Für außergewöhnliche Fälle wie die Corona-Krise biete das Bundesvergabegesetz öffentlichen Stellen drei Möglichkeiten.
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Kurzfristige (Not-)Vergaben sind möglich

Beschaffungen wie zum Beispiel Produkte nach dem Arzneimittel- und Medizinproduktegesetz, Gesichtsmasken und Schutzkleidung, Seuchenteppiche, Leistungen zur Versorgung von in Quarantäne stehenden Personen und Infrastrukturleistungen unterliegen grundsätzlich dem Vergaberecht. Im Bundesvergabegesetz 2018 finden sich drei Möglichkeiten für beschleunigte Verfahren, die öffentlichen Stellen auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene in einer solchen Krisensituation eine zeitnahe (medizinische) Versorgung ermöglichen sollen.

Möglichkeit 1: Beschleunigtes Verfahren bei Dringlichkeit

§ 74 BVergG 2018 legt für Vergaben im Oberschwellenbereich fest, dass der öffentliche Auftraggeber verkürzte Fristen vorsehen kann, „sofern wegen einer vom öffentlichen Auftraggeber hinreichend begründeten Dringlichkeit die Einhaltung der Fristen […] nicht möglich ist“. Der öffentliche Auftraggeber hat dabei folgende (Mindest-)Fristen vorzusehen:

  • im offenen Verfahren eine Angebotsfrist von mindestens 15 Tagen;
  • im nicht offenen Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung und im Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung eine Teilnahmeantragsfrist von mindestens 15 Tagen und
  • im nicht offenen Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung und im Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung eine Angebotsfrist von mindestens zehn Tagen.

Die Anwendung der verkürzten Fristen setzt eine Dringlichkeit in jenem Umfang voraus, der eine Einhaltung der regulären Fristen nicht möglich macht. Eine Dringlichkeit iSd § 74 BVergG 2018 liegt demnach dann vor, wenn die Umstände für den jeweiligen Auftraggeber weder vorhersehbar waren noch seinem Verhalten zuzuschreiben sind und somit außerhalb seines Wirkungsbereichs liegen. Dies ist bei der auch für Fachleute nicht ausreichend vorhersehbaren Ausbreitung einer hochinfektiösen Krankheit wohl der Fall.

Möglichkeit 2: Verkürzung der Teilnahmeantrags- und Angebotsfrist im Unterschwellenbereich

Der öffentliche Auftraggeber kann im Unterschwellenbereich nach § 77 BVergG 2018 die regulären Teilnahmeantrags- und Angebotsfristen „in besonders begründeten Fällen, insbesondere aus Gründen der Dringlichkeit, bei Bekanntmachung einer Vorinformation gemäß § 65 Abs 1 sowie bei Lieferaufträgen über Waren mit allgemein auf dem Markt verfügbaren Merkmalen“ verkürzen.

Die Gründe für eine Verkürzung der Fristen hat der öffentliche Auftraggeber schriftlich festzuhalten. Für die Beurteilung, ob bzw. in welchem Umfang eine Fristverkürzung nach § 77 BVergG 2018 angemessen ist, ist jedenfalls eine Einzelfallprüfung vorzunehmen. Auch hier wird die Inanspruchnahme dieses Tatbestandes wohl jedenfalls so lange gerechtfertigt sein, bis Fachleute einen realistischen Verlauf der Krankheit seriös abschätzen können.

Möglichkeit 3: Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung

Aufträge können in einem Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung vergeben werden, wenn „äußerst dringliche, zwingende Gründe, die nicht dem Verhalten des öffentlichen Auftraggebers zuzuschreiben sind, im Zusammenhang mit Ereignissen, die der öffentliche Auftraggeber nicht voraussehen konnte, es nicht zulassen, die […] vorgeschriebenen Fristen einzuhalten“ (§§ 35 Abs 1 Z 4, 36 Abs 1 Z 4 und 37 Abs 1 Z 4 BVergG 2018).

Bei diesem Ausnahmetatbestand handelt es sich um ein eingeschränkt transparentes Vergabeverfahren, bei dem Auftraggeber unmittelbar mit möglichen Auftragnehmern verhandeln können. Exklusivverhandlungen mit einem vorab ausgewählten Wirtschaftsteilnehmer sind jedoch ausschließlich dann möglich, wenn nur ein Wirtschaftsteilnehmer in der Lage sein wird, den Auftrag unter den durch die zwingende Dringlichkeit auferlegten technischen und zeitlichen Zwängen zu erfüllen.

Die Wahl dieser Verfahrensart ist darüber hinaus nur dann gerechtfertigt, wenn die oben angeführten Voraussetzungen kumulativ vorliegen, wobei die Beweislast für das Vorliegen dieser Kriterien derjenige trägt, der sich darauf beruft.

Unter einem Ereignis, das der öffentliche Auftraggeber nicht vorhersehen konnte, versteht man ein Ereignis, „welches das wirtschaftliche und soziale Leben erheblich beeinträchtigt“, was bei der Corona-Krise sicherlich der Fall ist.

Die Anwendung dieses Ausnahmeverfahrens ist allerdings nur für Einkäufe zulässig, die angesichts der Notsituation unmittelbar erforderlich sind. Diese Verfahrensart dient daher – im Sinne einer Übergangslösung – nur so lange zur Bedarfsdeckung, bis die Durchführung von Regelverfahren (auch unter Berücksichtigung von verkürzten Fristen!) zur Vergabe der benötigten Leistungen möglich ist.

Öffentliche Auftraggeber benötigen zur Deckung eines dringenden Bedarfs bzw. bei Aufträgen zur Versorgung und Betreuung von unmittelbar erkrankten Personen sowie bei der Verhinderung der weiteren Ausbreitung der Krankheit Flexibilität, die das Vergaberecht – wie aufgezeigt – durchaus ermöglicht. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Wahl des für die jeweilige Auftragsvergabe passenden Werkzeugs stets eine Einzelfallentscheidung darstellt, die in einem „Vergabevermerk“ zu begründen ist.