Gernot Blümel
Gernot Blümel: „Es können Projekte eingereicht werden, die Ende 2021 begonnen werden, also ist Geschwindigkeit nicht das entscheidende Kriterium.“

„Jede einzelne Gemeinde wird unterstützt“

31. Juli 2020
Der Staat hat beispiellose Anstrengungen unternommen, um die Auswirkungen der Covid-19-Krise abzufedern. Für die Gemeinden ist mit dem Investitionspaket eine Milliarde Euro vorgesehen, eine zweite, falls notwendig. In KOMMUNAL berichtet Finanzminister Gernot Blümel über den aktuellen Stand der Hilfen.

Herr Minister, die Gemeinden stehen durch die Corona-Krise vor großen finanziellen Herausforderungen. Ertragsanteile und Kommunalsteuern könnten um jeweils rund 10 Prozent einbrechen. Gemeinden sorgen sich vor allem um die Liquidität. Wie schätzen Sie die Situation ein und welche Empfehlungen haben Sie für die Gemeinden?

Gernot Blümel: Alle Gebietskörperschaften und Institutionen sind von Einnahmeverlusten durch die Corona-Krise betroffen. Dadurch ist mit dem Aussetzen oder dem Verschieben von Investitionsprojekten zu rechnen. Es ist jedoch wichtig, dass diese Investitionen getätigt werden, um Wertschöpfung und Arbeitsplätze in den Regionen zu schaffen und Impulse für die Wirtschaft zu setzen. Daher haben wir bereits Ende Mai eine Lösung präsentiert, um diese wichtigen Investitionen vor Ort zu ermöglichen. Klar ist auch: Jede Institution wird Corona und die wirtschaftlichen Auswirkungen spüren. Auch der Bund ist ja von Steuereinnahmen abhängig und wenn diese ausbleiben, reduzieren sich die Einnahmen von Ländern und Gemeinden. Diese Situation hat sich niemand ausgesucht, am allerwenigsten der Finanzminister.

Der Bund greift nun den Gemeinden mit dem kommunalen Investitionspaket unter die Arme. Mit dem Gemeindepaket werden kommunale Investitionen für Neu-Errichtungen, Sanierungen und Instandhaltungsmaßnahmen mit 50 Prozent der Projektkosten gefördert. Gemeinden können seit 1. Juli die Zuschüsse beantragen. Haben schon viele Gemeinden davon Gebrauch gemacht und was können Gemeinden noch tun, um ihre Projekte umzusetzen?

Mit dem Gemeindepaket in Höhe von einer Milliarde Euro ist für jede Gemeinde Österreichs eine Unterstützung vorgesehen. Die Aufteilung auf die einzelnen Gemeinden erfolgt nach einem Mischschlüssel aus Einwohnerzahl und abgestuftem Bevölkerungsschlüssel und kann bereits von den Gemeinden bei der Buchhaltungsagentur des Bundes online beantragt werden.

Bis Mitte Juli wurden bereits mehr als 180 Anträge eingereicht. Es können ja Projekte eingereicht werden, die Ende 2021 begonnen werden, also ist Geschwindigkeit nicht das entscheidende Kriterium. Zudem haben wir die Liste möglicher Projekte im Vergleich zu früheren Gemeindepaketen erweitert, das sollte bei der Identifikation möglicher Vorhaben helfen.

Es gibt ja auch vereinzelt Stimmen, die meinen, dass eine Milliarde – obwohl das viel Geld ist – zu wenig sei. Wie sehen Sie das?

Ich habe Verständnis für die budgetären Herausforderungen der Gemeinden in diesem besonderen Jahr. Die Kritiker sollten aber sehen, dass der Bund beim letzten Gemeindepaket 2017 „nur“ 175 Millionen Euro investiert hat, jetzt ist es eine Milliarde!  Zudem übernehmen wir jetzt bis zu 50 Prozent der Kosten, 2017 waren es 25 Prozent.

Was passiert, wenn die Milliarde abgerufen und aufgebraucht ist?

Die Erfahrung aus den vergangenen Jahren zeigt, dass bei diesen Paketen tendenziell Geld übrig bleibt, das letztlich wieder den Gemeinden zugutekommt. Wichtig ist aus meiner Sicht, dass jede Gemeinde einen fixen Betrag erhält, mit dem sie planen und bauen kann. Nur so können wir mit Schwung aus der Krise herausstarten.

Gernot Blümel
Finanzminister Gernot Blümel (mit KOMMUNAL): „Es können Projekte eingereicht werden, die Ende 2021 begonnen werden, also ist Geschwindigkeit nicht das entscheidende Kriterium.“ Foto: BKA

Mit dem KIG 2020 werden ja 50 Prozent der Kosten gefördert und es sind ausdrücklich auch Mehrfachförderungen möglich. Wie ist das genau zu verstehen?

Der Bund übernimmt bis zu 50 Prozent für Projekte, die im Zeitraum 1. Juni 2020 bis 31. Dezember 2021 begonnen werden oder bereits ab 1. Juni 2019 begonnen wurden, wenn die Finanzierung aufgrund der Mindereinnahmen als Folge der Corona-Krise nicht mehr möglich ist. Zusätzlich zu diesem Zuschuss des Bundes können die Gemeinden auch durch die Länder oder durch andere Förderungen unterstützt werden. Es gibt ja bereits entsprechende Programme auf Länderebene.

In ganz Österreich sehen wir unterschiedliche Strukturen, wenn wir etwa den ländlichen Raum und die urbaneren Gebiete vergleichen. Wie antworten Sie auf die unterschiedlichen finanziellen Herausforderungen? Kann man es überhaupt allen recht machen?

Daher ist die Aufschlüsselung, wie viel Geld jede Gemeinde bzw. jede Stadt bekommt, sehr wichtig. Das basiert auf dem 2017 ausverhandelten Schlüssel. Es ist eine Mischung aus abgestuftem Bevölkerungsschlüssel und der Einwohnerzahl und daraus lässt sich auch genau errechnen, wie viel jede Stadt und jede Gemeinde an zusätzlichen Mitteln zur Verfügung gestellt bekommt. Jeder Gemeinde steht ein fix definierter Betrag zwischen rund 5.000 und 240 Millionen Euro zur Verfügung.

Was wirbei der Recherche nicht gefunden haben, sind Fördermöglichkeiten für Investitionen zur akuten Linderung von Klimaauswirkungen. Kann sich eine Gemeinde auch die Installation eines sogenannten „Cooling-Points“, wie sie derzeit vor allem in Wien errichtet werden, fördern lassen?

Solche Investitionen könnten beispielsweise im Rahmen der Ortskernattraktivierung erfasst sein. Das hängt aber von der konkreten Form des Projekts ab. Grundsätzlich sind Investitionen in klimaschützende und ökologische Maßnahmen im Förderkatalog explizit enthalten. 

Wenn wir schon dabei sind: Aus Sicht der Gemeinden und Länder sollte ja der bestehende Finanzausgleich um zwei Jahre verlängert werden. Wie sehen Sie dieses Thema?

Von Seiten der Länder wurde vorgeschlagen, aufgrund der Covid-19-Pandemie den Finanzausgleich um zwei Jahre bis Ende 2023 zu verlängern. Dieser Vorschlag wird mit den Finanzausgleichspartnern zu diskutieren sein. 

Immer wieder bemängelt wird das System der Transferzahlungen vom Bund zu Ländern zu Gemeinden und vice versa und die Bürokratie, die damit zusammenhängt. Sollte man die derzeitige Ausnahmesituation nicht gleich nutzen, um ein ineffizientes System zu reformieren?

Da die laufende Finanzausgleichsperiode ohne Verlängerung mit Ablauf des Jahres 2021 endet und die Finanzausgleichsverhandlungen noch nicht begonnen haben, kann den Verhandlungen – und noch weniger deren Ergebnissen – nicht vorgegriffen werden. Generell hat die Krise gezeigt, dass unser föderales System deutliche Vorteile hat – schauen Sie nach Frankreich, das ist ein zentral geführter Staat und deswegen hat die Umsetzung der Maßnahmen nicht automatisch besser funktioniert.