EMIL
EMIL (für Elektromobilität im ländlichen Raum) nennen die Neuhofener nicht nur ihr Elektroauto. EMIL heißt auch der Verein, in dem Freiwillige der örtlichen Bevölkerung Fahrtendienste anbieten. Im Bild: Vereinsobmann Josef Zehetgruber, Bürgermeisterin Maria Kogler, Schirmherr LH-Stv. Stephan Pernkopf, Vereinsobmann Stv. Ulrich Gruber
© NLK Pfeiffer

Verkehr

Mobilitätslösung für die letzte Meile

Kann man am Land leben, unmotorisiert und trotzdem mobil sein? Im Mostviertel ist das vielerorts möglich, denn mit Fahrten- und Shuttlediensten helfen einander die Bürger der jeweiligen Gemeinden gegenseitig und freiwillig.

Das Problem der letzten Meile besteht, solange es Massenbeförderungsmittel gibt. Der Begriff „letzte Meile“ kommt übrigens aus dem Nachrichtenwesen und bezeichnet dort das Kupferkabel der Telefonleitung vom letzten Verteilerkasten bis zum Anschlussapparat und hat nichts mit einer Meile oder einer bestimmten Länge zu tun. Das Problem, wie Personen vom letzten „Verteilerkasten“, also der nächstgelegenen öffentlichen Haltestelle, bis zu ihrer Haustüre kommen, ist insbesondere in ländlichen Gebieten, in denen die Besiedelung dünn und/oder verstreut ist, ein Dauerthema.

Pilotversuche mit selbstfahrenden Minibussen

In den vergangenen Jahren sahen einige Kommunalpolitiker eine Lösung für dieses Problem aufkommen. Das autonome Fahren schien eine Möglichkeit zu bieten, durch den Wegfall der Personalkosten selbstfahrende Minibusse mit vertretbaren Kosten betreiben zu können. Diese Shuttles, so die Zukunftsvision, könnten mittels App geordert werden und die Fahrgäste an jedem beliebigen Punkt abholen beziehungsweise absetzen.

Etliche Pilotversuche später weiß man, dass die notwendige Technologie nach vorsichtigen Schätzungen noch 10 bis 15 Jahre brauchen wird, bis sie nach diesen Vorstellungen einsetzbar ist. Da die autonomen Gefährte jede Strecke erst zentimeterweise „einlernen“ müssen, zeigte sich einerseits, dass zwar fixe Routen, wie bei einem Liniendienst, abgefahren, aber keine individuellen Ziele angesteuert werden können.   

Andererseits fuhr aus Sicherheitsgründen dennoch bei jeder Fahrt ein menschlicher „Operator“ mit, der in einem Problemfall manuell eingreifen konnte. Damit waren auch die Einsparungen beim Personaleinsatz obsolet. 

Mobilität für Jung und Alt

Die Gemeinden suchen daher nach anderen Wegen, ihrer Bevölkerung zu einem Mehr an Mobilität zu verhelfen, insbesondere jenen, die gar nicht in der Lage sind, sich selbst zu motorisieren, wie beispielsweise Kinder oder Personen, die das aus gesundheitlichen oder Altersgründen nicht (mehr) können.

Etliche Kommunen besitzen Car-Sharing-Angebote für ihre Bürger, in der Regel mit Elektroautos. Um auch jene Menschen zu befördern, die nicht selbst fahren können, haben sich im Lauf der Zeit in immer mehr Gemeinden Fahrtendienste etabliert. Freiwillige Helfer betätigen sich dabei als Chauffeure und bringen die Fahrgäste von A nach B, wie zum Beispiel im niederösterreichischen Neuhofen an der Ybbs. 

Projekt EMIL
Für das Projekt EMIL hat die Gemeinde Nuehofen ein Elektroauto angeschafft, weil sie vorsteuerabzugsberechtigt ist.

Maria Kogler, Bürgermeisterin von Neuhofen/Ybbs, erklärt gegenüber KOMMUNAL, wie das Projekt namens EMIL (für Elektromobilität im ländlichen Raum) umgesetzt wurde: „Das Elektroauto, einen Renault ZOE, haben wir als Gemeinde angeschafft, weil wir vorsteuerabzugsberechtigt sind. Dann wurde ein Verein gegründet, der die Fahrtendienste organisiert.“ 

„Die Chauffeure, oft Pensionisten, machen das freiwillig und bekommen nichts dafür. Wer die Dienste nutzen will, muss ebenso Mitglied werden, damit er auch versichert ist. Für Erwachsene kostet das 20 Euro und für Kinder 15 Euro. Pro Fahrt zahlen Erwachsene dann nur noch zwei Euro und Kinder einen, egal wohin oder wie weit die Fahrt geht.“ Das Buchen und Reservieren erledigen die Fahrgäste über eine App.

App schon bei mehreren Gemeinden in Gebraucht

Entwickelt wurde diese im nahegelegenen Euratsfeld, wo sie zum gleichen Zweck eingesetzt wird. Über das System wird auch die Verrechnung und die Einteilung der Fahrer vorgenommen. „Die Euratsfelder haben uns das nicht nur überlassen und uns eingeschult. Mittlerweile verwenden schon mehrere Gemeinden im Bezirk Amstetten die App, beispielsweise auch Ardagger.“ 

Angefahren werden die umliegenden Gemeinden bis maximal 20 Kilometer, darunter auch Amstetten oder St. Georgen. „Viele ältere Personen werden zum Arzt geführt, weil sich dieser nicht direkt im Ort befindet, oder zu Therapien. Und natürlich werden sie auch wieder abgeholt.“

„Manche Kinder gehen in eine Ganztagsschule. Die werden abgeholt, wenn sie länger auf den Zug warten müssten, denn das ist bei uns eine umständliche Verbindung“, beschreibt Maria Kogler die typischen Fahrgäste. Auch der Bahnhof sei natürlich ein beliebtes Ziel. Im benachbarten Winklarn habe man übrigens ebenfalls einen Fahrtendienst und einen kleinen Bus angeschafft. Der bringt die Schulkinder nach Neuhofen, da die Verbindung für sie sehr schlecht ist und sie lange warten müssen. „Früher sind alle Eltern einzeln herübergefahren, mittlerweile fährt der Bus aus Winklarn dreimal in der Früh. Mittags haben die Kinder ohnehin zu verschiedenen Zeiten aus, da verteilen sich die Fahrten mehr.“ 

Vom Mengenpensum an Fahrten und von den Kosten her geht es sich für den Verein aus. Dreißig Fahrer sind es, die von Montag bis Freitag von 7:30 Uhr bis 19:30 Uhr chauffieren. Dafür dürfen sie das Auto auch einmal über das Wochenende benutzen, wofür sie sich natürlich ebenfalls einbuchen.

Maria Kogler
Maria Kogler, Bürgermeisterin von Neuhofen an der Ybbs: „Meine Enkelkinder freuen sich immer drauf, wenn sie mitfahren dürfen. Es ist einfach eine positive Sache.“

„Wir haben das am Wochenende selbst genützt“, erzählt Kogler. „Wir haben uns ein Freibad in einer anderen Gemeinde angeschaut und sind mit dem EMIL hingefahren.“ Koglers Mann ist nämlich auch einer der Chauffeure und fährt alle zwei Wochen einen halben Tag lang. Daher weiß sie auch aus erster Hand um den sozialen Effekt des Fahrtendienstes Bescheid. „Oft erzählt mein Mann, worüber er mit den Leuten alles getratscht hat. Es gibt viele witzige Gespräche und die Kinder haben auch mal mit anderen Erwachsenen Kontakt. Meine Enkelkinder freuen sich immer drauf, wenn sie mitfahren dürfen. Es ist einfach eine positive Sache“, resümiert die Bürgermeisterin. 

Auch wenn der Fahrtendienst nicht der Weisheit letzter Schluss sein kann, wenn es um die letzte Meile geht, so zeigt sich in der Summe der Angebote, dass er ein adäquates und vor allem schon jetzt praktikables Instrument ist, um die Mobilität im ländlichen Raum zu verbessern und zu erweitern.