Entscheidungen in der Gemeinde getroffen werden“, erklärt der Ortschef. Solange das unklar ist, hängen die Halbenrainer quasi in der Luft. „Wir können noch nichts konkret planen, denn abhängig davon, wie es zum Beispiel mit dem Veranstaltungszentrum weitergeht, sind die Prioritäten natürlich neu zu setzen.“
Das Schloss ist im Besitz der Landesimmobiliengesellschaft. Somit hat die Gemeinde kein direktes Mitspracherecht, wie es mit der künftigen Verwendung des Areals weitergeht. „Wir können uns aber einbringen und Ideen liefern, wie eine Nachnutzung aussehen könnte. Damit stoßen wir auch auf offene Ohren bei der Landesregierung und haben uns schon mehrfach getroffen, aber der Prozess ist noch am Laufen“, resümiert Scheucher den Status quo.
Auf dem Plan: Ortswassernetz und Straßenerhaltung
Unabhängig von der Schloss-Entscheidung gibt es für den neuen Bürgermeister dennoch genug zu tun. Beispielsweise möchte er die Erweiterung des Ortswassernetzes vorantreiben: „Wir sind eine Region, die von Hausbrunnen geprägt ist. Zukunftsweisend wollen wir aber das Ortswassernetz ausweiten, das von der Gemeinde selbst betrieben wird. Wir haben eigene Brunnen und Pumpstationen und bauen diese sukzessive aus.“
Auch die Straßenerhaltung möchte der junge Ortschef anpacken. Das Rückgrat der Kommunaleinnahmen bilden dazu die kleinen und mittleren Betriebe in der Gemeinde, aber auch größere landwirtschaftliche Betriebe. Eigentlich ist Halbenrain aber eher eine Wohnsitzgemeinde mit Auspendlerstatistik.
Investitionen in Feuerwehren sind auch Investitionen in die Gemeinschaft
Ein weiterer Kostenpunkt ist die technische Erneuerung der Feuerwehr: „Wir haben in Halbenrain die besondere Situation, dass wir in einer Gemeinde gleich fünf Feuerwehren zu betreuen haben. Das ist natürlich eine finanzielle Herausforderung“, erklärt Scheucher.
Die Feuerwehren hätten aber nicht nur ihre feuerpolizeilichen Aufgaben, sondern auch wichtige gemeinschaftliche Funktionen. Sie stärken die Kommunikation untereinander und das Zusammenleben, gibt er zu bedenken. „Investitionen in die Feuerwehr sind nicht nur Investitionen in die Sicherheit, sondern gleichzeitig auch Investitionen in die Gemeinschaft“, stellt der Bürgermeister klar, der selbst bei der FF Hürth aktiv ist.
Ein mittelfristiges Ziel Scheuchers ist der Ausbau des Glasfasernetzes: „Einige Bereiche in unserer Gemeinde sind bereits mit Glasfaser ausgestattet. Die sind eher im Ortszentrum. Wir sind aber fleißig dabei, Leerverrohrungen einzubauen. Bei jeglichen Grabungsarbeiten, ob Wasser, Kanal oder Ähnliches, wird die Leerverrohrung schon mit eingegraben. Derzeit suchen wir noch einen Projektpartner, der uns bei der Erschließung der gesamten Gemeinde unterstützt.“
Steckenpferd Kindergemeinderat
Langfristig will Scheucher auch weitere Projekte im Rahmen der familienfreundlichen Gemeinde und des Kindergemeinderates umsetzen. Schon die ursprüngliche Initiative dazu stammte aus der Feder des Vizebürgermeisters und Scheuchers selbst. Die beiden haben das Konzept aufgestellt und Projekte wie den Kindergemeinderat – ihr größtes Steckenpferd – umgesetzt. „Da sind wir nicht nur Ideengeber, sondern der Herr Vizebürgermeister und ich sind auch die Betreuer des Kindergemeinderates. Das ist ein zeitlich sehr großer Aufwand, aber das hat sich leider einfach so ergeben“, lacht Scheucher.
Die Freizeit, die dem Jungbürgermeister bleibt, verbringt er am liebsten in der Natur, mit Spaziergängen oder kurzen Laufeinheiten und mit seiner langjährigen Partnerin zusammen. Ihr Rückhalt ist ihm das Wichtigste. Im Bezug auf seine beruflichen Aufgaben ist ihm gleichermaßen der Rückhalt der Bevölkerung ein Anliegen.
Zwar ist er erst kurz im Amt, „was ich aber schon sehr positiv empfunden habe, ist der Kontakt mit der Bevölkerung. Ich habe sehr viel positiven Zuspruch erhalten, seit ich das Amt übernommen habe. Viele respektieren die Entscheidung insbesondere, weil es doch ein Amt ist, das mit viel Arbeit verbunden ist und enorme Verantwortung mit sich bringt. Jetzt gilt es für mich diese positiven Rückmeldungen vom Anfang mit Schwung mitzunehmen, damit es auch in Zukunft positive Rückmeldungen bleiben mögen.“
Zur Person
Raphael Scheucher
Alter: 27
Gemeinde: Halbenrain
Einwohnerzahl: 1.676 (1. 1. 2023)
Bürgermeister seit: 23. Jänner 2024
Partei: ÖVP