Mit dem Verzicht auf die Rückzahlung haben die österreichischen Gemeinden damit vom Bund insgesamt 1.775 Milliarden Euro an zusätzlichen Mitteln in den letzten beiden Jahren erhalten.
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Mehr Geld für Österreichs Gemeinden

Schlag auf Schlag ging es Mitte Jänner für die Gemeindefinanzen. Und es waren durchwegs gute Nachrichten! Zum einen prognostizierte das WIFO am 18. Jänner für heuer eine positive Entwicklung der Gemeindefinanzen, zum anderen verkündete die Bundesregierung am 19 Jänner, den Gemeinden mit weiteren 275 Millionen Euro unter die Arme zu greifen und am 20. Jänner gab es dann – unabhängig vom Impffortschritt – noch einmal 75 Millionen für die Gemeinden. Aber der Reihe nach.

Der erste Schlag: Im Auftrag des Österreichischen Gemeindebundes hat das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) einen Rückblick auf das Jahr 2020 sowie eine Vorschau auf die Entwicklung der Budgetsituation der österreichischen Gemeinden erstellt.

Seit mittlerweile zwei Jahren ist die wirtschaftliche Entwicklung durch die COVID-19-Pandemie geprägt. Dabei waren auch die Gemeinden 2020 durch sinkende Einnahmen vor allem bei Ertragsanteilen und eigenen Abgaben, wie der Kommunalsteuer, sowie durch Mehrausgaben etwa durch Baukostenüberschreitungen, Hygienemaßnahmen oder Überstunden belastet.

„Trotz des weltweiten Wirtschaftseinbruchs, Kurzarbeit, hoher Arbeitslosigkeit und mehreren Lockdowns, haben die Gemeinden auch in den Krisenjahren ihr Bestes gegeben, um die Infrastrukturen der Daseinsvorsorge zu sichern und gleichzeitig in die Zukunft zu investieren. Die Gemeinden haben deutlich gezeigt, wie wichtig sie im gesamtwirtschaftlichen Gefüge sind. Als regionale Konjunkturmotoren haben sie auch im Jahr 2020 insgesamt 3,14 Milliarden Euro in den Regionen investiert und damit die lokale Wirtschaft und zigtausende Arbeitsplätze gefördert“, erläutert Gemeindebund-Präsident Bürgermeister Alfred Riedl.

Blick zurück aufs Jahr 2020

Einige interessante Kennzahlen: Gemäß den Rechnungsabschlüssen (Finanzierungshaushalt) erzielten die Gemeinden (ohne Wien) im Jahr 2020 Gesamteinnahmen von 21,46 Milliarden Euro. Die Gesamtausgaben der Gemeinden (ohne Wien) im Jahr 2020 beliefen sich auf 21,34 Milliarden Euro. Mit einem Wachstum von +5,8 Prozent gegenüber 2019 sind die Auszahlungen aus der Investitionstätigkeit 2020 um 172 Millionen auf 3,14 Milliarden Euro (ohne Wien) angestiegen.

Zur Entwicklung der Schulden ist anzumerken, dass aufgrund der Einnahmeneinbrüche im Jahr 2020 die Gemeinden viel stärker als gewollt auf Fremdfinanzierung zurückgreifen mussten, wodurch sich auch die Finanzschulden der Gemeinden ohne Wien auf rund 12,85 Milliarden Euro erhöhten. Mit fast 81.000 Beschäftigten (= Vollzeitäquivalente) wird auch die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Gemeinden als Arbeitgeber deutlich sichtbar. Im Durchschnitt beschäftigen die Gemeinden 11,6 Vollzeitäquivalente je 1000 Einwohner.

Konjunkturelle Entwicklung 2021 bis 2023

Die wirtschaftliche Entwicklung in der Corona-Pandemie verursachte ab dem Frühjahr 2020 beträchtlichen fiskalischen Stress. Nach dem Wachstumseinbruch von minus 6,7 Prozent im ersten Krisenjahr und einem realen BIP-Wachstum von +4,1 Prozent 2021 wird für das Gesamtjahr 2022 ein kräftiges Wirtschaftswachstum in Höhe von +5,2 Prozent erwartet. Im Jahr 2023 sollte Österreichs Wirtschaft auf einen moderaten Wachstumskurs einschwenken (+2,5 Prozent).

„Für die Gemeindefinanzen ist die prognostizierte Entwicklung der gemeinschaftlichen Bundesabgaben von zentraler Bedeutung. Für das Steueraufkommen spielt einerseits die erwartete Konjunkturerholung eine wichtige Rolle. Eine günstige Beschäftigungs- und Lohnentwicklung wirken sich insbesondere positiv auf die Einnahmen aus Lohn- und Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und auch der gemeindeeigenen Kommunalsteuer aus“, erklärt WIFO-Direktor Gabriel Felbermayr.

Ertragsanteile und Kommunalsteuer

Im Jahr 2021 ist bei den Gemeindeertragsanteilen ein Einnahmen-Plus zu verzeichnen, das die Verluste aus 2020 in Summe wieder ausgleichen kann. Für 2022 lässt die Simulation auf Basis der WIFO-Steuerprognose trotz der Lohn- und Einkommensteuerentlastungen durch die ökosoziale Steuerreform ein Ertragsanteilswachstum von +6,8 Prozent erwarten, welches im Folgejahr 2023 leicht auf +4,8 Prozent abnehmen dürfte.

Gabriel Felbermayr
WIFO-Direktor Gabriel Felbermayr: „Für die Gemeinden bringt die ökosoziale Steuerreform zunächst Einnahmenausfälle von kumulativ 600 Millionen Euro in den Jahren 2022 und 2023. Dank der günstigen Konjunktur- und Beschäftigungsentwicklung ist diese Belastung weniger schmerzhaft.“

„Für die Gemeinden bringt die ökosoziale Steuerreform zunächst Einnahmenausfälle von kumulativ 600 Millionen Euro in den Jahren 2022 und 2023. Dank der günstigen Konjunktur- und Beschäftigungsentwicklung ist diese Belastung weniger schmerzhaft“, so Felbermayr.

In der COVID-Krise wurde ein beträchtlicher Teil der Löhne aus Corona-Kurzarbeitsbeihilfen bezahlt, von denen keine Kommunalsteuer zu entrichten ist, sodass es 2020 zu einem Einbruch bei dieser Einnahme gekommen ist. Für 2021 wird mit einem Anstieg der Kommunalsteuereinnahmen um +7,1 Prozent gerechnet.

Entwicklung der gekürzten Gemeindeertragsanteile nach Bundesländern

Entwicklung der gekürzten Gemeindeertragsanteile pro Kopf nach Gemeindegrößenklassen

Das prognostizierte starke Lohn- und Beschäftigungswachstum wird 2022 und 2023 zu weiteren kräftigen Zuwächsen von +6,7 Prozent und +5,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr führen. Im Jahr 2023 könnte das gesamte bundesweite Kommunalsteueraufkommen insgesamt bereits vier Milliarden Euro erreichen. Für die Gemeinden ohne Wien, deren Anteil bei rund 74,3 Prozent des gesamten Kommunalsteueraufkommens liegt, wäre daher 2022 ein Aufkommen von fast drei Milliarden Euros zu erwarten.

Steuerreform 2022/24

Die Erwartungen über die budgetäre Situation der Gemeinden in den Jahren 2021 bis 2023 sind einerseits von der prognostizierten positiven konjunkturellen Entwicklung bestimmt. Andererseits wird die Einnahmendynamik der gemeinschaftlichen Bundesabgaben ab 2022 durch die Beschlüsse zur ökosozialen Steuerreform gebremst.

Die für 2022 und 2023 erwarteten Einnahmenausfälle bei Lohn- und Einkommensteuer sowie der Körperschaftsteuer belaufen sich auf insgesamt rund 5,05 Mrd. Euro. Die Gemeinden insgesamt (inklusive Wien) tragen von den Mindereinnahmen einen Anteil von rund 12 Prozent mit – das sind kumuliert ca. 600 Mio. Euro. 

„Der Blick in die Zukunft der Gemeindefinanzen stimmt uns grundsätzlich positiv. Klar ist aber, dass einige anstehende Themen, wie etwa der Ausbau der Kinderbetreuung, die Pflegereform, die Klima- und Energiewende sowie der Glasfaserausbau finanziell durchaus herausfordernd für die Gemeinden werden“, so Riedl.

Bisher zwei wichtige Hilfspakete vom Bund

Einen Tag später kam der zweite Schlag: Die Gemeinden hatten vom Bund während der Krise zwei Hilfspakete bekommen. Zuerst Mitte 2020 das kommunale Investitionspaket (KIG) in Höhe von einer Milliarde Euro, wovon schon mehr als 800 Millionen Euro ausbezahlt wurden.

Zum Jahreswechsel 2020/2021 wurde zwischen Gemeindebund und Regierung das zweite Hilfspaket in Höhe von gesamt 1,5 Milliarden Euro paktiert: 100 Millionen Euro direkte Hilfe für strukturschwache Gemeinden, 400 Millionen Euro Sonder-Ertragsanteile für alle und eine Milliarde Euro an rückzahlbaren Sonder-Vorschüssen, damit die Gemeinden Monat für Monat die Aufgaben auch finanzieren können.

Damals wurde mit der Regierung vereinbart, diese eine Milliarde an Vorschüssen bis zum Jahr 2026 Schritt für Schritt zurückzuzahlen. Die wirtschaftliche Erholung im letzten Jahr hat nun aber dafür gesorgt, dass von den Sonder-Vorschüssen nur 500 Millionen Euro ausbezahlt wurden und die Gemeinden bereits im November und Dezember 2021 wieder 225 Millionen Euro zurückgezahlt haben. Eben weil die wirtschaftliche Entwicklung ab Mitte 2021 so positiv war.

Regierung überlässt Gemeinden 275 Millionen Euro

In den Wochen über den Jahreswechsel 2021 auf 2022 hat der Gemeindebund mit dem Bundeskanzler, dem Vizekanzler und dem Finanzminister intensiv und auf Augenhöhe verhandelt. Da die 2.093 Gemeinden starke Partner des Bundes und wichtige Motoren für die lokale Wirtschaft sind, hat sich die Bundesregierung auf den Einsatz des Gemeindebundes hin entschlossen, auf die Rückzahlung der 275 Millionen Euro aus dem Vorschuss zu verzichten.

Damit bleibt allen Gemeinden mehr am Konto, sozusagen ein Startbonus für ein intensives Jahr 2022. Die 275 Millionen Euro müssen nun nicht mehr zurückgezahlt werden, wodurch nun auch die Ertragsanteile im Jänner spürbar steigen (+24 Prozent im Vergleich zum Jänner 2021).

Mit dem Verzicht auf die Rückzahlung haben die österreichischen Gemeinden damit vom Bund insgesamt 1.775 Milliarden Euro an zusätzlichen Mitteln in den letzten beiden Jahren erhalten. Rechnet man noch die Zahlungen der Bundesländer von rund 400 Millionen Euro dazu, so konnten die Gemeinden die finanziellen Folgen der Corona-Pandemie mit fast  2,2 Milliarden Euro an frischen Mitteln sehr gut abdecken.

Die „Kommunale Impfkampagne“

Am 20. Jänner kam aus dem Bundeskanzleramt die Information, dass es eine „kommunale Impfkampagne“ geben wird. Nach dem aus des Kommunalinvestitionsgesetz (KIG) 2020 bekannten Verteilungsschlüsse (50 Prozent Volkszahl, 50 Prozent aBS) sollen 75 Millionen Euro an alle Gemeinden verteilt werden – jene Kommunen, wo der Impffortschritt noch niedrig ist, sollen durch diese Zweckzuschüsse einen Anreiz für die Umsetzung lokaler Maßnahmen erhalten.

Auch wenn es sich um einen Zweckzuschuss handelt, drängt der Gemeindebund darauf, dass hier keine Vorgaben gemacht werden, sondern die Entscheidung, welche Maßnahmen mit diesen Zweckzuschuss-Mitteln gesetzt werden, den Gemeinden obliegt.

Bisher lagen noch keine weiteren Spezifikationen vor, es ist aber zu erwarten, dass die Erläuterungen eines diesbezüglichen Gesetzesentwurfs das eine oder andere Beispiel für Anreize der Gemeinden für ihre Bürger (Gutscheine, Lotterie, Impfaktion mit „Gratifikation“, Schalten von Inseraten in lokalen Zeitungen etc.) zeigen werden.

Darüber hinaus ist aus Sicht des Österreichischen Gemeindebundes klar, dass diese Zweckzuschüsse (parallel zur Impfpflicht ab 18) die Impfgeschwindigkeit erhöhen sollen aber keine Verschiebung von (politischer) Verantwortung für die Entwicklung der Impfquote hin zur Gemeindeebene darstellen können.

Der Anteil der Gemeinden an diesen 75 Millionen Euro wird näherungsweise 7,5 Prozent des Anteils der Gemeinden an der Gemeindemilliarde (KIG 2020) entsprechen.*

Näherungsweise deshalb, weil bei den KIG 2020 Zweckzuschüssen noch die Volkszahl zum Stichtag 31. Oktober 2018 zum Einsatz kam, es aber zu erwarten ist, dass für Impfkampagne und Impfprämie die Einwohnerzahl für das Finanzausgleichsjahr 2022 (Registerzählung zum Stichtag 31. Oktober 2020) zur Anwendung kommen dürfte. Näherungsweise kommt man also mit der Rechnung KIG 2020-Mittel  x  0,075 recht gut hin.

Im Rahmen der Impfkampagne wurde auch „Kommunale Impfprämie“ angesprochen. Diese Zweckzuschüsse des Bundes erhalten nur jene Gemeinden, deren Impffortschritt (Anteil der Bevölkerung über fünf Jahren mit aktivem Impfzertifikat) mindestens 80 Prozent erreicht. Ab Erreichen von 85 Prozent gibt es den doppelten Basisbetrag, ab 90 Prozent den vierfachen Basisbetrag (kumulativ)**.

Durch die Analogie mit dem KIG 2020 und den Wortlaut „Investitionen in den Gemeinden“ dürfte hinsichtlich dieses „erfolgsabhängigen“ Zweckzuschusses für die entsprechenden Gemeinden, die die 80/85/90 Prozent erreichen, von einer sehr breiten Verwendungsmöglichkeit der lukrierten Mittel auszugehen sein.

Wie viel den Bund dieser Zweckzuschuss letztlich kosten wird (der Bund wird dafür insgesamt 1,4 Milliarden Euro reservieren), wird letztlich vom Impffortschritt (dem Erreichen der (80/85/90 Prozent) abhängen, der bis zum Ende der Geltungsdauer der Maßnahmen diese Pakets (31. Dezember 2022) erzielt wird. 

Beispiel

Eine Gemeinde erhielt 100.000 Euro aus dem KIG 2020 (näherungsweise Lösung):

  • Diese Gemeinde erhält rund 7.500 Euro aus dem Titel „Kommunale Impfkampagne“.
  • Bei Erreichen der 80 Prozent erhält die Gemeinde (wann, wird zu klären sein) rund 7.500 Euro als „Kommunale Impfprämie“.
  • Bei Erreichen der 85 Prozent erhält diese Gemeinde weitere rund 15.000 Euro (zusätzlich den doppelten Basisbetrag) als kommunale Impfprämie.
  • Bei Erreichen der 90 Prozent erhält die Gemeinde weitere rund 30.000 Euro (zusätzlich den vierfachen Basisbetrag) als kommunale Impfprämie.

In Summe erhält die Gemeinde rund 60.000 Euro aus diesem Paket der Bundesregierung, falls die Impfquote von 90 Prozent bis 31. Dezember 2022 erreicht wird.

* Die Zahlen der Gemeindemilliarde finden sich hier.

** Unter https://info.gesundheitsministerium.gv.at/impflage finden sich Informationen zur aktuellen Durchimpfungsrate der Gemeinden.