Im Blick
Ist bei Finanzen eine strukturelle Wende im Anrollen?
Die prognostizierten Entwicklungen verdeutlichen eine zunehmende Kluft zwischen Einnahmen und Ausgaben, was die Gemeinden vor das Problem stellt, sich einerseits ihre finanziellen Spielräume zu bewahren und andererseits gezielte Maßnahmen zur Sicherung der kommunalen Daseinsvorsorge zu ergreifen.
Steigende Ausgaben und sinkende Einnahmen belasten den Gemeindehaushalt
Die gegenwärtigen Herausforderungen zwingen zu einer kritischen Betrachtung der langfristigen Finanzierungsfähigkeit der Gemeinden. Prognosen zeigen, dass sich die Einnahmen-Ausgaben-Schere der Gemeinden in den kommenden Jahren weiter öffnen wird. Einnahmenseitig ist dies vor allem auf nur marginal steigende Ertragsanteile zurückzuführen.
Ausgabenseitig schlagen sich diverse inflationsbedingte Mehrkosten negativ nieder. Die Erhöhung der Gehälter im öffentlichen Dienst, ein erhöhter Personalbedarf (z.B. in der Kinderbetreuung), inflationsbedingte Sachkostensteigerungen und ein hohes Zinsniveau sind hier maßgebliche Größen. Auch durch Transfers bzw. Umlagen an die Länder wie beispielsweise die Sozialhilfeumlagen, Krankenanstaltenumlagen oder Landesumlagen verbleiben den Gemeinden weniger finanzielle Mittel für die kommunale Daseinsvorsorge.
Die laufenden Ausgaben werden mit sieben bis acht Prozent deutlich stärker ansteigen als die laufenden Einnahmen, für die ein Anstieg von nur drei bis vier Prozent prognostiziert wird. Die Entwicklungen resultieren darin, dass Überschüsse der operativen Gebarung weiter sinken – wenn sie überhaupt noch gegeben sind – und die Anzahl der Abgangsgemeinden durch eine zunehmend sinkende finanzielle Handlungsmasse steigt. Auch der Finanzausgleich allein reicht nicht aus, um einem starken Haushaltsdefizit wirksam gegenzusteuern.
Die zunehmenden Ausgaben erfordern auch eine gründliche Überprüfung von Anschubfinanzierungen. Insbesondere bei Fördermodellen mit einem festgelegten Maximalbetrag besteht die Gefahr, dass etwaige Kostensteigerungen nicht angemessen abgedeckt werden können und somit von den Gemeinden und Städten selbst getragen werden müssen. Auch Szenarien wie eine Verzögerung oder der Wegfall der Fördermittel sollten mitbedacht werden. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, den tatsächlichen Bedarf für die damit verbundenen Investitionen genau zu bewerten.
Investitionsdringlichkeit bei eingeschränkten finanziellen Spielräumen
In Anbetracht aktueller Trends und Entwicklungen sind Investitionen für die Gemeinden unerlässlich: Zum Beispiel Investitionen im Bereich Digitalisierung, zur Anpassung an den Klimawandel und an die Energiewende, zum Ausbau der Bildungs- und Sozialinfrastruktur sowie zur lokalen Wirtschaftsförderung.
Ein Blick auf die Entwicklung der öffentlichen Sparquote - ein wichtiger Indikator dafür, wie viel Spielraum eine Gemeinde hat, um Überschüsse in der operativen Gebarung zu erzielen und diese für Investitionen zu nutzen - legt jedoch eine Lücke offen.
Die prognostizierte öffentliche Sparquote (Überschuss der operativen Gebarung) wird auf rund acht bis neun Prozent sinken, was unter der erforderlichen Sparquote liegt, und zur Folge hat, dass Investitionsspielräume schmelzen und Prioritäten gesetzt werden müssen.
Instrumente wie beispielsweise (Zweck-)Zuschüsse des Bunds werden dadurch wichtiger denn je. Durch das Kommunalinvestitionsgesetz 2023 unterstützt der Bund kommunale Investitionszuschüsse mit insgesamt einer Milliarde Euro für die Jahre 2023 und 2024. Die eine Hälfte ist für Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz sowie zum Umstieg auf erneuerbare Energieträger und die andere Hälfte für Investitionsprojekte, die an die Kriterien des Kommunalinvestitionsgesetzes 2020 angelehnt sind, vorgesehen. Anträge können noch bis Ende dieses Jahres für Projekte, die bis 31. Dezember 2025 begonnen werden, eingereicht werden.
Eine strukturelle Wende erfordert strategische Maßnahmen
Bei den aufgezeigten Herausforderungen handelt es sich nicht um kurzfristige Trends, sondern um eine strukturelle Wende, die den öffentlichen Sektor in den nächsten Jahren weiterhin beschäftigen wird.
Österreichischen Gemeinden werden kurz-, mittel- sowie langfristig weniger finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, während der Bedarf an Investitionen steigt. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen ist es von entscheidender Bedeutung, dass Gemeinden nicht nur auf (Zweck-)Zuschüsse des Bundes oder „bessere“ Zeiten setzen, sondern eine proaktive und strategische Herangehensweise entwickeln. Gezielte Maßnahmen sind erforderlich, um Finanzierungsspielräume zu schaffen und notwendige Zukunftsinvestitionen tätigen zu können.
Aufgaben und Tätigkeiten der Gemeinde hinterfragen
In diesem Kontext erweist sich die Aufgabenkritik als wirkungsvolles Instrument. Diese besteht darin, alle Aufgaben und Tätigkeiten einer Gemeinde kritisch zu hinterfragen, um Aufgaben zu identifizieren, für die keine (ausreichende) Notwendigkeit einer Wahrnehmung durch die öffentliche Hand mehr besteht.
Zusätzlich erfolgt eine Durchleuchtung des Prozesses zur Aufgabenerbringung, d.h. es wird geprüft, ob die Art der Aufgabendurchführung sinnvoll und effizient ist. Diese Vorgehensweise berücksichtigt sowohl die strategisch-politische Dimension der Effektivität als auch die Frage der Effizienz. Die wesentlichen Entscheidungsfragen in diesem Zusammenhang lauten:
- Welche Leistungen/Aufgaben sollen künftig in welchem Umfang,
- in welcher Qualität,
- für welche Zielgruppen erbracht werden?
Das Ziel ist es, diejenigen Aufgaben zu identifizieren, die entweder reduziert, eliminiert oder effizienter gestaltet werden können, um Ressourcen (monetäre Mittel) freizusetzen. Erfahrungsgemäß hat jede Gemeinde Potenzial und somit die Möglichkeit, Effekte für einen nachhaltig ausgeglichenen Haushalt zu erzielen.
Die zunehmende Verantwortung der Gemeinden als Mitgestalter von Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft erfordert eine strategische und proaktive Herangehensweise, um langfristige Investitionen und die Finanzierbarkeit der kommunalen Daseinsvorsorge sicherzustellen. Angesichts der gegenwärtigen Herausforderungen ist es entscheidend, dass Gemeinden gezielte Maßnahmen ergreifen, um auf den in vielen Fällen angespannten Gemeindehaushalt zu reagieren und ihre finanziellen Spielräume zu sichern.