Beate Meinl-Reisinger
Beate Meinl-Reisinger: "Österreich hat als Wirtschaftsstandort in den letzten Jahren konsequent an Attraktivität verloren."

"Wir fordern volle Autonomie für Schulen"

Die Diskussion rund um den Klimaschutz beschäftigt die Innenpolitik seit Monaten und ist auch ein wichtiges Thema für die Nationalratswahl. Wie sehen Ihre Pläne in Sachen Klimaschutz aus?

  • Wir treten für eine aufkommensneutrale CO2-Steuer ein. Das bedeutet: Steuern auf Arbeit radikal senken und Umweltverschmutzung belasten. Das ist der fairste und effizienteste Weg, um die Emission von Treibhausgasen zu verringern und schafft Anreize für klimafreundliche Innovationen und Investitionen.
  • Durch Einführung von Klimabudgets schaffen wir auf allen politischen Ebenen einen effektiven und transparenten Klimaschutz mit klaren politischen Verantwortlichkeiten.
  • Mit einem neuen Erneuerbaren Ausbau Gesetz (EAG) werden wir das Fördersystem effizienter und effektiver gestalten, den Ausbau erneuerbare Energieträger vorantreiben und in einen transparenten, stabilen und nachhaltigen Energiemarkt integrieren.
  • Durch eine Reform der Raumordnung wollen wir der Zersiedelung und dem Zubetonieren einen Riegel vorschieben, Naturraum schützen, Verkehr effizienter planen und den Klimaschutz vorantreiben.
  • Wir wollen die Abschaffung umweltschädlicher Subventionen - gut fürs Klima und fürs Budget.
  • Und letztlich im Verkehr: Ausbau der Öffi-, Fahrrad- und Fußgängerinfrastruktur.

Welche Maßnahmen planen Sie, um den ländlichen Raum zu stärken?

Österreich hat generell als Wirtschaftsstandort in den letzten Jahren konsequent an Attraktivität verloren. Die Steuer- und Abgabenquote ist im europäischen Vergleich unverhältnismäßig hoch und die Bürokratie überwuchert das Unternehmertum.
Setzt man in diesen Bereichen an, profitiert der Wirtschaftsstandort Österreich insgesamt, im Speziellen aber auch der ländliche Raum. Hier wollen wir auch insbesondere durch infrastrukturelle Impulse Verbesserungen erreichen, sowohl beim Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel, als auch der digitalen Infrastruktur. Wir müssen Innovation fördern um auch im ländlichen Bereich verstärkt gute Arbeitsplätze zu schaffen. Und ja, wir brauchen letztlich auch einen breiten Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen. 

Ultraschnelle Glasfaserinternetverbindungen sind die Autobahnen von Morgen: Wie wollen Sie den flächendeckenden Ausbau sicherstellen und angehen?

Es braucht einen schnelleren Ausbau, vor allem in den derzeit unterversorgten Regionen, damit auch der ländliche Raum davon profitiert. Darüber hinaus fordern wir den Ausbau eines gesamtstaatlichen Lage- und Informationszentrums, das Gefährdungen und Risiken der kritischen Infrastruktur rasch erkennt und ihre Widerstandsfähigkeit erhöht.

Der Ausbau der digitalen Infrastruktur soll Innovationen in allen Regionen fördern. Im nächsten Budget soll die Förderung von Digitalisierungsmaßnahmen und Innovationen zur regionalen Entwicklung verstärkt Niederschlag finden. Damit alle Regionen gleichermaßen von der Digitalisierung profitieren, braucht es eine flächendeckende Verfügbarkeit von ultraschnellen Internetzugängen in ganz Österreich. 

Welche Maßnahmen wollen Sie setzen, um gegen den Ärztemangel anzukämpfen?

Da die von den Kammern (AK, WK, LK) geführten Kassen bei ihre Kernaufgabe - die Stellenplanung - vernachlässigt haben, fordern NEOS, dass die Kassen künftig Honorare bei Privatärzten zur Gänze übernehmen müssen, wenn im Heimatbezirk in einem angemessenen Zeitraum kein Termin bei einem Vertragsarzt frei ist.

Darüber hinaus möchten wir Umschichtungen von Mitteln aus den Krankenhausbereich in den wohnortnäheren niedergelassenen Bereich und einen flächendeckenden Ausbau der Primärversorgung, also einen stärkere Zusammenarbeit der niedergelassenen Gesundheitsberufe.  

Die Reform der Pflege beschäftigt die Politik seit Jahren. Auch die Gemeinden sind gefordert, da sie einen wesentlichen Organisations- und Finanzierungsbeitrag leisten. Wie sehen Sie die Pflege der Zukunft?

Die Finanzierung muss deutlich vereinfacht werden. Wir setzen weiterhin auf das steuerfinanzierte Pflegegeld, ergänzt um eine individuelle, präventionsbasierte Pflegeversicherung, die im Nicht-Pflegefall als Zusatzpension ausbezahlt wird. 

Stichwort Bildung: Der Gemeindebund fordert– untermauert durch ein Gutachten – eine Aufgaben- und Kompetenzentflechtung im Bildungssystem und wünscht sich, dass das Personal in einer Hand vereint ist. Wie sieht für Sie das Bildungssystem der Zukunft aus?  

Ja, die Aufgaben- und Kompetenzentflechtung in Österreichs Schulwesen ist kontraprduktiv. Wir wollen den Schulleitungen sowie den Pädagog_innen die Freiheit und Verantwortung zur eigenen Umsetzung und Gestaltung geben. Die Politik soll sich auf transparente sowie verlässliche rechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen konzentrieren.

Wir verlangen die volle personelle, finanzielle und pädagogische Autonomie für Schulen. Pädagogische Autonomie bedeutet, dass es entlang dem Motto „gemeinsames Ziel, vielfältige Wege“ einen einheitlichen Rahmen für alle Schulen gibt.

Die Schulen haben die Möglichkeit, eigene pädagogische und didaktische Wege zu gehen und praxistaugliche Antworten für die jeweiligen Herausforderungen zu finden. Ziel ist die „Mittlere Reife“. Sie definiert, was Jugendliche mit 15 können sollen. Finanzielle Autonomie bringt die freie Schulwahl ohne Schulgeld. Privatschulen erhalten die gleiche Finanzierung wie öffentliche, solange sie sich zur Gemeinnützigkeit verpflichten und kein Schulgeld verlangen. Jeder Schulstandort bekommt sein eigenes Budget in Form einer Pro-Kopf-Finanzierung.

Wir fördern die chancengerechte gesellschaftliche Durchmischung an Schulen mit zusätzlichen finanziellen Mitteln („Chancenbonus“) und stärken periphere Schulstandorte. Personelle Autonomie legt die Auswahl und Führung des Personals in die Verantwortung der Schulleitung. Diese ist als Führungskraft neu zu denken und wird maßgeblich durch Mitsprache des Schulgemeinschaftsausschusses vor Ort auf Zeit bestellt. Die Anstellung der Pädagog_innen erfolgt direkt an der Schule bzw. der Trägerorganisation.

In vielen Gemeinden wird es immer schwieriger, geeignete Menschen zur Kandidatur für den Gemeinderat oder das Bürgermeisteramt zu gewinnen. Welche Ansätze haben Sie, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken?

Die politischen Entscheidungsträger erleben auf dieser Ebene die größte Nähe zum Bürger und nehmen eine zentrale Rolle im gesellschaftlichen Leben der Menschen ein. Einerseits liegt es natürlich an der Wichtigkeit der Parteien in Österreich. Das wollen wir NEOS ändern, wir sind eine offene Bewegung.

Aber auch die technischen Gründe gehören beseitigt. In Österreich ist es notwendig in einer Gemeinde wohnhaft zu sein, um dort auch Bürgermeister_in zu werden. In anderen Ländern ist es normal, dass man auch in anderen Gemeinden als Bürgermeister kandidieren kann und es so eine Professionalisierung des Bürgermeisteramtes gibt. Wir setzen uns (so z. B. erst kürzlich im Salzburger Landtag) für Schulungen für Gemeinderäte ein.

Was bedeutet „Gemeinde“ für Sie ganz persönlich?

Gemeinde bedeutet für mich Gemeinschaft.