Zug an einem Bahnübergang
Dass der Verwaltungsgerichtshof als Höchstgericht jahrelang unrichtig entschieden hat, ist mehr als bedauerlich. Den Gemeinden wurde dadurch die Möglichkeit genommen, als Partei Einfluss auf das Verfahren und damit auch Einfluss auf die Kostentragung zu nehmen.“
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Eisenbahnkreuzungen: Kostentragung gegen Parteistellung

Jahrelang hat der Verwaltungsgerichtshof den Gemeinden die Parteistellung im Sicherungsverfahren verwehrt. Nunmehr hat der Verfassungsgerichtshof ein Machtwort gesprochen und dem Verwaltungsgerichtshof widersprochen. Neben dieser erfreulichen Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs gibt es aber auch eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, die für Kopfschütteln sorgt.

Hüter der Verfassung und der verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundrechte ist der Verfassungsgerichtshof. Seit vielen Jahren sind Gemeinden überzeugt davon, dass ihnen im Verfahren über die Sicherung von Eisenbahnkreuzungen Parteistellung eingeräumt werden müsste – letztlich sieht das Eisenbahngesetz eine Pflicht der Gemeinden (Träger der Straßenbaulast) vor, anteilig Kosten der im Sicherungsverfahren angeordneten Maßnahmen zu tragen. Zahlreiche Gemeinden hatten in der Vergangenheit versucht, die Parteistellung durchzusetzen, sind aber beim Verwaltungsgerichtshof gescheitert, der eine Parteistellung verneinte und in dieser Sache auf seine „gefestigte Rechtsprechung“ verwies, so zuletzt in einer Entscheidung am 9. Jänner 2017 (Ra 2016/03/0119). Eine nachvollziehbare Begründung suchte man bisher vergeblich.

Im Juli 2019 hat schlussendlich ein Richter des Landesverwaltungsgerichtes NÖ die fehlende Parteistellung der Gemeinden im Sicherungsverfahren zum Anlass genommen, einen Antrag auf Aufhebung der Kostentragungsbestimmungen im Eisenbahngesetz einzubringen (u.a. LVwG-AV-174/001-2019).

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erblickte – auch vor dem Hintergrund, dass die Gemeinden als Träger der Straßenbaulast in dem dem Kostentragungsverfahren vorangestellten Sicherungsverfahren keine Parteistellung haben – in den Kostentragungsbestimmungen sogleich einen Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren (Art 6 Abs 1 EMRK), einen Verstoß gegen das Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und damit einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art 7 Abs 1 B-VG, Art 2 StGG) und darüber hinaus einen Verstoß gegen das Determinierungsgebot (Art 18 B-VG).

Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes

Mit einer kaum zu überbietenden Deutlichkeit hat nun der Verfassungsgerichtshof dem Poker um die Frage der Parteistellung ein Ende gesetzt (VfGH, 26. Februar 2020, G 179/2019-25). Er anerkannte ausdrücklich die Bedenken, die der Richter erhob, und pflichtete ihm darin bei, dass eine derartige Konstruktion, bei der Gemeinden Kosten tragen müssen (Kostentragungsverfahren), jedoch keinen Einfluss auf die Kosten haben (Sicherungsverfahren) verfassungswidrig wäre.

Da aber der Gesetzgeber grundsätzlich eine gemeinsame Kostentragung von Eisenbahnunternehmen und Träger der Straßenbaulast (Gemeinde) vorgesehen hat und der Verfassungsgerichtshof rechtsetzend tätig wäre, würde er die Kostentragungsbestimmungen aufheben – dies hätte letztlich entgegen dem Ansinnen des Gesetzgebers zur Folge, dass die Eisenbahnunternehmen alles alleine zu tragen hätten –, musste der Verfassungsgerichtshof einen anderen Weg als den der Aufhebung gehen.

Der Verfassungsgerichtshof hielt fest, dass zwar eine Parteistellung des Trägers der Straßenbaulast (Gemeinde) dem Gesetz nicht unmittelbar zu entnehmen ist, man aber die Kostentragungsbestimmungen (das Gesetz) verfassungskonform in der Weise auslegen muss, dass den Gemeinden sehr wohl Parteistellung im Sicherungsverfahren zukommt!

Mit dieser Festlegung hat der Verfassungsgerichtshof den Verwaltungsgerichtshof – somit das eine Höchstgericht das andere Höchstgericht – in einer (fast) beispiellosen Art und Weise zurechtgewiesen:

So formuliert der Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung: „Das in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes angenommene Fehlen der Parteistellung des Trägers der Straßenbaulast im Verfahren über die im Einzelfall zur Anwendung kommende Sicherung erweist sich als mit dem Gleichheitsgrundsatz unvereinbar.“

Damit steht fest, dass Gemeinden, die Träger der Straßenbaulast der die Eisenbahn kreuzenden Straße, im Verfahren über die Anordnung der (Art der) Sicherung der Eisenbahnkreuzung (Sicherungsverfahren) Parteistellung haben. Die Gemeinden haben nunmehr als Partei im Sicherungsverfahren die Möglichkeit, Einwendungen zu erheben, Einfluss auf das Verfahren zu nehmen, auf den Verfahrensausgang, auf die Bescheidformulierung. Sie können Akteneinsicht nehmen und gegen Sicherungsbescheide Beschwerde erheben. Letztlich können die Gemeinden auch Einfluss auf die Kostentragung nehmen.

Klarstellung kommt für viele Gemeinden zu spät

Für viele Gemeinden folgt jedoch diese Klar- bzw. Richtigstellung zu spät. Eine Unzahl an Sicherungsverfahren ist bereits abgeschlossen. In vielen Fällen ist auch das im Anschluss an Sicherungsverfahren häufig (mangels Einigung) stattfindende Kostentragungsverfahren abgeschlossen oder noch im Gange.

Zwar hätten Gemeinden in diesen Fällen die Möglichkeit, binnen zwei Wochen ab Kenntnis der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs (Parteistellung) unter anderem einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu stellen. Damit würde im Falle der Bewilligung der Wiedereinsetzung das womöglich schon seit Jahren abgeschlossene Sicherungsverfahren in jene Lage zurücktreten, in der es sich vor Eintritt der „Versäumnis“, jedenfalls vor Ende der Beschwerdefrist gegen den Bescheid befunden hat.  Abgesehen vom Zeitdruck (binnen zwei Wochen ab Kenntnis) und dem Aufwand, der damit einhergeht - letztlich müsste sogleich mit dem Wiedereinsetzungsantrag die „versäumte“ Handlung nachgeholt werden (etwa eine begründete Beschwerde gegen den Bescheid) -, müssten im Einzelfall die Erfolgsaussicht und der Nutzen einer Wiedereinsetzung gründlich geprüft werden.

Nächste Runde ist eingeläutet

Entscheidungen der Höchstgerichte sind zur Kenntnis zu nehmen – und damit auch die jüngste Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, die für Gemeinden einen Schlag ins Gesicht bedeutet (VwGH, 2. 4. 2020, Ra 2019/03/0161). War mit der letzten Entscheidung aus dem Jahr 2019 (VwGH, 26. 6. 2019, Ra 2019/03/0012) an sich weitgehend Rechtssicherheit in der Frage gegeben, wann Gemeinden im Falle von Anordnungen an Eisenbahnkreuzungen Kosten zu tragen haben, so wurde mit dieser Entscheidung die nächste Runde in der Achterbahnfahrt eingeläutet.

An sich hat der Verwaltungsgerichtshof bereits im Jahr 2015 entschieden, dass die Kostentragungsregelungen nicht zum Tragen kommen, wenn die Behörde im Sicherungsverfahren entscheidet, dass die bisherige Sicherung von schienengleichen Eisenbahnübergängen beibehalten werden kann. Damals ging es unter anderem um eine Lichtzeichenanlage, die bereits infolge des Alters zu erneuern war. Zu einem damaligen vom Eisenbahnunternehmen vorgebrachten Erlass des Ministeriums, der die Anwendbarkeit der Kostentragungsregelungen im Falle von Erneuerungen explizit bestimmt hat, hielt der Verwaltungsgerichtshof fest, dass „ein derartiger Erlass keine verbindliche Rechtsquelle darstellt“.

Nachdem die Gemeinde hinsichtlich der bestehenden Sicherungsanlage nie Kosten getragen hat (bzw. nie Kosten tragen musste, weil die Behörde trotz der damaligen Rechtslage vor 2001 neben der Sicherungsentscheidung eine gleichzeitige Entscheidung über die Kosten verabsäumt hat), wurde diese Kostentragungsregelung rechtskräftig und musste die Gemeinde daher auch nicht im Falle einer Erneuerung Kosten tragen. Nachdem diese Entscheidung auf der Rechtsgrundlage vor der Eisenbahnkreuzungsverordnung 2012 getroffen wurde, gab es jedoch noch offene Fragen.

Kehrtwende des Verwaltungsgerichtshofes

Im Mai 2019 stellte der Verwaltungsgerichtshof klar, dass es sich um eine Änderung der Art der Sicherung handelt, wenn anstelle einer bisherigen Lichtzeichenanlage eine Schrankenanlage angeordnet wird. Daher seien alle Kosten in die Kostenteilungsmasse einzubeziehen. Tatsächlich sieht die Eisenbahnkreuzungsverordnung fünf verschiedene Arten von Sicherungen vor (wobei Lichtzeichenanlagen und „Lichtzeichenanlagen mit Schranken“ zwei unterschiedliche Sicherungsarten sind).

Im Juni 2019 hat der Verwaltungsgerichtshof schließlich zum einen klargestellt, dass die Eisenbahnkreuzungsverordnung 2012 schlicht die fünf Sicherungsarten aus der alten Verordnung „mit begrifflichen Adaptierungen“ übernommen und in dieser Hinsicht keinen Einfluss auf die Kostentragung hat. Zum anderen hat er entschieden, dass es auf die Änderung der Art der Sicherung ankommt, ob die Kostentragungsbestimmungen zum Tragen kommen oder nicht.

Nunmehr hat der Verwaltungsgerichtshof aber eine Kehrtwende vollzogen, einer außerordentlichen Revision des Eisenbahnunternehmens stattgegeben und eine Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes OÖ aufgehoben, der auf Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs entschieden hat, dass eine Gemeinde im Falle einer Erneuerung einer die technische Nutzungsdauer überschrittenen Sicherung nichts zu zahlen hat, wenn sie bislang nichts gezahlt hat.

Jetzt vermeint der Verwaltungsgerichtshof, dass nicht die Sicherungsart ausschlaggebend ist, sondern die Frage, ob die Sicherungsanlage selbst beibehalten/weiterbelassen werden kann. Sollte die Anlage aufgrund des Anlagenalters zu erneuern sein, kommen die Kostentragungsregelungen sehr wohl zum Tragen, selbst wenn die Art der Sicherung vergleichbar (im konkreten Fall sogar gleich) ist.

Ein wichtiger Auszug aus der Entscheidung lautet: „Im vorliegenden Fall ordnete der Landeshauptmann von Oberösterreich mit Bescheid vom 16. Juli 2015 vielmehr gemäß § 49 Abs. 2 EisbG an, dass die gegenständliche Eisenbahnkreuzung, deren Sicherungsanlagen aufgrund des Ablaufes der technischen Nutzungsdauer jedenfalls zu erneuern waren, durch eine Lichtzeichenanlage mit Läutewerk gesichert werden müsse. Es lag somit kein Fall vor, in dem die bestehende Sicherung im Wesentlichen unverändert weiterbelassen werden konnte, wodurch die bisher vom Verwaltungsgerichtshof entschiedenen Fälle gekennzeichnet waren, sondern es wurde eine (neue) Entscheidung über die Ausgestaltung der Art und Weise der Sicherung und damit deren inhaltlich gestaltende Festlegung im Einzelfall getroffen. Dass dabei letztlich eine Sicherungsart festgelegt wurde, die mit der früher angeordneten vergleichbar war, spielt dabei keine Rolle.“

Für viele Gemeinden, insbesondere jene, die ausgerechnet wegen der jahrelangen falschen Spruchpraxis des Verwaltungsgerichtshofs mangels Parteistellung keinen Einfluss auf Sicherungsverfahren und vor allem auf den Verfahrensausgang nehmen konnten, bedeutet diese Entscheidung eine enorme Kostenbelastung.

Inhaltlich nachvollziehbar ist die Entscheidung sowieso nicht: Eine Gemeinde, die bislang für ein und dieselbe Sicherung(sart) nie Kosten getragen hat, soll nunmehr Kosten tragen, weil die bestehende Anlage aufgrund des Alters nicht beibehalten oder angepasst werden kann, oder anders ausgedrückt: weil es das Eisenbahnunternehmen in der Vergangenheit schlicht verabsäumt hat, rechtzeitig zu reinvestieren bzw. zu erneuern (in vielen Fällen sind technische Anlagen 30 oder 40 Jahre alt, die technische Nutzungsdauer längst abgelaufen).

Hoher Preis für Parteistellung

Die Gemeinde soll nunmehr Kosten tragen, obwohl sich an der für die Sicherungsentscheidung wesentlichen Sachlage bzw. den für die Sicherungsentscheidung relevanten örtlichen Verhältnissen (oder Verkehrserfordernissen) offenbar nichts geändert hat, widrigenfalls ja eine andere Art der Sicherung vorgeschrieben hätte werden müssen.

Kostentragungspflicht gegen Parteistellung? Der Verwaltungsgerichtshof hat den Preis für die Parteistellung jedenfalls hoch angesetzt.