Walter Leiss
Walter Leiss: „Wenn tatsächlich ein Bedarf an Grundstücken für die Schaffung von Wohnungen besteht, gibt es schon eine rechtliche Grundlage, die allerdings von Niemanden genutzt wird und auch nicht in die Diskussion eingebracht wird. Dieses schon seit Jahren bestehende Gesetz gibt den Gemeinden die Möglichkeit, bei der Landesregierung eine Verordnung zu erwirken, mit der sie bei begründetem Wohnraumbedarf ein Vorkaufsrecht für Grundstücke ausüben und sogar Enteignungen von Grundtücken vornehmen könnten.“
© Philipp Monihart

Grundstückspolitik als Mittel für leistbares Wohnen

Das zentrale innenpolitische Thema - und nicht nur für Österreich – ist derzeit die „Teuerung“, die alle Lebensbereiche erfasst. Gestiegene Lebensmittelpreise, explodierende Energie- und Mobilitätspreise und letztendlich gestiegene Wohnkosten. Gerade das Thema leistbares Wohnen ist schon vor der allgemeinen Teuerungswelle ein brennendes Thema gewesen.

Verantwortlich dafür sind großteils externe Faktoren. Die Pandemie mit Ihren Folgen für den globalen Handel, die daraus resultierenden Lieferengpässe, der Green-Deal mit strukturellen Änderungen unserer Wirtschaft und natürlich der Ukraine-Krieg. Die Verknappung der Güter und die damit verbundene Inflation lässt die Preise steigen.

Gegen die Inflation versucht gerade die EZB mit ihren geldpolitischen Maßnahmen Akzente zu setzen. Die Leitzinsen werden erhöht. Das hat konjunkturdämpfende Wirkung, aber hat auch höhere Finanzierungskosten zur Folge. Die nationale Fiskalpolitik soll diese Situation nicht noch befeuern. Konjunkturprogramme werden von den Wirtschaftsforschern derzeit nicht als positiv gesehen. Keine günstigen Aussichten für die Gemeinden. Steigende Finanzierungskosten auf der einen Seite und fehlende Invest-Programme zur Unterstützung sind keine gute Kombination. Das alles hat auch Auswirkungen auf das Wohnungswesen und die Wohnkosten.

Was können Gemeinden gegen die Teuerung tun?

Gegen die Teuerung sind staatliche Maßnahmen gefordert, die bundespolitisch zu diskutieren sind. Was können die Gemeinden innerhalb ihrer Kompetenzen tun?

Die Raumordnung ist eine Kernkompetenz der Gemeinden. Eine vorausschauende Raumordnungs- und Bodenpolitik kann einen wichtigen Beitrag zur Schaffung von leistbarem Wohnraum bringen. Man kann damit keine gesteigerten Baukosten und auch nicht die sich durch Normen und Standards ergebenden Veränderungen abfangen, aber zumindest die Bereitstellung von Grundstücksflächen ermöglichen.

Mit welchen Problemen sind die Gemeinden konfrontiert bzw. welche Instrumente bedürfte es, um Lösungen herbeizuführen? Unter Berücksichtigung der österreichischen Verfassungs- und Rechtslage, - die sich in einem zentralen Punkt von der deutschen unterscheidet, sollen einige Möglichkeiten aufgezeigt werden.

Zu unterscheiden sind der gewidmete und nicht verfügbare und nicht bebaute Altbestand und Neuwidmungen.

Altbestand

Fehler aus der Vergangenheit gewinnen nun Aktualität. Circa 68.500 Hektar gewidmetes, aber nicht bebautes Bauland sind in den Gemeinden vorhanden. Das sind 22 Prozent der gewidmeten Flächen. Die Werte sind bundesländerweise unterschiedlich. Im Osten höher, im Westen geringer. Zwei Lösungsmöglichkeiten werden hier üblicherweise diskutiert und vorgeschlagen. Eine Möglichkeit gibt es schon:

  1. Entschädigungslose Rückwidmungen: Diese finden allerdings darin ihre Grenzen, dass Sie sachlich gerechtfertigt werden müssen. Sie sind auch nur sinnvoll einzusetzen, wenn es Randzonen einer Gemeinde betrifft, die noch nicht durch einzelne Eigentümer bebaut worden sind. Im Zentrum werden derartige Rückwidmungen weder sinnvoll noch rechtlich haltbar sein.
  1. Besteuerung: Infrastrukturabgaben oder eine sogenannte Grundsteuer C werden immer wieder verlangt und diskutiert. „Spekulation soll etwas kosten“, wie dies Prof. Gernot Stöglehner von der Boku Wien formuliert hat. Einer Besteuerung sind allerdings enge Grenzen gesetzt. Abgesehen davon, dass es schon eine Immobilienertragssteuer gibt, die mit 30 Prozent den Gewinn abschöpft, würden echte Spekulanten die Belastung durch Steuern an den Käufer weitergeben und damit die Grundstücke noch zusätzlich verteuern. Warum nicht schon früher Maßnahmen der Vertragsraumordnung genutzt wurden, sei dahingestellt.
     
  2. Bodenbeschaffungsgesetz. Wenn tatsächlich ein Bedarf an Grundstücken für die Schaffung von Wohnungen besteht, gibt es schon eine rechtliche Grundlage, die allerdings von Niemanden genutzt wird und auch nicht in die Diskussion eingebracht wird. Dieses schon seit Jahren bestehende Gesetz gibt den Gemeinden die Möglichkeit, über Antrag der Gemeinde bei der Landesregierung eine Verordnung zu erwirken, mit der sie bei begründetem Wohnraumbedarf ein Vorkaufsrecht für Grundstücke ausüben und sogar Enteignungen von Grundtücken vornehmen könnten. Dass beide Maßnahmen eine Menge Geld kosten würden, ist unbestritten. Sie hätten auch vielleicht schon früher genutzt werden sollen, als die Grundstückspreise noch nicht so stark gestiegen sind. Richtig eingesetzt, könnte mit diesen Maßnahmen aber einiges im Immobilienmarkt bewirkt werden.
     
  3. Neuwidmungen. Hier bestehen schon einige Möglichkeiten wie das Instrument der
    Vertragsraumordnung – mit der eine Verpflichtung zur Bebauung festgelegt werden könnte.
    Schaffung eigener Widmungskategorien wie „Sozialer Wohnbau“, um damit eine gewisse Art der Bebauung sicherzustellen.

Neue Möglichkeiten sollten aber möglichst rasch diskutiert und umgesetzt werden, wie z. B.

  • Grundverkehrsgesetze wie sie derzeit in Salzburg diskutiert werden, mit denen sichergestellt werden soll, dass bei sonstiger Rückabwicklung Grundstücke einer bestimmten Bebauung zugeführt werden.
     
  • Ein Bedarf bestünde auch, die landwirtschaftlichen Grundverkehrsgesetze dahingehend zu ändern, dass Gemeinden auch landwirtschaftliche Gründe erwerben können. Dies würde die Gemeinden in die Lage versetzen, Grundstücke zu erwerben, die sie in der Folge umwidmen und als günstiges Bauland weitergeben könnten oder als Ausgleichsflächen bei einem aktiven Bodenmanagement zu nutzen.
     
  • Dies wäre auch Voraussetzung für die Anwendung des „Ulmer Models“ in Deutschland. Wesentlicher Inhalt ist, dass von der Stadt systematisch Flächen als landwirtschaftliche Flächen in der Qualität eines Bauerwartungslandes aufgekauft und nach Grundstückszusammenlegungen des städtischen Besitzers als Baugebiete ausgewiesen werden. Nähere Erläuterungen dazu finden sich im Gemeindemagazin des Kärntner Gemeindebundes vom Februar 2022.
     
  • Ein Blick über die Landesgrenzen wäre, wie in vielen anderen Fällen auch, hilfreich. Das Südtiroler Raumordnungsgesetz verpflichtet beispielsweise die Gemeinden im Falle von Ausweisung von Wohngebieten mit Mischnutzung zum Erwerb von 60 Prozent der Fläche zur Hälfte des Marktwertes. Auch die Abschöpfung des durch die Umwidmung entstandenen Mehrwertes ist vorgesehen. Die daraus entstehenden Einnahmen sind zweckgebunden für geförderten Wohnbau etc. zu verwenden bzw. die Flächen für Wohnbau zur Verfügung zu stellen.
     
  • Dieses doch relativ komplexe System könnte noch radikal vereinfacht werden. Umwidmungen erfolgen nur mehr ins Eigentum der öffentlichen Hand. Das würde Komponenten des „Ulmer Modells“ und des „Südtiroler Modells“ beinhalten. Natürlich bedarf es hier einiger ergänzender Regelungen, um auch die Eigentümer landwirtschaftlicher Grundstücke zu schützen. So könnte beispielsweise vorgesehen werden, dass Umwidmungen nur über Antrag der Grundeigentümer erfolgen. Der Grundeigentümer erhält eine Entschädigung in der x-fachen Höhe des Grünlandpreises. Damit profitiert auch der Grundstückseigentümer, jedoch lukriert er nicht mehr die volle Wertsteigerung durch die Umwidmung. Damit erlangt die Gemeinde die Verfügungsgewalt über die Grundstücke und kann mit einem aktiven Flächenmanagement sicherstellen, dass Wohnraum neu geschaffen wird.

Im Bewusstsein, dass der Bodenpreis nicht der alleinig ausschlaggebende Faktor ist und er für das Einfamilienhaus andere Bedeutung hat als für den großvolumigen Bau, würde damit aber zumindest die Verfügbarkeit sichergestellt werden können und eine strategische, vielleicht auch gemeindeübergreifende Planung ermöglichen.

Natürlich bedarf es auch entsprechender Begleitmaßnahmen wie z. B. der Anpassung der Wohnbauförderungsrichtlinie in den Bundesländern. Mit der Bodenpolitik allein kann das Bedürfnisse nach leistbarem Wohnraum nicht gelöst werden. Es wäre jedoch schon einmal ein guter Anfang, wenn einige der aufgezeigten Möglichkeiten geschaffen und genutzt werden könnten.