Walter Leiss
Walter Leiss: „Geht es nach der nunmehr veröffentlichten Studie, soll das Pfand mehr kosten als das Produkt. Ob das manche unbelehrbaren Bürger abhalten wird, Gebinde oder andere Abfälle einfach in die Gegend zu werfen, darf bezweifelt werden.“

Der ständige Wandel in der Abfallwirtschaft

Die Abfallwirtschaft hat sich in den letzten 50 Jahren enorm verändert. Vor 50 Jahren sprach man auch noch nicht von einer Abfallwirtschaft. Es gab auch noch nicht den Überfluss und die Wegwerfgesellschaft der heutigen Zeit. Wurden Güter angeschafft, trachtete man danach, sie möglichst lange zu nutzen und bei Bedarf zu reparieren, bevor man sie entsorgen musste. Vieles konnte man auch noch selbst oder durch Fachleute reparieren (lassen).

Natürlich fielen auch damals schon Abfälle an. Sie wurden eher sorglos deponiert. Oft in aufgelassenen Schottergruben. Der gesamte Abfall bunt gemischt. Die Räumung mancher derartiger Deponien beschäftigt uns noch heute – Altlastensanierungsbeitrag nur als Stichwort dazu.

In den siebziger und achtziger Jahren wurden in vielen Bundesländern neue Abfallwirtschaftsgesetze erlassen. Die Postulate lauteten: Abfall vermeiden, Trennung und Wiederverwertung und das, was sich nicht verwerten lässt, altlastenfrei entsorgen, sprich verbrennen. Die ersten Müllverbrennungsanlagen entstanden, oft gegen den Widerstand der betroffenen Bevölkerung. Die Verbrennungsanlagen entsorgten aber nicht nur Abfall, sondern konnten Fernwärme oder Strom erzeugen. 

Mit der Vermeidung von Abfall hat es seit der Einführung dieses Begriffs nie richtig geklappt.

Effiziente Sammelsysteme errichtet

Die Organisation der Entsorgung der Siedlungsabfälle war immer schon Aufgabe der Gemeinden. Bald hat man erkannt, dass diese Aufgabe durch Kooperation effizienter bewältigt werden kann.

Um den Anforderungen gerecht zu werden, wurden landesweit Abfallwirtschaftsverbände gegründet. Abfall war auch nicht mehr Abfall. Die Aufsplittung in Kunststoffe, Glas, Metalle, Papier, Kompost und Restmüll begann. Auch mit der Wirtschaft wurde kooperiert. Die trägt nämlich die Verantwortung für die von ihr in Verkehr gesetzten Verpackungsmaterialien. Für den Bürger sind die dahinterliegenden Aufgabenverteilungen und Zahlungsströme letztlich nicht von Bedeutung. Für die Bürger galt es effiziente Sammelsysteme einzurichten und sie anzuhalten, die Abfälle zu trennen und richtig zu entsorgen.

Das ist auch gut gelungen. Verschiedene Sammelsysteme wurden eingerichtet oder es wurden sogenannte Sammelinseln errichtet, wo die Bürger ihre getrennt gesammelten Abfälle hinbringen sollten. Der Bau von Sammelzentren begann. Dem geänderten Produktangebot und dem geänderten Konsumverhalten wurde Rechnung getragen. Insgesamt aber ein gut funktionierendes System, das, sofern die Bürger es auch nutzten, zu den Vorreitern in Europa gehörte. Ein Blick über die Landesgrenzen wird wohl jeden überzeugen.

Systemänderung brachte keine Vorteile

Obwohl in Österreich ein gut funktionierendes System der Abfallentsorgung mit hohen Sammelquoten bestand, musste aufgrund von Wettbewerbsvorgaben durch die EU eine Systemänderung vorgenommen werden – Änderungen des Abfallwirtschaftsgesetzes waren die Folge. Eine Unzahl von Ausschreibungen, neue Vereinbarungen und Verträge waren die Folge. Ein enormer bürokratischer Aufwand – und was hat sich geändert? Was ist besser geworden? Für wen ist es billiger geworden? Nicht für die Wirtschaft und jedenfalls auch nicht für die Konsumenten. 

Problemfall Plastik

Mittlerweile sind wir in der Jetzt-Zeit angekommen. Der Überfluss und die Wegwerfgesellschaft produzieren weiter Unmengen von Abfall. Mit der Vermeidung sind wir noch immer nicht weit vorangekommen. Und Plastik gilt als besonderes Problem.

Mit der europäischen Vorgabe, der „Single Use Plastic“- bzw. SUP-Richtlinie, soll zwecks Umweltschutz, Ressourcenschonung und Vermeidung von Littering (achtloses Wegwerfen unter anderem von Getränkeflaschen) die getrennte Sammelquote von Kunststoffgetränkeflaschen bis zum Jahr 2025 auf 77 Prozent und bis zum Jahr 2029 auf 90 Prozent erhöht werden.

Die aktuelle getrennte Sammelquote (Gelber Sack, Gelbe Tonne, Flaschensammlung etc.) in Österreich beträgt 70 Prozent. Die derzeit in Verkehr gesetzte Menge beträgt 49.000 Tonnen und die Menge der getrennten Sammlung beträgt 34.200 Tonnen. Somit fehlen zur Erreichung der 90 Prozent 9900 Tonnen.

Lösung Einwegpfandsystem?

Wie dieses Ziel nun zu erreichen ist, darüber gibt es verschiedene Meinungen. Studien wurden beauftragt und liegen nun vor. Die Einführung eines Pfandsystems auf Einweggebinde scheint die Lösung zu sein. Die Ergebnisse lassen aber unterschiedliche Interpretationen zu. Die Schaffung eines Einwegpfandsystems würde zwar die Quoten erfüllen, so die Annahme, sie lässt aber weitreichende Auswirkungen und Nebenwirkungen außer acht – und vor allem, dass es nicht nur Plastikflaschen gibt. Zuallererst sind die Relationen zu beachten.  

Tatsächlich geht es um (nur) 9900 Tonnen Kunststoffgetränkeflaschen – zum Vergleich: Der gesamte Siedlungsabfall umfasst rund fünf Millionen Tonnen. Auch für andere Kunststoffabfälle, die nicht aus Einweggebinden bestehen, muss eine höhere Verwertungsquote erreicht werden.

Nur für Einweggebinde ein eigenes System zu entwickeln, das dem Bürger erst erklärt werden muss, kann man berechtigt hinterfragen. Kunststoffgetränkeflaschen in den gemischten Siedlungsabfällen machen nur einen Anteil von weniger als ein Prozent aus. Dafür den großen Aufwand bei unsicherem Erfolg?

Neue Sammellogistik und neue Infrastruktur wären nötig 

Für ein Pfandsystem bedarf es einer neuen Sammellogistik und einer neuen Infrastruktur. Und die kostet bekanntlich Geld. Sehr viel Geld, wie alle Systemumstellungen bisher. Alle Händler müssten auf ein neues System umstellen - nicht nur die großen Supermärkte, sondern auch die letzten noch verbliebenen Nahversorger.  

Auch die Konsumenten müssten sich umstellen. Es bedarf Rückgabeautomaten in allen Betrieben – fraglich ist, wer Gebinde zurücknimmt, die er nicht verkauft hat. Die dahinterliegenden Abrechnungssysteme müssen auch erst entwickelt und umgesetzt werden. Diesen Aufwand können sich viele kleine Betriebe nicht leisten und vielleicht wäre dieser Investitionsaufwand der Grund, gleich zuzusperren.

Zu bedenken gilt es auch, dass bis 2030 60 Prozent, bis 2035 sogar 65 Prozent der Siedlungsabfälle recycelt werden müssen. Derzeit liegt die Recyclingquote bei 57 Prozent. Eine Recyclingquote von 65 Prozent bis 2035 geht aber nur durch eine intensive Aussortierung von Wertstoffen aus dem Restmüll. Wenn schon Wertstoffe aus dem Restmüll aussortiert werden müssen, warum nicht auch gleich die Einweggebinde?

Es bleibt zu hoffen, dass nicht den Verlockungen der scheinbar einfachen, aber in Wirklichkeit sehr komplexen Lösung der Einführung eines Pfandsystems auf Einweggebinde nachgegeben wird.

Dem Bürger muss es auch noch erklärt werden. Geht es nach der nunmehr veröffentlichten Studie, soll das Pfand mehr kosten als das Produkt. Ob das manche unbelehrbaren Bürger abhalten wird, Gebinde oder andere Abfälle einfach in die Gegend zu werfen, darf bezweifelt werden – es finden sich ja immer wieder Bierflaschen, für die es jetzt schon ein Pfandsystem gibt, an Straßenrändern und Fluren. Jedenfalls wäre es wieder eine neue Umstellung im System mit viel Aufwand und hohen Kosten. Aber das hatten wir ja in der Vergangenheit schon öfter.