Bürgermeisterinnentreffen
Geballte Frauenpower beim 14. Bürgermeisterinnentreffen in St. Anton an der Jeßnitz – die Ortschefinnen stärken einander durch Vernetzung.
© Gemeindebund / Franz Gleiss

„Man muss nicht immer nur lieb sein“

Anfang August kamen knapp 70 österreichische Bürgermeisterinnen zum 14. Bürgermeisterinnentreffen zusammen. Fachlich wurde in St. Anton an der Jeßnitz der Schwerpunkt auf mentale Stärke und Selbstmarketing gelegt, um die Probleme und Herausforderungen des Amts besser zu bewältigen.

Nach einem Jahr coronabedingter Pause trafen einander die Bürgermeisterinnen Österreichs von 1. bis 3. August 2021 zu ihrem alljährlichen Vernetzungstreffen. Austragungsort des diesjährigen Treffens war das niederösterreichische St. Anton an der Jeßnitz. Schon beim Auftakttreffen fand bereits ein Kennenlernen und erster Austausch bei Speis und Trank statt. Grußworte an die Bürgermeisterinnen richteten Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl, die Gemeindebund-Vizepräsidentinnen Roswitha Glashüttner und Sonja Ottenbacher, NÖ-Gemeindebund-Präsident Bürgermeister Johannes Pressl, Gemeindebund-Generalsekretär Walter Leiss und Gastgeberin Bürgermeisterin Waltraud Stöckl. 

Der Höhepunkt des nächsten Tages war neben Fachvorträgen zum wertschätzenden Umgang miteinander und zum Selbstmarketing ein Workshop zum Mentaltraining. 

Bürgermeisterinnentreffen

Wertschätzung von innen und außen

Den Vortragsvormittag startete Gemeindebund-Vizepräsidentin Sonja Ottenbacher: Sie hielt ein bewegendes Referat zum Thema Wertschätzung von innen. Die Bürgermeisterin ist im zivilen Beruf Psychotherapeutin und weiß bestens Bescheid um mentale Anspannungen und wie diese zu lösen sind. Ottenbacher verwies etwa auf den Kreislauf der Wertschätzung: Wenn man selbst Wertschätzung erfährt, steigert dies das Selbstvertrauen in sich und damit kann man auch anderen mehr Wertschätzung geben. Wichtig, denn: „Wenn die Seele nicht gepflegt wird, geht sie ein.“

Gerade im Licht der immer häufiger auftretenden Anfeindungen gegen Kommunalpolitikerinnen und -politiker legte Ottenbacher großen Wert darauf, immer wieder zu betonen, Behutsamkeit im Umgang mit sich selbst und mit anderen zu leben. Denn, so die Bürgermeisterin: „Viele glauben: ‚Wir haben sie gewählt, jetzt müssen sie uns für alles gerade­stehen und unseren Kränkungen standhalten.‘ Aber ich sage: Nein, müssen wir nicht!“ Hier erhielt Ottenbacher besonders viel positive Resonanz aus dem weiblichen Publikum – diese Problematik kennen viele.

Ottenbacher
Sonja Ottenbacher, Vizepräsidentin des Gemeindebundes und Bürgermeisterin von Stuhlfelden (hier mit Vizepräsidentin Roswitha Glashüttner): „Viele glauben: ‚Wir haben sie gewählt, jetzt müssen sie uns für alles geradestehen und unseren Kränkungen standhalten.‘ Aber ich sage: Nein, müssen wir nicht!“

Die Bürgermeisterin und Therapeutin fügte auch hinzu: „Manche wollen verletzen, aber das muss man nicht lächelnd hinnehmen.“

Nach der Wertschätzung von innen kam die Wahrnehmung von außen zum Zug: Susanna Fink hielt einen Vortrag zum Thema Selbstmarketing. Die Trainerin, Moderatorin und Rednerin ist Expertin für all das, was dem weniger geschulten Auge im Alltag wohl kaum ganz bewusst auffällt: Körpersprache und Wortwahl, Haltung, Ausstrahlung. Alles das, was auf uns ganz unbewusst wirkt und uns dazu bringt, einen Eindruck zu gewinnen. Den richtigen Eindruck zu hinterlassen, das kann man lernen, so die Trainerin. Wichtig ist das, weil: „Wenn Expertin drinnen steckt, muss auch Expertin draufstehen!“ 

Fink ermahnte die Bürgermeisterinnen, ganz bewusst aufzupassen, wie sie sprechen, stehen, gehen und auftreten. „Was“ man sagt, stehe zu Recht im Fokus, doch man dürfe auch nicht auf das „Wie“ vergessen. Dazu gab Fink folgende Tipps: Beim Sprechen sollte man unbedingt darauf achten, klar, deutlich, laut und in einem nachvollziehbaren Tempo zu sprechen. Außerdem, so Fink, trainieren sich die meisten Frauen unbewusst an, höher zu sprechen als in ihrer natürlichen Tonlage. Sie empfiehlt, sich das so gut wie möglich wieder abzutrainieren.

Auch wichtig: Das Understatement ist ein massiver Wirkungskiller; sowohl im Wording als auch in der Körpersprache. In der Sprache sollte man unbedingt auf sogenannte „Weichmacher“ verzichten: also Konjunktive vermeiden, „ich“ statt „man“ sagen, kein „eigentlich“, „hoffentlich“, und ähnliches Wording verwenden.

In der Sprache sollte man unbedingt auf sogenannte „Weichmacher“ verzichten: also Konjunktive vermeiden, ,ich‘ statt ,man‘ sagen, kein ,eigentlich‘, ,hoffentlich‘, und ähnliches Wording.

Susanna Fink, Trainerin, Moderatorin und Rednerin

An Bürgermeisterin Ottenbacher anschließend betonte auch Fink, Kränkungen nicht einfach so hinzunehmen, denn: „Nur eine Null hat keine Ecken und Kanten – man muss nicht immer nur lieb sein.“

Das Nachmittagsprogramm wurde gemeinsam mit Mentalcoach Manuel Horeth begangen. Bekannte Stars aus der Sportwelt wie Trainer Adi Hütter, Super-G-Weltmeisterin Nicole Schmidhofer, Rapid-Legende Steffen Hofmann oder auch die olympische Seglerin Tanja Frank arbeiteten bereits mit dem Horeth Institut zusammen – denn wie Horeth weiß, braucht es mentale Stärke, um auch physisch alles geben zu können. Sein Credo ist: „Marcel Hirscher fährt nicht als Sieger ins Ziel, sondern ist schon als Sieger weggefahren.“

Bürgermeisterinnentreffen
Infofahrt mit der ÖBB.

Beim Bürgermeisterinnentreffen vermittelte er verschiedene Möglichkeiten, sich Entspannung zu suchen. Relax-Training sei vor allem in Berufsbildern und Ämtern mit hohem Stress unglaublich wichtig. Er empfiehlt etwa Visualisierungen, die richtige Musik und sich zu konditionieren, auf etwas Bestimmtes mit Glücksgefühlen zu reagieren. „Eine gute Basisentspannung ist die Mutter der Leistungsfähigkeit und stärkt das Immunsystem“, betonte der Experte.

Bürgermeisterinnentreffen
Auch Kräuterkunde stand auf dem Programm.

Ausklang auf der Alm

Zum Ausgleich gab es danach eine Almführung. Der Tag mündete in einer gemütlichen Almjause mit Hüttenmusik. Bei gelockerter Stimmung und mental gestärkt tauschten sich die Bürgermeisterinnen über wichtige Amtsthemen wie Haftungsfragen, Flächenwidmungen und Lösungen bei Nachbarschaftquerelen aus. Gastgeberin Bürgermeisterin Waltraud Stöckl überraschte mit einer eigens kreierten Briefmarke zum Anlass des Bürgermeisterinnentreffens in St. Anton an der Jeßnitz. Als Andenken an das Treffen wurden mit den Bürgermeisterinnen außerdem Bäume am Hochbärneck gepflanzt.

Am Galaabend würdigten die Ehrengäste – Verteidigungsministerin Klaudia Tanner, NÖ-Landtagspräsident Karl Wilfing in Vertretung der Landeshauptfrau und Bauernbund-Präsident Georg Strasser – die bedeutende Rolle der Frauen in der Kommunalpolitik. Bundesministerin Karoline Edtstadler und Frauenbotschafterin Doris Schmidauer betonten in eigens dafür aufgenommenen Videobotschaften die Vorbildwirkung der Ortschefinnen als starke Frauen und dankten ihnen für ihren Einsatz für die Gemeinden.

Waltraud stöckl
Gastgeberin Waltraud Stöckl bot den Bürgermeisterinnen ein vielseitiges Rahmenprogramm für das Vernetzungstreffen.

Die beiden Vizepräsidentinnen des Gemeindebundes, Bürgermeisterin Sonja Ottenbacher und Bürgermeisterin Roswitha Glashüttner, zeigten sich erfreut über das Wiedersehen: „Es war schön, sich nach so langer Zeit wieder von Angesicht zu Angesicht austauschen zu können. Besonders gefreut hat uns, dass wir zahlreiche neue Gesichter bei unserem Treffen begrüßen durften. Der Kreis der Bürgermeisterinnen wächst stetig und der gemeinsame Austausch ermutigt uns, unsere Gemeinden mit Selbstbewusstsein anzuführen und zu gestalten.“ Sie richteten auch einen herzlichen Dank an Bürgermeisterin Waltraud Stöckl, die heuer in ihrer Gemeinde willkommen hieß.

Umfrage zeigt Bedarf bei sozialer Absicherung

Im Rahmen des Bürgermeisterinnentreffen wurden auch die Ergebnisse einer neuen Bürgermeisterinnen-Umfrage des Österreichischen Gemeindebundes präsentiert. Im Zentrum der Umfrage standen aktuelle Herausforderungen der heimischen Ortschefinnen und möglicher Verbesserungsbedarf des Bürgermeisterinnenamtes.

Als größte Herausforderung gaben die knapp hundert befragten Bürgermeisterinnen das Thema Finanzen an, dicht gefolgt vom hohen bürokratischen Aufwand sowie den Themen Bauordnung und Wohnraumschaffung. Eine sehr große Belastung für die Bürgermeisterinnen stellt außerdem das Thema Haftungen dar: Knapp drei Viertel fühlen sich durch das Damoklesschwert Haftung stark bis sehr stark beunruhigt und geben weiters an, dass Haftungsfragen in den letzten Jahren zugenommen haben.

Die Problematik der Haftung spiegelte sich auch beim Austauschtreffen in St. Anton an der Jeßnitz wieder. Vor allem das Thema Baumhaftung wurde dort umfassend diskutiert: Hier seien die Ortschefs in einer Zwickmühle. Einerseits gibt es Bürgerbewegungen gegen jeden gefällten Baum, andererseits haftet die Bürgermeisterin/der Bürgermeister für allfällige Verletzungen und Unfälle.

80 Prozent wollen Karenzregelung

Die Umfrage kam auch zu dem Ergebnis, dass nur rund 24 Prozent der Bürgermeisterinnen mit der sozialen Absicherung des Amtes zufrieden sind, die übrigen empfinden die Regelungen zu Gehaltsfortzahlung, Arbeitslosenversicherung, Pensionsversicherung und Karenz als wenig bis gar nicht zufriedenstellend. Über 80 Prozent wünschen sich eine Karenzregelung für das Amt.

„Die Umfrageergebnisse zeigen uns auf, dass es in vielen Bereichen noch Verbesserungsbedarf gibt. Wir sehen, dass es durch Themen wie Haftungsfragen oder Raumordnungsbelange zu großen Belastungen kommen kann. Umso wichtiger ist es, den regelmäßigen Austausch unter den Bürgermeisterinnen zu fördern und ihnen einen Rahmen zu bieten, sich gegenseitig zu unterstützen. Das Bürgermeisterinnentreffen darf als ein kräftiges Zeichen für mehr Frauen in der Kommunalpolitik verstanden werden. Es soll nicht nur jene Frauen unterstützen, die die wichtigen Führungsaufgaben in einer Gemeinde übernehmen, sondern soll auch andere Kommunalpolitikerinnen ermutigen, sich diese Aufgabe zuzutrauen“, sagt Gemeindebund-Präsident Bürgermeister Alfred Riedl. Der Gemeindebund will sich weiterhin für das Thema der sozialen Absicherung der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in Österreich engagieren.

Die Umfrage zeigte darüber hinaus, dass etwa die Hälfte der Befragten das Bürgermeisterinnenamt nebenberuflich ausübt - und das obwohl die Umfrage bestätigt, dass diese Tätigkeit ein Vollzeitjob ist. Mehr als die Hälfte der befragten Frauen gibt an, mehr als 41 Stunden pro Woche für ihre Gemeinde im Dienst zu sein, fast 28 Prozent der Befragten wenden bis zu 40 Stunden pro Woche für das Amt auf. Dementsprechend geben fast 80 Prozent an, dass sie über wenig bis gar keine Freizeit verfügen. Die Hälfte der befragten Bürgermeisterinnen hat außerdem Kinder im Betreuungsalter - etwa 55 Prozent von ihnen geben an, dass sie sich die Familienarbeit mit ihrem Partner teilen, gefolgt von 34 Prozent, die angeben, den größten Anteil der Familienarbeit zu übernehmen.

Hass im Netz nimmt zu

„Die Umfrage bestätigt uns, dass viele Frauen in einer kommunalen Führungsposition mit Mehrfachbelastungen zu kämpfen haben. Neben zivilem Job und Familienarbeit nimmt das Bürgermeisterinnenamt sehr viel Zeit in Anspruch.

Dazu kommt der emotionale Stress: Fast die Hälfte der Befragten gab an, in ihrer Amtszeit bereits mit persönlichen Anfeindungen oder Hass im Netz konfrontiert worden zu sein. Wenn man untereinander den wertschätzenden Umgang verliert, geht das an die Substanz. Auch deshalb ist es uns ein großes Anliegen, uns beim Bürgermeisterinnentreffen persönlich auszutauschen, zu bestärken und voneinander zu lernen“, so die beiden Gemeindebund-Vizepräsidentinnen Bürgermeisterin Sonja Ottenbacher und Bürgermeisterin Roswitha Glashüttner.

Bereits im Frühjahr fand eine gemeinsame Videokonferenz mit Frauenministerin Susanne Raab statt, für Herbst ist eine Fachtagung mit der Frauenministerin sowie Doris Schmidauer geplant. Austragungsort des nächsten Bürgermeisterinnentreffens im Jahr 2022 ist Pörtschach am Wörthersee mit Bürgermeisterin Silvia Häusl-Benz als Gastgeberin. 

199 Bürger­meis­te­rin­nen in Österreich

Derzeit gibt es österreichweit 199 Bürgermeisterinnen, die in einem engen Austausch stehen. Die meisten Ortschefinnen gibt es in NÖ (75), gefolgt von Oberösterreich (48), der Steiermark (22) und Tirol (17). Im Burgenland gibt es aktuell zwölf, in Kärnten zehn, in Salzburg neun und in Vorarlberg sechs Bürgermeisterinnen.