Technologie
Glasfaser-Sensorik bringt mehr Sicherheit für kommunale Infrastruktur
Die aggfa-Tagung „Glasfaser als Sensor“ Anfang September in der Wirtschaftskammer Wien zeigte Gemeinden neue Möglichkeiten auf, Infrastrukturen effizienter zu überwachen. Präsentiert wurden eine große Anzahl von bereits realisierten Anwendungen weltweit und in Österreich, und Ideen, wie sich der Markt weiter entwickeln könnte.
Helga Tieben, Geschäftsführerin des Fachverbands der Telekommunikations- und Rundfunkunternehmungen, Wirtschaftskammer Österreich, hob in ihrer Eröffnungsrede den Zusammenhang zwischen Glasfasernetzen und der innovativen Technologie des Glasfasersensings und der Wirtschaft hervor. „Fast 10,2 Milliarden Euro an Bruttowertschöpfung wurden im Jahr 2022 direkt durch die Telekommunikationsbranche in Österreich erwirtschaftet. Dies entsprach einem Anteil von 2,55 Prozent an der gesamten österreichischen Wertschöpfung.“
Was ist eigentlich Glasfaser als Sensor?
Vielen ist die Glasfaser mit ihren hervorragenden Eigenschaften als wichtigstes Medium der Datenkommunikation bekannt. In der Sensorik ermöglicht eine unbeschaltete Glasfaser (Dark Fiber) die lückenlose Erfassung von Ereignissen entlang einer Strecke. Es werden Änderungen von Dehnungen, Temperatur und Vibration (Akustik) erkannt, kategorisiert und in Fehlerklassen umgewandelt. Die Ergebnisse stehen zeitlich und georeferenziert längs dieser Strecke zur Verfügung.
Werner Lienhart von der TU Graz erklärte in seinem Vortrag das technische Grundprinzip der verteilten faseroptischen Messungen (DFOS – Distributed Fiber Optic Sensing) über eine längere Glasfaserstrecke, wobei zu Beginn der Messung weder Zeitpunkt noch Ort eines Ereignisses bekannt sind, sondern erst während des Monitorings erkannt werden.
Die Glasfaser reagiert hochsensibel auf Dehnung, Temperatur und Vibration. Man macht sich diese Eigenschaft zunutze, indem man die natürliche Rückstreuung von in die Glasfaser eingekoppelten Lichtimpulsen analysiert. Die Rückstreuung erfolgt von dem Punkt aus, an dem ein Ereignis die Glasfaser beeinflusst hat.
Der Vortrag erklärte die verschiedenen Grundprinzipien der verteilten Dehnungsmessung (DSS – Distributed Stress Sensing), der verteilten Temperaturmessung (DTS – Distributed Temperature Sensing) und der verteilten akustische Messung (DAS – Distributed Acoustic Sensing) und beschrieb typische Anwendungen auf Straße und Schiene, bei Hangrutschungen, Erddämmen, Staumauern, Versorgungsleitungen (Telekommunikation, Strom, Gas, Fernwärme), Tunneln, Zugstrecken, Brücken und bei der Gebäudeautomation. Die Glasfaserstrecken für verteilte faseroptische Messungen können bis zu 100 km lang sein.
Zum Unterschied zur verteilten optischen Messung konzentrierte sich Wolfgang Schade (Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut) auf eine Glasfaserstrecke, wobei der Ort, an dem Ereignisse beobachtet werden sollen, vordefiniert ist. Das wird erreicht, indem man an den zu messenden Stellen optische Filter einfügt, die bestimmte Wellenlängen nicht weiterleiten, sondern reflektieren. Man spricht hier von „Fiber Bragg Grating Sensoren“ (FBG Sensoren), die an den gewünschten Orten eingespleißt werden. Weitere Forschungsergebnisse sind ultradünne Glas-Folien, die dreidimensional Druck erkennen und in der minimalinvasiven Chirurgie (EU Project Palpable) und im Cyber Glove Anwendung finden.
Die Ausführungen von Eric van den Oever (Prysmian) und Stefan Breuer als Vertreter der Fiber Optic Sensing Association (FOSA) befassten sich mit den Vorteilen der Technologie und den treibenden Kräften für die Ausweitung des Marktes:
- „Multi-Use“ von Glasfaserinfrastrukturen: Mit nur einer Faser kann eine Vielzahl von verschiedenen Ereignissen überwacht werden, wobei die Ergebnisse verschiedenen Nutzern zur Verfügung gestellt werden.
- Synergien zwischen Telekommunikation und Glasfaser: Bereits in Glasfasernetzen vorhandene unbeschaltete Glasfasern (Dark Fiber) können als Sensoren benützt werden, ein mehrmaliges Aufgraben wird verhindert. Bei der Planung von Glasfasernetzen kann die Verwendung bestimmter Leitungen für Glasfasersensorik Berücksichtigung finden.
- Starker Druck auf die Senkung der Reparatur- und Wartungskosten.
- Ermöglichung proaktiver Wartungen.
- Erwartete Steigerung der Leistungsfähigkeit von Glasfaser als Sensor.
- Senkung der Kosten bei den immer mehr ansteigenden Sicherheitsmaßnahmen
- Die durch den Klimawandel verursachte Zunahme von Muren, Hangrutschungen, Hangmuren, Steinschlägen und die mögliche Beschleunigung oder Reaktivierung von tiefgründigen Hangdeformationen erfordert in Zukunft Methoden zum rechtzeitigen Erkennen und damit den Einsatz von Glasfasersensing.
- Entstehung innovativer Geschäftsmodelle unter Beteiligung neuer Marktteilnehmer, die die Messergebnisse aus einer Faser verschiedenen Nutzern anbieten: Gemeinden, Transportunternehmen, Energieversorgungsunternehmen, Wegerechtseigentümer, Telekommunikationsunternehmen.
Beispiele für Use Cases
Martin Litzenberger vom AIT (Austrian Institute of Technology) befasste sich mit dem Fahrzeugmonitoring auf Straße und Schiene, wobei er sich weniger auf die Ereignisse auf den Verkehrswegen als auf jene bei den Fahrzeugen konzentrierte – zum Beispiel können Radfehler bei Schienen- Fahrzeugen zu schweren Unfällen führen. Die rechtzeitige Radfehlerdetektion ist essenziell für die Vermeidung von Eisenbahnunfällen und kann mit derselben Faser, die den Gleiskörper überwacht, durchgeführt werden. Derzeit erfolgt die Radfehlerdetektion mit sogenannten Checkpoints längs der Eisenbahnstrecke nur alle 50 bis 100 Kilometer, mit der verteilten Glasfasersensorik wäre eine lückenlose Überwachung gewährleistet.
Die präsentierten Anwendungsfälle umfassen die lückenlose Überwachung von unterirdischen Strom-Versorgungsleitungen der Energie Netze Steiermark (Werner Lienhart), faseroptisches Monitoring im Brenner Basistunnel und entlang Fernwärmeleitungen (Fabian Buchmayer, ACI- Monitoring), kontinuierliches Monitoring und erhöhte Sicherheit der Gleisinfrastruktur (Yannick Maier, Sensonic), elf Jahre FOS-Aktivitäten in der Bahnstromtechnik (Klaus Leithner, ÖBB Infra) und gravitative Massenbewegungen in Österreich (Marc Ostermann, GeoSphere Austria).
Der letzte Beitrag befasste sich mit einem steirischen Pilotprojekt: In Zusammenarbeit der Steirischen Breitband- und Digitalinfrastruktur-GmbH. SBIDI (Johannes Trummer) mit der Abteilung 7 Referat Bauausführung und ländlicher Wegebau, Amt der Steiermärkischen Landesregierung (Peter Faissner), ist unter der technischen Leitung von Werner Lienhart eine Teststrecke auf einer Gemeindestraße mit einer vorhandenen SBIDI-Glasfaserleitung und einer im Asphalt verlegten neuen Glasfaserleitung geplant. Dabei werden folgende Ereignisse mit Fasersensorik überwacht: Beobachtung von Frost und Tau, Bewertung von Hangrutschungen, Untersuchung der Auswirkungen verschiedener Frequenzen und Durchführung von Tonnagemessungen.
Dieses Pilotprojekt hat hohe Bedeutung, da es ein Leuchtturmbeispiel für die in Zukunft immer wichtiger werdende Kooperation zwischen FTTH-Ausbau, Straßenverwaltung und Gemeinde ist und damit die Bedeutung der Synergien zwischen Glasfasernetzen und Glasfaser als Sensor illustriert. Es kann als Beispiel gelten, wie der Glasfaserausbau in Österreich den Markt der Glasfasersensorik beflügeln kann.
Fazit
Die Ergebnisse der unter starker Beteiligung des Publikums stattgefundenen Diskussionen können wie folgt zusammengefasst werden:
- Glasfaser als Sensor ist zwar noch zu wenig bekannt, aber wird weltweit und auch in Österreich schon seit Jahren eingesetzt.
- Trotz einer Vielfalt von innovativen zukünftigen Möglichkeiten ergaben die Diskussionen noch keine klare Sicht, wie schnell sich der Markt entwickeln wird.
- Die großen Vorteile der Technologie und eine Reihe von Treibern helfen bei der Weiterentwicklung des Marktes.
- Forschungsinstitute, wie sie sich auch bei dieser Tagung präsentierten (Institut für Ingenieurgeodäsie und Messsysteme TU Graz, Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut (HHI) & Clausthal University of Technology, AIT Austrian Institute of Technology GmbH), treiben durch Forschung, Entwicklung und Kooperationen mit Infrastrukturunternehmen und Start-ups und mit Pilotprojekten den Einsatz von Glasfasersensing.
- Als Endergebnis der Diskussionen wurde es als sinnvoll erachtet, die Entwicklung des Marktes in Österreich mit einer zu gründenden Arbeitsgruppe zu unterstützen und voranzutreiben, wobei diese die Vorteile der herstellerunabhängigen Plattform der CMG-AE nutzen könnte. Alle Interessierten sind zur Mitgestaltung eines solchen Themenpanels aufgerufen.
Der Glasfasertag beleuchtete die vielfältigen Möglichkeiten von Glasfasern als Sensoren, insbesondere für Kommunen. Dabei geht es nicht nur um Datenübertragung, sondern auch um die Nutzung bestehender Glasfaserleitungen zur Überwachung von Infrastrukturen. So können Straßen, Brücken, Tunnel und Versorgungsleitungen kontinuierlich auf Verschleiß oder Gefahren wie Hangrutschungen überwacht werden, ohne aufwendige Sensorinstallationen. Für Gemeinden bedeutet das weniger Wartungskosten und mehr Sicherheit, da Probleme frühzeitig erkannt und behoben werden können – ideal für den Schutz öffentlicher Infrastruktur.
Was ist die „aggfa“?
Die aggfa, korrekt die CMG/aggfa, hat es sich zur Aufgabe gemacht, in Österreich das Bewusstsein für die Notwendigkeit der Glasfasernetze als Basis für die Digitalisierung aller Lebensbereiche darzustellen und herzustellen. Die alternativen Geschäftsmodelle der Offenen Netze sollten den Ausbau beschleunigen und für neue Betreiber wie Gemeinden erleichtern.
aggfa steht für „Action Group Gigabit Fiber Access“, während „CMG-AE“ für „Computer Measurement Group Austria and Eastern Europe“ steht, ein Verein zur Förderung des optimierten Einsatzes von Informationstechnologien.