Zeltweg
Im Schnitt traten in ländlichen Gemeinden drei Listen an, in größeren Gemeinden fünf. Die größte Auswahl gab es in Zeltweg (Bild) mit acht Listen, keinerlei Wahlmöglichkeit in Lassing mit nur einer Partei (ÖVP) am Stimmzettel.
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Die steirischen Gemeinderatswahlen im Detail

285 Gemeinden, 285 Wahlkämpfe, 285 Entscheidungen: Zurecht wird in der Berichterstattung nach Gemeinderatswahlen immer wieder darauf hingewiesen, dass eine zusammenfassende Analyse schwierig ist und den vielen Details kaum gerecht werden kann. Es gibt Listen, die nur lokal kandidieren, wichtige Themen sind oft räumlich eng begrenzt und (historische) Entwicklungen vor Ort manchmal schwer vergleichbar. Dennoch kann man sich auf die Suche nach Mustern im Ergebnis machen.

Ursprünglich hätte die Wahl bereits am 22. März stattfinden sollen. Coronabedingte Einschränkungen und die Sorge um Ansteckungen führten zu einer gesetzlich beschlossenen Verschiebung von rund drei Monaten.

Im Detail gab es einzelne große Umbrüche, gesamt gesehen kam

  • die ÖVP auf 47,2 Prozent (plus 4,5 Prozentpunkte),
  • die SPÖ auf 31,9 Prozent (plus 0,3) und
  • die FPÖ auf 8,2 Prozent (minus 5,7).
  • Die Grünen erreichten 4,8 Prozent (plus 1,4),
  • die KPÖ 1,6 Prozent (plus 0,1) und
  • die NEOS 0,6 Prozent (plus 0,2).
  • Sonstige Listen erzielten gesamt 5,8 Prozent (minus 0,8).

Die Ergebnisse der steirischen Gemeinderatswahlen im Detail.

Der Haken an dieser Berechnung ist, dass nicht alle Parteien in allen Gemeinden kandidiert hatten. Rechnet man die Stimmenanteile nur auf Basis jener Gemeinden aus, in denen die Parteien auch tatsächlich am Stimmzettel standen, lagen beispielsweise die Grünen gleichauf mit der FPÖ bei 9,2 Prozent, kamen die KPÖ auf 6,5 und die NEOS auf drei Prozent und waren sonstige Listen mit 17,2 Prozent drittstärkste Kraft.

Relevanter als die Prozentwerte ist freilich die Zahl der erreichten Mandate: Die ÖVP gewann 218 dazu und hat nun mehr als 1.000 Sitze Vorsprung auf die SPÖ, die 17 GemeinderätInnen einbüßte. Der FPÖ gingen 276 Sitze verloren, was fast einer Halbierung entspricht, die Grünen konnten 68 Mandate zusätzlich erobern (ein Plus von 62 Prozent). Bei KPÖ (plus eins) und NEOS (plus drei) waren die Verschiebungen gering, auf sonstige Listen entfallen mit 261 Sitzen jetzt 34 weniger als zuletzt.

Muster im Ergebnis

An dieser Stelle wurde bereits einmal die Nationalratswahl 2019 hinsichtlich der Ergebnisse im ländlichen Raum analysiert.

Die dort verwendete Einteilung von Gemeinden anhand der Stadt-Land-Typologie der Europäischen Kommission lässt sich nun auf die steirische Gemeinderatswahl anwenden.

Steirische Gemeinden nach Urbanisierungsgrad
Gemeinden nach Urbanisierungsgrad in der Steiermark. Ohne Graz, Stand 2020. Datenquelle: Statistik Austria. Grafik: Flooh Perlot

Die Klassifizierung zieht die Bevölkerungsdichte pro Quadratkilometer als zentrales Unterscheidungsmerkmal heran. Sie weist überwiegend ländliche (dünn besiedelte), intermediäre (mitteldicht besiedelte) und überwiegend städtische (dicht besiedelte) Gemeinden aus.

Da in der Steiermark nur Graz als städtisch gilt und just dort nicht gewählt wurde, bleibt nur der Vergleich zwischen ländlich und intermediär. 242 Gemeinden fallen in die erste Kategorie (z. B. Hohentauern, Pusterwald und Wildalpen, um die drei Gemeinden mit den wenigsten Wahlberechtigten zu nennen), 43 in die zweite Gruppe (z. B. die drei größten Gemeinden Leoben, Kapfenberg und Bruck an der Mur).

Das Verhältnis der Wahlberechtigten betrug rund zwei Drittel zu einem Drittel, ein deutlicherer Überhang des ländlichen Raums als österreichweit (dort ist das Verhältnis ländlich zu intermediär – ohne Städte – in etwa 57 zu 43 Prozent).

2020 waren rund 4.000 Personen mehr wahlberechtigt als 2015, ein Zuwachs, der ausschließlich auf den intermediären Gemeinden beruht. Im ländlichen Raum gab es rund 800 Wahlberechtigte weniger. Die Wahlbeteiligung ging insgesamt um rund zehn Prozentpunkte zurück, lag allerdings in ländlichen Gemeinden mit rund 68 Prozent höher als in der Vergleichsgruppe mit 54 Prozent. In beiden Fällen fiel die Abnahme gegenüber 2015 ähnlich aus.

Große Gemeinden, große Listenzahl

Das Gesamtergebnis der Parteien – insbesondere der Mandate – hängt bei Gemeinderatswahlen auch davon ab, wo die Listen tatsächlich antreten.

Nur die ÖVP kandidierte 2020 flächendeckend (die zahlreichen Listen mit eigenen Bezeichnungen, die namentlich nicht auf den ersten Blick einer Partei zuzuordnen sind, werden hier auf Basis der offiziellen Ergebnisdatei des Landes Steiermark zugeordnet).

Die SPÖ stand in 278 Gemeinden auf dem Stimmzettel, die FPÖ in 233 und die Grünen in 102. KPÖ und NEOS waren in 37 respektive 30 Gemeinden präsent. Überall, wo diese Parteien antraten, erhielten sie auch Stimmen, Nullnummern gab es keine. In insgesamt 72 Gemeinden kandidierten zudem sonstige Listen ohne direkte Anbindung an regionale oder nationale Parteien.

Dabei gab es einen klaren Zusammenhang zwischen der Gemeindegröße und der Zahl der Parteien. Im Schnitt traten in ländlichen Gemeinden drei Listen an, in größeren Gemeinden fünf. Die größte Auswahl gab es in Zeltweg mit acht Listen, keinerlei Wahlmöglichkeit in Lassing mit nur einer Partei (ÖVP) am Stimmzettel.

Dieses Gefälle im Angebot gerade in ländlichen Regionen deutet ein grundsätzliches Problem an: Demokratie kann auf Dauer ohne Auswählen nicht funktionieren. Wenn diese Möglichkeit eingeschränkt ist oder wegfällt, weil sich beispielsweise zu wenige Personen für eine Kandidatur finden, dann ist das stets kritisch zu sehen, unabhängig vom konkreten Fall und den Umständen. Die Wahlbeteiligung in Lassing war mit 37,5 Prozent dem Angebot entsprechend niedrig. Abseits dieses Extrembeispiels wurde die Beteiligung aber nicht direkt durch die Zahl der Optionen beeinflusst.

Breite Ergebnisspanne

Erzielte die ÖVP insgesamt 47,2 Prozent, gab es große Unterschiede zwischen den hier verglichenen Gemeindegruppen: In ländlichen Gebieten kam sie mit rund 55 Prozent deutlich über die absolute Mehrheit, sie war dort doppelt so stark wie die zweitplatzierte SPÖ. Im intermediären Raum waren es hingegen nur rund 30 Prozent, die auf die Partei entfielen – eine Kluft von 25 Prozentpunkten. In den entsprechenden Gebieten lag die SPÖ mit rund 45 Prozent auch klar vor der ÖVP, wobei die absoluten Zahlen den Abstand wieder relativieren: Der SPÖ-Vorsprung entspricht in etwa 24.000 Stimmen, jener der ÖVP im ländlichen Raum hingegen über 100.000 Stimmen.

steirische Gemeinderatswahlen
Ergebnis nach Urbanisierungsgrad und Antreten. Die Markierung zeigt das Gesamtergebnis der Partei. Alle Zahlen basieren nur auf den Gemeinden, in denen die Partei auch angetreten ist, daher ergeben sich in Summe mehr als 100 Prozent. Datenquelle: Land Steiermark, eigene Berechnung. Grafik: Flooh Perlot

Die Grüne waren – wiederum nur gerechnet auf Gemeinden, in denen sie antraten – am Land mit zehn Prozent etwas erfolgreicher als in intermediären Regionen, ähnliches galt für die NEOS. Das Ergebnis bei der KPÖ war umgekehrt. Eine große Spanne zeigt sich schließlich bei den Sonstigen: In ländlichen Gemeinden kamen sie auf 23,1 Prozent, in intermediären Gemeinden nur auf 9,4. Gegenüber dem Gesamtresultat gibt es natürlich im Einzelnen Ausreißer bei den Parteien, die Veranschaulichung aller Gemeindeergebnisse spiegelt den Ausgang aber gut wider.

steirische Gemeinderatswahlen: Ergebnis pro Partei und Gemeinde
Das Ergebnis pro Partei und Gemeinde . Die linke Spalte zeigt das Parteiergebnis in allen ländlichen Gemeinden, die rechte Spalte das Parteiergebnis in intermediären Gemeinden, jeweils in Prozent. Datenquelle: Land Steiermark, eigene Berechnung. Grafik: Flooh Perlot

Gewinne und Verluste

Ebenso aufschlussreich ist die Auswertung nach Gewinn und Verlust in den beiden analysierten Gemeindetypen: Hier zeigt sich, dass die ÖVP in größeren Gemeinden mit plus 5,2 Prozentpunkten etwas mehr gewonnen hat als in kleineren Gemeinden (plus vier Prozentpunkte).

Die SPÖ verlor am Land leicht (-0,4 Prozentpunkte), glich dieses Ergebnis aber durch Zugewinne in intermediären Gebieten (plus 2,1 Prozentpunkte) wieder aus.

Die FPÖ schnitt in beiden Gemeindetypen schlechter ab als vor fünf Jahren, das größere Minus gab es mit 7,5 Prozentpunkten im intermediären Bereich.

Die Grünen konnten gleichermaßen zulegen (plus 1,4 bzw. 1,5 Prozentpunkte), bei KPÖ und NEOS war das Saldo mit 0,1 bis 0,3 Prozentpunkten jeweils gering positiv.

Verteilte Sitze

Zieht man die erzielten Mandate heran, werden die angesprochenen Unterschiede ebenfalls klar: Grundsätzlich stammen rund 20 Prozent aller Sitze aus intermediären Gemeinden und 80 Prozent aus ländlichen Gemeinden. Die Mandate der ÖVP stammen aber zu fast 90 Prozent aus dünn besiedelten Regionen, jene der SPÖ hingegen zu mehr als 30 Prozent aus größeren Gemeinden. Hat die ÖVP nach Stimmen am Land rund 55 Prozent erzielt, so sind es nach Mandaten 59 Prozent.

Wie es weitergeht

Nach der Wahl müssen sich die Gemeinderäte nun konstituieren und den Bürgermeister oder die Bürgermeisterin wählen. Letztere sind immer noch die Ausnahme: Auch wenn 51 Prozent der Wahlberechtigten 2020 Frauen waren und diese in 191 Gemeinden – in fast allen intermediären und in immerhin 62 Prozent der ländlichen Gebiete – die Mehrheit stellten.

Vor der Wahl gab es in der Steiermark gerade einmal 23 Ortschefinnen, ein Anteil von – österreichweit durchschnittlichen – acht Prozent.