Mehr tote Rehe, weniger Hasen – höheres Verletzungsrisiko
In Österreich ereignen sich im Schnitt mehr als 74.000 Wildunfälle pro Jahr (Durchschnitt 2018/19 bis 2022/23). In den meisten Fällen kollidieren die Kraftfahrzeuge mit einem Reh (55 Prozent) oder mit einem Hasen (26 Prozent).
KFV-Direktor Christian Schimanofsky verweist in diesem Zusammenhang auf ein interessantes Phänomen: „In den vergangenen 15 Jahren ist die Anzahl der bei Verkehrsunfällen getöteten Rehe um 10 Prozent gestiegen und bei Rotwild gibt es ein Plus von 7 Prozent. Hasen wurden hingegen um 55 Prozent weniger getötet und bei Fasanen gibt es einen Rückgang von 62 Prozent. Eine Kollision mit einem wuchtigen Reh oder Hirsch bedeutet natürlich auch ein größeres Gefahrenpotenzial für die Menschen am Steuer.“
In den letzten fünf Jahren wurden in Österreich insgesamt 1.586 Personen bei Wildunfällen verletzt und sechs getötet. Das sind durchschnittlich 317 Verletzte pro Jahr.
Richtig reagieren beim Auftauchen von Wildtieren
„Bitte seien Sie im Herbst wegen des früheren Dämmerungseinbruchs besonders achtsam, denn rund 47 Prozent aller Unfälle mit Personenschäden ereignen sich bei Dunkelheit und 10 Prozent bei Dämmerung“, appelliert Schimanofsky. Wenn ein Wildtier vor dem Fahrzeug auftaucht, lautet die klare Empfehlung: abblenden, hupen, stark bremsen und das Lenkrad gut festhalten, keinesfalls unkontrolliert ausweichen.
Ganz wichtig ist auch, sich beim Fahren immer auf das Verkehrsgeschehen zu konzentrieren und auf eine angepasste Geschwindigkeit zu achten. Denn die häufigsten Unfallursachen bei Wildunfällen mit Personenschäden sind Unachtsamkeit und Ablenkung (54 Prozent) sowie eine nicht angepasste Geschwindigkeit (39 Prozent).
Ein Bundesland ist besonders stark betroffen
Mehr als 39 Prozent aller auf der Straße getöteten Wildtiere starben in den letzten fünf Jahren in Niederösterreich und 35 Prozent aller Wildunfälle mit Personenschäden ereigneten sich ebenfalls in diesem Bundesland. Zum Vergleich: Niederösterreich ist 19.180 km² groß, was circa 23 Prozent der Gesamtfläche Österreichs entspricht.
Warum sich im flächenmäßig größten Bundesland derart überproportional viele Unfälle ereignen, erklärt Niederösterreichs Landesjägermeister Josef Pröll: „Beim Wildunfallrisiko sind zwei Faktoren entscheidend: wie oft Wild für die Aufnahme von Futter oder den Wechsel in einen Einstand Straßen queren muss sowie die Zahl der Verkehrsteilnehmenden. Niederösterreich weist ein enorm dichtes Verkehrsnetz mit vielen Pendelnden in den Morgen- und Abendstunden auf. Gleichzeitig muss das Wild durch die Zerschneidung der Lebensräume öfter Straßen queren. Die Zahlen belegen: Wildunfälle sind kein saisonales Phänomen mehr, sondern können ganzjährig auftreten.“
In Niederösterreich arbeiten das Land, der Jagdverband und die Land&Forst Betriebe bereits intensiv zusammen und bringen Wildwarngeräte an den weißen Pflöcken entlang von Straßen an, die verhindern, dass Wild beim Nähern von Fahrzeugen Straßen quert. Zudem werden jagdwirtschaftliche und wildökologische Maßnahmen gesetzt.
Klimawandel und Landbebauung hinterlassen ihre Spuren
Für den Wandel bei den Tierarten beim Unfallgeschehen hat Pröll folgende Erklärungen: „Wir beobachten, dass Rehwild auf der Suche nach wasserhaltiger Nahrung immer weitere Strecken zurücklegt. Dabei quert es zwangsläufig auch Straßen häufiger. Einer der Hauptauslöser für Wildunfälle dürfte aber auch der Druck durch Freizeitnutzer sein, die Wild aufscheuchen. Rehe flüchten dann oftmals über Straßen in die nächsten Einstände und Deckungen, während Niederwild auf seine Deckung vertraut.“