Kurz, Kogler, VdB - Regierungsprogramm
Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Werner Kogler bei der Angelobung durch Bundespräsident Alexander Van der Bellen.
© BKA/Dragan Tatic

Was das Regierungsprogramm für die Gemeinden bringt

Anfang Jänner präsentierte die türkis-grüne Bundesregierung ihr über 300 Seiten starkes Regierungsprogramm 2020-2024 „Aus Verantwortung für Österreich“. Eine Bestandsaufnahme ausgewählter Inhalte mit Gemeinde-Relevanz.

Auf den ersten Blick wurden im Regierungsprogramm viele Forderungen der kommunalen Ebene abgebildet, so etwa im Bereich der Pflegereform oder des Ausbaus des öffentlichen Verkehrs und der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum, längst jedoch nicht alle – so fehlen etwa die Modernisierung und rechtliche Absicherung der Grundsteuer oder auch die Schaffung von wirksamen Instrumenten gegen den „grauen Finanzausgleich“, der aus Überwälzungen neuer Aufgaben oder Erhöhungen von Anforderungen ohne vollständige Abgeltung seitens der gesetzgebenden Ebenen Bund und Länder an die Gemeinden entsteht.

Natürlich finden sich auch einige Beispiele von Überlegungen der Koalitionspartner, die aus kommunaler Sicht kritisch zu sehen oder abzulehnen sind, etwa wenn es um Fragen der kommunalen Selbstverwaltung oder der Finanzierung und Vollziehbarkeit auf Gemeindeebene geht.

Letztlich werden die in diesem Regierungsprogramm vielfach als Ziele definierten Handlungsfelder und Lösungsansätze auch erst an der Umsetzung der konkreten Maßnahmen zu messen sein – so etwa, ob man es mit der Ansiedelung von Verwaltungstätigkeiten des Bundes in strukturschwachen Regionen ernst meint.

Kompetenzbereinigung soll fortgesetzt werden

Gleich zu Beginn hält das Programm fest, dass der bereits eingeschlagene Weg einer Kompetenzbereinigung fortgesetzt werden soll. Doppelgleisigkeiten zwischen Grundsatzgesetzgebung und Ausführungsgesetzgebung sollen reduziert und klare Regelungs- und Verantwortungsstrukturen zwischen den Gebietskörperschaften geschaffen werden. Der Gemeindebund hat in der Vergangenheit immer wieder auf eine Neuordnung der Zuständigkeiten gedrängt, so etwa im Bereich der Personalverantwortlichkeiten im Schulwesen.

15a-Vertragsfähigkeit der Gemeinden soll geprüft werden

Da in der Vergangenheit immer wieder in zwischen Bund und Ländern abgeschlossenen,  sogenannten Art. 15a B-VG Vereinbarungen gemeinderelevante Regelungsinhalte getroffen wurden, ist es positiv zu werten, dass auch eine Vertragsfähigkeit der Gemeinden geprüft werden soll.

Hervorzuheben ist die vorgesehene Abschaffung der Umsatzsteuerpflicht bei Gemeindekooperationen: Diese Maßnahme entspricht einer langjährigen Forderung des Gemeindebundes.

Gemeinde­kooperationen sollen einfacher werden

Unter dem Titel „Verwaltung in die Zukunft führen“ verbergen sich zahlreiche Vorhaben, die durchwegs positiv zu werten sind. So sollen Deregulierungspotenziale gehoben, eine Bürokratiebremse eingeführt und auch Gemeinde­kooperationen vereinfacht und zugleich forciert werden.

Ebenso enthalten sind ein erleichterter Zugang zu ÖNormen für Gebietskörperschaften sowie Verfahrensbeschleunigungen und Effizienzsteigerungen bei den Verwaltungsgerichten. Zwecks Stärkung strukturschwacher Regionen ist die Prüfung einer dezentralen Ansiedelung von Verwaltungstätigkeiten des Bundes vorgesehen.

Unklarheiten über Transparenzdatenbank

Ob und inwieweit Gemeinden zukünftig Förderungen in eine alle Gebietskörperschaften übergreifende Transparenzdatenbank einmelden werden müssen, lässt sich dem Regierungsprogramm zwar nicht eindeutig entnehmen.

In einem anderen Zusammenhang wird aber davon gesprochen, dass Integrationsförderungen auch von Gemeinden in die Datenbank aufgenommen werden sollen. Der Gemeindebund hat in der Vergangenheit aber ohnedies immer wieder betont, dass die Gemeinden in diese Datenbank einmelden würden, sollten die erforderlichen Einschleifregelungen getroffen werden (so etwa eine Bagatellgrenze).

Neuerungen bei der Vergabe laut Regierungsprogramm 2020

Die neue Bundesregierung möchte eine nachhaltige öffentliche Vergabe sicherstellen – etwa im Wege verbindlicher ökosozialer Vergabekriterien. Hier wird vor allem darauf Bedacht zu nehmen sein, dass der Aufwand derartiger Best-Bieter-Vergabeverfahren gering gehalten wird und – wie ebenso vorgesehen – die Regionalität tatsächlich gestärkt wird. Zu begrüßen sind die vorgesehene Verlängerung der Schwellenwerteverordnung und die Prüfung der Anhebung der Schwellenwerte.

Noch Klärungsbedarf beim Wahlrecht

In groben Zügen wird eine Reform des Wahlrechts dargestellt. Dabei zeigt sich, dass zwar zahlreiche Vorschläge des Gemeindebundes übernommen wurden (flexiblere Regelung für gemeindeübergreifende Wahllokale und Wahlsprengel, Prüfung von elektronischen Alternativen zur physischen Auflage des Wählerverzeichnisses, Prüfung einer Verkleinerung der Wahlbehörden, einheitliche Abgeltung von Wahlbeisitzern, Einrichtung eines Pools).

Gewichtige Punkte sind jedoch nicht in das Regierungsprogramm aufgenommen worden bzw. besteht bei manchen Punkten Klärungsbedarf. So ist zwar vorgesehen, dass alle Wahlstimmen am Wahltag ausgezählt werden sollen, da aber an anderer Stelle festgehalten wird, dass auch weiterhin mittels Briefwahlkarte in einem fremden Wahllokal gewählt werden kann und die Auszählung durch die Bezirkswahlkommission erfolgen soll, erscheint ein Ergebnis bereits am Wahltag unrealistisch.

Abschaffung des Amtsgeheimnisses

Für Diskussionsstoff und intensive Verhandlungen wird die Abschaffung des Amtsgeheimnisses bzw. der Amtsverschwiegenheit sorgen. Diese soll durch eine aktive Informationsveröffentlichung und Informationsrechte mit Ausnahmen ersetzt werden.

Wenngleich Gemeinden auch mit der derzeitigen Situation nicht zufrieden sind und zunehmend im Spannungsfeld zwischen Amtsverschwiegenheit, Auskunftspflicht, Datenschutz und Transparenzpflichten stehen, muss eine gänzliche Neuregelung behutsam vorgenommen werden und die spezielle Situation der Gemeinden im Wege klarer und nachvollziehbarer Regelungen berücksichtigen.

Auch das Straf- und Zivilrecht soll Änderungen erfahren. So ist eine Evaluierung der „Baumhaftung“ sowie eine Evaluierung und Prüfung des Untreuetatbestandes vorgesehen. Hintergrund sind die zunehmenden haftungsrechtlichen Fälle, die teils absurde Ausmaße annehmen.

Leistbares Wohnen laut Regierunsprogramm 2020

Zahlreiche Maßnahmen im Regierungsprogramm befassen sich mit flächensparendem, leistbarem und zugleich ökologischem Wohnen:

  • Nachverdichtung, flächenoptimierte Bauweisen
  • Wohnbaufördermittel für umweltschonenden Bau und Sanierungen
  • Verfassungsrechtliche Regelung der Vertragsraumordnung
  • Leerstandmobilisierung

Finanzen und Finanzausgleich laut Regierungsprogramm 2020

Neben ausgeglichenen öffentlichen Haushalten steht weiterhin die Senkung der Steuer- und Abgabenquote in Richtung 40 Prozent im Fokus der Bundesregierung. Darüber hinaus bekennt sich Türkis-Grün auch zu einem Null-Defizit sowie zur weiteren Senkung der gesamtstaatlichen Schuldenquote (der Anteil der Gemeinden ohne Wien daran liegt bei gerade einmal drei Prozent).

Wiewohl sich die neue Bundesregierung auch dezidiert zum Instrument des Finanzausgleichs bekennt und höhere Mittel z. B. für den öffentlichen Verkehr in Aussicht gestellt werden, finden sich auch in diesem Regierungsprogramm wieder einige immer wiederkehrende Überlegungen der Bundesebene (z. B. die aus gutem Grund bisher gescheiterte aufgabenorientierte Verteilung von Gemeindeertragsanteilen nach statistischen Angebots- und Leistungsindikatoren), die Gemeindeautonomie zu beschneiden oder bewährte Kofinanzierungen des Bundes zu hinterfragen.

Auch die kommenden Verhandlungen zum Finanzausgleich ab 2022, die wohl in der zweiten Jahreshälfte starten dürften, werden somit wieder sehr herausfordernd sein.

Obwohl ein direkter Hinweis leider fehlt, könnte mit der Passagen „Stärkung der Steuerautonomie“ sowie „Stärkung des Eigen­anteils der Finanzierung der Gemeinden“ auch die längst überfällige Reform der Grundsteuer gemeint sein. Womit jedenfalls im Finanzausgleich zu rechnen sein wird, ist eine Integration von ökologischen Lenkungseffekten (z. B. Koppelung der Wohnbauförderung an ökologische Bauweise bzw. Sanierung).