Stefan Klammer
Stefan Klammer: „Wenn man das Bürgermeisteramt übernimmt, muss man auf gewisse Art und Weise Idealist sein.“

„Wegen des Geldes macht man’s nicht“

Neidling ist eine Marktgemeinde mit rund 1.500 Einwohnern, die auf elf Ortschaften verteilt das Gemeindegebiet am Rande des Dunkelsteiner Waldes bevölkern. Auf einem Ausläufer desselben thront das Schloss Goldegg, das in jüngster Zeit mit seinem schmucken Golfplatz überregionales Interesse fand. Im Südosten grenzt Neidling direkt an St. Pölten. Zwischen der Ortstafel der ihr nächstgelegenen Katastralgemeinde und der Landeshauptstadt liegen nur gut 1000 Meter Luftlinie.

Neidling
Neidling aus der Vogelperspektive: Die Marktgemeinde wächst. Aktuell errichtet die Gedesag Wohnungen und Doppelhaushälften. Auch im Bereich Einfamilienhäuser herrscht aktuell rege Bautätigkeit.

An der Spitze der Gemeinde steht der jüngste Bürgermeister Niederösterreichs, Stefan Klammer. In Neidling fällt das aber nicht allzu sehr auf, denn mit seinem jugendlichen Elan ist er nicht allein: „Ich bin mit 25 Jahren der Bürgermeister, ein geschäftsführender Gemeinderat ist 24 Jahre alt, unser zukünftiger ÖAAB-Obmann ist 23. Im Gemeinderat allein sind vier Personen jünger als ich. Das ganze Team ist sehr jung und auch bei der SPÖ sind Junge nachgekommen. Das bringt frischen Wind rein, wird von der Bevölkerung sehr geschätzt und total gut angenommen.

Schloss Goldegg
Der Schlossgarten von Schloss Goldegg gilt als ein Hauptbeispiel niederösterreichischer Gartenkunst. Mit dem Goldegger Bach und anderen Wasserläufen, mehreren Brücken, Teich und Insel ist er eine idyllische Umgebung für den beliebten Golfplatz. Foto: Manfred Kuzel - CC BY-SA 3.0

Schon früh engagiert

Stefan Klammer war schon immer einer, der gerne Verantwortung übernommen hat. In der Schule bereits Klassensprecher, war er während des Heeresersatzdienstes auch der Sprecher der Zivildiener. Mit 21 Jahren war er dann der Parteiobmann in der Gemeinde. Was ihn dazu motiviert hat?

„Immer nur zu sagen: ,Das ist schlecht, das gehört geändert‘, ist leicht. Mich reizt einfach, dass ich aktiv mitbestimmen und versuchen kann, es besser zu machen. Ich arbeite auch immer an mir, damit ich mich selbst stetig verbessere. Selbst wenn alles gut läuft, gibt es immer etwas, wo man noch nachschärfen kann.“

Von wem er das hat? „Von meinem Vater. Der ist in der Pfarre sehr verwurzelt und hat dort schon, seit ich denken kann, Funktionen übernommen. Und auch ich möchte der Gesellschaft etwas zurückgeben. Wenn man das Bürgermeisteramt übernimmt, muss man auf eine gewisse Art und Weise Idealist sein, denn wegen des Geldes macht man’s nicht.“

Auch Stefan Klammer war im Pfarrgemeinderat und im Pfarrvorstand und half seit seiner Kindheit  bei allen Festivitäten mit, die es in der Gemeinde gibt. Vielleicht kam sein Amtsvorgänger deshalb bei einem Frühjahrsempfang auf ihn zu und fragte ihn, ob er nicht für ihn auf der Gemeinderatsliste kandidieren möchte.

Auch beruflich bei der ÖVP

„Ich habe gleich zugesagt und stand 2015 bei der Gemeinderatswahl gleich auf Platz vier der Liste.“ Im Juli 2015 wurde er Parteiobmann der Neidlinger ÖVP. Klammer ging zur JVP und arbeitete sich in die Materie weiter ein. Schlussendlich begann er 2016 auch beruflich für die ÖVP im Haus 2.1 in St. Pölten zu arbeiten:

„Über  die Monate hinweg habe ich immer mehr Aufgaben dazubekommen, aber ich beschwere mich nicht. Wenn man sich etwas vornimmt, wird es meistens eh nix, wenn hingegen eine Chance kommt, muss man entweder Ja oder Nein sagen, und ich hab halt immer Ja gesagt“, lacht Klammer. Nach wie vor ist er für 20 Stunden pro Woche bei der Volkspartei Niederösterreich angestellt und arbeitet als Assistent im Bezirksbüro. Dazu pendelt er zwischen Neidling und St. Pölten hin und her. „Das war insbesondere im ersten halben bis Dreiviertel-Jahr sehr schwierig. 

Große Verantwortung machte Schwierigkeiten

Gar nicht so einfach war für Klammer zu Beginn auch die Sache mit der Verantwortung: „Es war machbar, aber schwierig“, erinnert er sich und hat ein aktuelles Beispiel parat:

„Heute hat man es beim Winterdienst gesehen. Man wird von diversen Leuten angerufen und alle beschweren sich, dass bei ihnen in der Straße noch nicht geräumt ist. Das Amt ist so vielseitig und umfasst so viele Aufgaben, dass man sich der Verantwortung zuvor gar nicht bewusst ist: von der Feuerwehrerhaltung über Winterdienst bis hin zu Grenzstreitigkeiten zwischen Privatpersonen, in die man eigentlich gar nicht mit hineingezogen werden möchte. Für mich war es anfangs wirklich schwierig.“  

Gutes Verhältnis zu den anderen Parteien

Zum politischen Mitbewerb pflegt Klammer ein konstruktives Verhältnis: „Ich schau auch, dass ich mit den anderen Parteien rede und man vorab alles bespricht. Nicht, dass es dann bei Abstimmungen zu bösen Überraschungen kommt. Früher war das vielleicht anders, aber heute geht es meiner Meinung nach in der Gemeinde nur so – mit vielen Gesprächen und breitem Konsens.“

Projekte in der Pipeline

Einen starken Rückhalt kann Klammer gut gebrauchen, denn in der Gemeinde stehen einige Projekte an. So soll zum Beispiel ein neues Gemeindezentrum gebaut werden, „in dem sowohl die ärztliche Versorgung  Platz findet als auch unser Hofladen. Weiters müssen wir Gemeindestraßen sanieren, ebenso stehen Arbeiten am Kanal und an den Wasserleitungen an. Und Lichtwellenleiter sollten auch verlegt werden. Teilweise haben wir das schon gemacht. Überall dort, wo die Künette offen ist, verlegen wir sowieso jetzt schon eine Leerverrohrung.“

Kindergarten Neidling
Gemeindeprojekt erfolgreich abgeschlossen: Neidling eröffnete im vergangenen November einen topmodernen und großzügigen Kindergarten.

Die Umstellung auf die VRV haben die Neidlinger noch nicht ganz hinter sich gebracht. Die Straßen haben sie zwar bewertet, hatten aber so ihre liebe Mühe damit. Doch nicht zuletzt wegen der Wahl stand zuletzt etwas anderes im Vordergrund.

„Wir müssen sowieso einen Nachtragsvoranschlag machen - anders geht’s bei uns nicht“, konstatiert Klammer nüchtern.

Für den Klimaschutz ist das Neidlinger Naturplatzerl geplant: „Das ist ein Grund, den wir für den Friedhofsparkplatz mitkaufen mussten. Da wollen wir unter Bürgerbeteiligung eine abwechslungsreiche Auswahl verschiedener heimischer Sträucher und Bäume setzen, inklusive kleinem Lehrpfad.“ Auch ein Sharing-Projekt mit Gemüsebeeten ist im Rahmen von „Gesunde Gemeinde“ angedacht, ebenso wie ein offener Bücherschrank.

Langweilig wird dem jungen Bürgermeister also bestimmt nicht. Die ein oder andere Projektidee musste er allerdings schon ad acta legen.

Bürgerbeteiligungsprojekt scheiterte

Beispielsweise ist es praktisch unmöglich, einen größeren Nahversorger in die Gemeinde zu lotsen. „Durch unsere Nähe zu St. Pölten kriegen wir keinen Supermarkt. Von sich aus hat keine der bekannten Ketten Interesse daran, eine Filiale in Neidling zu eröffnen. Aus diesem Grund haben wir in Folge probiert, ob wir mittels eines Bürgerbeteiligungsprojekts mit Bausteinverkauf erfolgreich sein können, doch das ist schließlich aus steuerlichen Gründen gescheitert.“

Anknüpfungspunkt Elternverein

Die Nähe zu St. Pölten bringt noch eine andere Herausforderung mit sich – die Integration von Zuzüglern: „Wer kein ein Kind hat, das in die Volksschule oder den Kindergarten geht, und kein Einfamilienhaus hat, sondern z. B. in einem Wohnhaus wohnt, hat oft – abgesehen vom Kontakt zum Postpartner – wenig Anknüpfungspunkte mit der Gemeinde oder anderen Bürgern. Wenn Sie hingegen ein schulpflichtiges Kind haben, ist der erste Anknüpfungspunkt der Elternverein. Dann werden auch Veranstaltungen besucht und schon ist die Integration ein bisserl leichter.“

Bekannt durch Rosenbauer

Stefan Klammer ist stolz darauf, Neidlinger zu sein, und hat seine Heimatgemeinde wirklich gern. Dennoch ist er häufig damit konfrontiert, dass  sein Gegenüber mit dem Ortsnamen nichts anfangen kann - auch unter Bürgermeister-Kollegen sei das so.

„Wenn ich aber sage, die Firma Rosenbauer ist bei uns, höre ich oft: ,Das ist doch in Afing!‘ – Stimmt, und Afing ist eine Katastralgemeinde von Neidling. Andere Bürgermeister,  die ja auch für die Feuerwehr zuständig sind, finden so meist einen Anhaltspunkt.“ Auf die Frage, ob die Gemeinde womöglich Feuerwehrfahrzeuge günstiger bekommt, lacht Klammer: „Nein, das nicht, dafür bekommen wir ihre Kommunalsteuer. Auf die verzichten wir nur ungern.“

 

Zur Person

Stefan Klammer

Alter: 25

Gemeinde: Neidling

Einwohnerzahl: 1.472  (1. Jänner 2019)

Bürgermeister seit: 2. Mai 2019

Partei: ÖVP