Wasserturm in Wr. Neustadt
Der Wasserturm, das Wahrzeichen von Wiener Neustadt.
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Wiener Neustadt - Neue Wege für die „Allzeit Getreue“

1192 wurde Wiener Neustadt – damals „neuenstat“ – vom Babenberger-Herzog Leopold V. als Bollwerk gegen die Ungarn gegründet. Bezahlt wurde die Errichtung der Stadt großteils aus dem Lösegeld für den englischen König Richard Löwenherz.

Wiener Neustadt hat in seiner fast tausendjährigen Geschichte so manche wilde Zeit erlebt und überstanden. Kriege, Belagerungen und zum Schluss im Zweiten Weltkrieg massivste Zerstörungen – die Stadt hat alles überlebt und ist wie der Phönix aus der Asche wieder erstanden. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts hatte Wiener Neustadt mit einer ganz anders gearteten Bedrohung zu kämpfen: Der Schuldenberg war so hoch geworden, dass die Zahlungsunfähigkeit drohte.

2015 erster schwarzer Bürgermeister

Nach der Gemeinderatswahl 2015 wurde mit Klaus Schneeberger erstmals ein Vertreter der ÖVP Bürgermeister. Und er war der Erste, der dem Finanzproblem auf eine neue Art und Weise zu Leibe rückte.

Unmittelbar nach der Wahl wurde in einem Kassasturz die tatsächliche Schuldenlast ermittelt. „Fakt ist: Wir müssen ab sofort jährlich rund 15 Millionen Euro einsparen“, brachte es Finanzstadtrat Christian Stocker nach dem Kassasturz auf den Punkt. „Wenn wir nicht gegensteuern, dann ist Wiener Neustadt am 31. März 2016 nicht mehr zahlungsfähig!“

Kasematten
Jahrzehntelang lag die südwestliche Eckbastion der alten Stadtbefestigungen unter der Erde. Ausgrabungen förderten die historischen Mauern in den 1990ern zutage. Diese historischen Kasematten wurden für die NÖ Landesausstellung 2019 „Welt in Bewegung!“ vom Land Niederösterreich revitalisiert und samt der Neuen Bastei der Bevölkerung zugänglich gemacht.

Der „Kassasturz“ hatte gezeigt, so Stocker, dass den folgenden Jahren potenzielle Haushaltsabgängen von 14,722 Millionen (2015), 18,467 Millionen (2016), 20,849 Millionen (2017), 17,975 Millionen (2018) sowie 21,602 Millionen Euro (2019) zu erwarten wären, wenn keine Maßnahmen ergriffen würden.

Der bewertete Schulden- und Haftungsstand betrug 2015 bereits 237,57 Prozent des ordentlichen Budgets 2015. Was unter dem Strich bedeutete, dass die kumulierten Schulden und Haftungen der Stadt um mehr als das Doppelte höher waren als die gesamte Budgetsumme des Jahres 2015.Für Wiener Neustadt hieß dies, dass dies Stadt ohne Gegensteuern spätestens Ende März 2016 zahlungsunfähig wäre, da zu diesem Zeitpunkt auch zugesagte Kassenkredite ausliefen und keine weiteren Eigenmittel vorhanden waren.

Der Rechnungshof erarbeitete 105 Maßnahmen – diese reichten von Verkauf von Liegenschaften und Auslagerungen bis hin zur Streichung von Gehaltserhöhungen –, die es der Stadt ermöglichen sollten, sich aus diesem Teufelskreis zu befreien.

Schulterschluss in Zeiten höchster Not

Mit Hilfe eines externen Beraters (die Kosten dafür übernahm das Land) und unter Einbindung aller Beteiligten (Mitarbeiter/innen, Bürger/innen), wurden erfolgverspechende Potenziale erhoben.

Schnell ergaben sich einige Handlungsfelder:

  • Das städtische Pflegeheim wurde mitsamt der rund 120 Mitarbeiter/innen an einen externen Betreiber ausgelagert.
  • Für die höheren Schulen wurden von Bund und Land höhere Förderungen zugesagt, die Elternvertreter stimmten höheren Beiträgen zu.
  • Die verbleibenden rund 900 Mitarbeiter/innen stimmten einem Aussetzen der jährlichen Vorrückungen zu (ausgenommen waren hier die niedrigsten Einkommensklassen).

Diese und zahlreiche andere Schritte haben dazu geführt, dass Wiener Neustadt von den 105 empfohlenen Maßnahmen des Rechnungshofs zum heutigen Tag rund 100 abgearbeitet hat.

Noch ein Effekt: Bis zum heutigen Tag entscheidet der Bürgermeister persönlich über alle Ausgaben, die 1500 Euro  überschreiten. „Und oft genug schmeißt er Budgets zurück“, wird berichtet.

Stadtmauer
Die restaurierte Stadtmauer.

Als wären die Finanzen nicht genug, steht Wiener Neustadt vor weiteren Herausforderungen: Die Innenstadt droht auszutrocknen – Grund dürften die beiden Einkaufszentren am westlichen und östlichen Stadtrand sein. Trotz Renovierung und Gestaltung von mehreren Fußgängerzonen schließen immer mehr Geschäfte. Potenzielle Besucher wie die Studierenden der Fachhochschule und die Mitarbeiter/innen der MedAustron frequentieren die Innenstadt nur spärlich.

Ein neues Verkehrskonzept, die Ansiedlung des FH-Campus im Zentrum sowie ein Stadtentwicklungsplan und ein Tourismuskonzept sollen helfen, das zu ändern.