Walter Leiss
Walter Leiss: „Die Kosten, die sich durch Flurreinigungsaktionen ergeben, werden wir uns durch ein Pfandsystem nicht ersparen.“

Herausforderung für die Abfallwirtschaft

Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht in den Medien über die Abfallwirtschaft berichtet wird. Sei es über einen immer wiederkehrenden Müllnotstand in Rom, über Importe von Plastikabfällen aus dem Ausland oder über neue Studien über Millionen Tonnen Mikroplastik im Atlantik. Ein spezieller Fokus liegt dabei auf Verpackungsmaterialien aus „Plastik“. Plastikabfälle auf den Stränden, in den Meeren, in den Flüssen haben die Politik von der europäischen bis zur nationalen Ebene mit dem Thema konfrontiert.

Beginnend mit dem EU-Kreislaufwirtschaftspaket 2018, der EU-Abfallrahmenrichtlinie, der EU-Verpackungsrichtlinie sowie der Einwegkunststoffrichtlinie 2019 wurden für die Nationalstaaten entsprechende Vorgaben gemacht.

Der EU wird in der aktuellen Corona-Krise vielfach vorgeworfen, im Gesundheitsbereich nicht aktiv geworden zu sein. Dabei wird verkannt, dass die EU im Gesundheitsbereich nur wenige Kompetenzen hat. In der Abfallwirtschaft können wir uns dafür über fehlende Vorgaben nicht beklagen – sogar überschießende Regelungen, sorgen für Diskussionen.

Während sich die EU-rechtlichen Vorgaben auf die gesamten Abfälle beziehen, reduziert sich die nationale Diskussion hauptsächlich auf Verpackungsmaterialien aus Kunststoff (Plastik) und hier im speziellen auf Plastikeinweggebinde. Vieles wird dabei vermengt bzw. verwechselt, nur um Stimmung zu machen.

Jüngst wurde in den „OÖ Nachrichten“ publiziert, dass die Recyclingquoten für Einweggebinde bei 90 Prozent per 2025 lägen. Dass es sich dabei um die Sammelquote handelt und zwischen Recyclinquote und Sammelquote ein beträchtlicher Unterschied liegt, wird verschwiegen. Suggeriert wird, dass diese Sammelquote nur mittels eines Pfandsystems erreichbar wäre.

Hätten wir ein Pfandsystem auf Einweggebinde, würden wir die EU-rechtlichen Vorgaben locker erfüllen. Dabei geht es hier um eine Menge von 9900 Tonnen, die wir in Österreich zusätzlich getrennt sammeln müssten.

Verschwiegen wird auch, dass bereits jetzt Länder wie Vorarlberg, Tirol und das Burgenland diese Vorgaben erfüllen. Dies ist eigentlich das beste Beispiel dafür, dass sich bei einer Intensivierung der getrennten Sammlung die Ziele auch ohne ein Pfandsystem erreichen ließen. Politisch wird aber auch in diesen Ländern ein Pfandsystem bevorzugt.

Pfandsystem erhöht Kosten

Verschwiegen werden dabei jedoch die hohen Kosten, die mit der Einführung eines Pfandsystems verbunden wären, und die vielfach negativen Auswirkungen: die Umstellungen für die Bürger in ihren Haushalten sowie die Auswirkungen auf die bisherigen Sammelsysteme und auf die kleinen und mittleren Betriebe, die als Nahversorger im ländlichen Raum fungieren. Nimmt man sie nicht aus, würde das hohe Investitionskosten bedeuten, die sie sich nicht leisten können.

Würde man sie ausnehmen, würde das letztendlich zu einer Umleitung der Konsumentenströme führen und den Todesstoß für diese Betriebe bedeuten. Auch das Argument, dass mit der Einführung eines Pfandes das Littering zurückgehen würde, ist nur bedingt richtig. Denn man weiß, dass nur ein geringer Anteil der Menge, die nicht sachgemäß entsorgt wird, aus Getränkeverpackungen besteht. Die Kosten, die sich durch Flurreinigungsaktionen ergeben, werden wir uns durch ein Pfandsystem nicht ersparen. Und zu guter Letzt würde wohl ein Pfandsystem auf Einweggebinde wenig Anreize bieten, auf ein Mehrweggebinde umzusteigen, was ökologisch am sinnvollsten wäre.

Plastikverpackungen begleiten uns im täglichen Leben von früh bis spät. Dabei dürfen diese Verpackungen nicht nur verteufelt werden. Viel Produkte, vor allem Lebensmittel, sind mit „Plastik“ verpackt. Aus gutem Grund, wie der Handel erklärt. Aussehen und Haltbarkeit, vor allem aber Hygiene sind wichtige Aspekte.

Eine Studie des Vereins für Konsumenteninformation (VKI) zeigt, dass zwei Drittel des Obstes und Gemüses in Plastik verpackt sind. Die Konsumenten hätten keine Wahlmöglichkeit, wird kritisiert. Zwar versuchen die Handelsketten, Plastik so weit als möglich aus ihren Regalen zu verbannen, aber ist das der Weisheit letzter Schluss?

Sammelquote bei Kunststoffverpackungen soll um 25 % erhöht werden

In Medien lesen wir, dass die meisten Lebensmittelvergiftungen in den eigenen vier Wänden passieren. Die Gründe: mangelnde Hygiene, falscher Transport und unrichtige Lagerung. Empfohlen wird unter anderem, „diese Produkte immer verpackt aufzubewahren, damit Lebensmittel nicht kontaminiert werden“.

Also entweder gleich die verpackten kaufen oder sie zu Hause in Plastikfolien verpacken. Daher kommt viel an Plastikverpackungen zusammen. Und diese bilden die viel größere Herausforderung, ist ja – worüber nicht so viel berichtet wird – die Sammelquote bei allen Kunststoffverpackungen bis 2025 um 25 Prozent zu erhöhen. Dabei geht es um andere Größenordnungen als bei den Einweggebinden. Hier bedarf es einer Steigerung um 75.000 Tonnen bis 2025 und um 90.000 Tonnen bis 2030.

Um diese Ziele zu erreichen, wird es vielerlei Maßnahmen bedürfen, aber auch im Speziellen einer Intensivierung der getrennten Sammlung. Und hier sind vor allem die urbanen Gebiete gefordert. Berichten doch die Landesverbände, dass in ihrem Bereich die Erfüllung der Vorgaben schon jetzt möglich wäre bzw. ist.

Besondere Bedeutung bekommt dieser Aspekt unter dem Gesichtspunkt der geplanten EU-Abgabe auf nicht recycelte Plastikverpackungen. Unabhängig davon, wer diese Abgabe im dreistelligen Millionen-Euro-Bereich pro Jahr letztlich für Österreich tragen wird, sollte es Ziel der Bundesregierung sein, diesen Abgabebetrag möglichst gering zu halten. Recyclingquoten müssten erhöht werden und diese haben getrennte Sammlungen zur Voraussetzung.

Wie es gelingen kann, die Wirtschaft zu veranlassen, mehr Rezyklatanteil in ihre Produkte einzubringen, sei dahingestellt. Verständlich ist, wenn Betriebe aufgrund des niedrigen Preises für Öl, das als primärer Rohstoff wesentlich billiger ist als der aus Rezyklat, auf den Primärrohstoff zurückgreifen.

Pfandsystem löst Probleme nicht

Was passiert dann mit den von Bürgern brav getrennten und gesammelten Abfällen, wenn sie nicht entsprechend verwertet werden? Liegen sie dann auf Halde und warten auf eine weitere Verwendung? Wie geht man mit der Thematik um, dass sich Betriebe wegen der Warenfreiheit ihre Anteile auch durch Importe sichern können? Hier wäre die EU gefordert, klare Vorgaben schon am Beginn des Produktionsprozesses zu erlassen und den Einsatzbereich für den Rezyklat-Rohstoff zu erweitern.

Die beschriebene Situation zeigt, dass die gesamte Abfallwirtschaft ein sehr komplexer Wirtschaftsbereich ist. Mit der bloßen Einführung eines Pfandsystems auf Einweggebinde lassen sich diese Herausforderungen aber sicher nicht lösen. Vielmehr sind wir alle gefordert unser Verhalten beim Einkauf und bei der Entsorgung – hoffentlich ordnungsgemäß - zu verändern.