Enquete des Bundesrates zur Dezentralisierung
Die Verlagerung von Bundesbehörden könnte laut Bundesratspräsident Bader tausende Arbeitsplätze in den ländlichen Raum bringen.
© Parlamentsdirektion - Thomas Topf

Gemeinden verlangen Mitsprache bei Dezentralisierung

31. Oktober 2019
Müssen Bundesbehörden notgedrungen in Wien angesiedelt sein? Oder wäre es nicht sinnvoll, einige davon in den ländlichen Raum zu verlagern? Und welche anderen Möglichkeiten gibt es, die Regionen zu stärken und die Landflucht zu stoppen? Mit diesen Fragen befasst sich Anfang Oktober eine Enquete des Bundesrats.

Der Initiator der Parlamentarischen Enquete, Bundesratspräsident Karl Bader, sieht jedenfalls Handlungsbedarf und warnt vor einer Vernachlässigung ländlicher Gebiete.

Den ländlichen Raum als attraktiven Lebensraum zu erhalten und jungen Menschen vor Ort Perspektiven anzubieten, sei eine der zentralen Aufgaben der Politik in den nächsten Jahren, sagte er bei der Eröffnung der Enquete. Schließlich wirke sich die Abwanderung, insbesondere von jungen Frauen, negativ auf das gesamte Sozial- und Wirtschaftsgefüge im ländlichen Raum aus. „Neunzig Prozent des österreichischen Bundesgebietes ist ländlicher Raum, bewohnt wird er von zwei Drittel der österreichischen Bevölkerung. Problemstellungen ländlicher Gebiete betreffen also den Großteil der österreichischen Bevölkerung“, so Bader.

Aber nicht nur die ländlichen Gebiete, auch die urbanen Zentren müssten nach Meinung Baders größtes Interesse an vitalen Regionen haben. Würde doch massiver Zuzug die Städte überfordern und zu vielerlei Problemen führen. Zudem drohe eine Spaltung von Stadt- und Landbevölkerung, wie das Beispiel Frankreich zeige. In Spanien habe die Landflucht bewirkt, dass mittlerweile tausende Dörfer vollständig verlassen seien.

Bundesbehörden in den ländlichen Raum verlagern

Damit Menschen im ländlichen Raum bessere Zukunftsperspektiven haben, brauche es eine taugliche Infrastruktur, gute Arbeitsplätze, zeitgemäße Bildungsangebote und eine gute Gesundheitsversorgung, meinte Bader. Er setzt in diesem Sinn auf den "Masterplan ländlicher Raum“, der die Länderkammer des Parlaments ihm zufolge in den nächsten Jahren begleiten wird.

Als eine ganz konkrete Maßnahme schlägt Bader vor: Bundesbehörden in den Regionen anzusiedeln. Dadurch könnten mehrere tausend qualifizierte Arbeitsplätze in den ländlichen Raum bzw. die Bundesländer gebracht werden.

Sehr unterschiedliche Bevölkerungsentwicklung in Stadt und Land

Die demographischen Prozesse innerhalb Österreichs laufen regional sehr unterschiedlich ab, betonte Stephan Marik-Lebeck von der Statistik Austria in seinem Beitrag zum demographischen Wandel in Österreich.

Der Gegensatz zwischen Ballungsräumen und peripheren Gebieten werde anhand der unterschiedlichen Bevölkerungsstruktur sichtbar. Während sich die jüngere Bevölkerung in den Städten konzentriere und die Bevölkerungsdichte durch internationale Zuwanderung steige, verbleibe die ältere Bevölkerung überproportional in Abwanderungsgebieten. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Enquete setzten sich für den Erhalt der Infrastruktur im ländlichen Raum ein, wobei auch die Dezentralisierung von Behörden eine wichtige Rolle spiele.

Ausbau der Infrastruktur als wichtiger Faktor der Dezentralisierung

Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl nahm in seinem Statement vor allem Infrastruktur, Planungssicherheit und die kommunale Selbstverwaltung in den Fokus.

Bei der Infrastruktur nimmt er vor allem einen Nachteil für wirtschaftlich ungünstig gelegene Räume wahr. So hätten gut gelegene Bereiche von Unternehmen gute Infrastrukturen erhalten, während ungünstige Lagen nun gefördert werden müssen, um hier eine Chancengleichheit zu erlangen.

Hier braucht es für Riedl einen Strukturfonds für den Ausbau und die Sanierung von Infrastruktur. Außerdem plädierte er dafür, bei der Neuordnung von Kompetenzen, z. B. im Bildungsbereich, den Gemeinden Planungssicherheit zu bieten. Schließlich müsse es auch gelten, Gemeinden in Bereichen, in denen sie Finanzierungs- und Durchführungsverantwortung haben, auch von Anfang an mitreden zu lassen, da bei zentralen Entscheidungen seiner Ansicht nach die Chancengleichheit von Räumen zu wenig berücksichtigt wird.

Alfred Riedl
Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl: "Wir brauchen einen Strukturfonds für den Ausbau und die Sanierung von Infrastruktur."

Bundesratspräsident Karl Bader will es, wie er sagte, „nicht bei der Diskussion belassen, sondern etwas verändern.“ Er kündigte deshalb eine Gesetzesinitiative des Bundesrats an. Das Gesetz soll eine ausgewogene Verteilung der Standorte öffentlicher Einrichtungen auf ganz Österreich sicherstellen.

Prüfpflicht bei der Einrichtung neuer Bundesdienststellen gefordert

Konkret will er eine Prüfpflicht bei der Einrichtung neuer Bundesdienststellen im Hinblick auf eine faire regionale Verteilung erreichen. Bader sprach die Einladung an die Mitglieder des Bundesrats aus, die Gesetzesinitiative zu diskutieren und zu einem Beschluss zu bringen. Man müsse die Herausforderungen miteinander angehen und nicht Stadt und Land gegeneinander ausspielen, so Bader.