zettel mit Aufschrift Konkurs
Ein Gemeindekonkurs hätte drastische Auswirkungen für alle Gemeinden.
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Gemeindekonkurs – ein (un)tauglicher Ausweg aus der Überschuldung?

Die finanzielle Lage der Osttiroler Gemeinde Matrei hat eine Diskussion befeuert, die in dieser Form weder neu noch überraschend ist. Die hohe Abhängigkeit von den Einnahmen des Bundes und damit nicht nur von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, sondern auch steuerpolitische Maßnahmen des Bundes – wie die jüngste Steuerreform auf Bundesebene – führen bei den Gemeinden regelmäßig zu einer Berg- und Talfahrt bei den Ertragsanteilen.

Steigende Kreditzinsen sowie extreme Kostensteigerungen im Bereich des kommunalen Hoch- und Tiefbaus, der Energie, der Personalkosten und diverser Umlagen (vor allem im Sozial- und Gesundheitsbereich) führen dazu, dass die Vorlage eines ausgeglichenen Haushaltes für immer mehr Gemeinden zum sprichwörtlichen Drahtseilakt wird.

Wie ist das Vorgehen bei einem Gemeindekonkurs?

Zur Frage, ob ein geregeltes Insolvenzverfahren einen Ausweg aus einer chronischen Überschuldung bieten kann, dürfen bestimmte Gesichtspunkte nicht außer Acht gelassen werden.

Grundsätzlich kennt die Österreichische Rechtsordnung (§ 15 EO) die Möglichkeit, dass gegen eine Gemeinde Exekution geführt werden kann, auch die theoretische Insolvenzfähigkeit ist in der Literatur unbestritten. Rechtsprechung gibt es zum Thema Gemeindekonkurs in Österreich wenig, der OGH hat sich lediglich ein einziges Mal – konkret im Jahr 1933 – im Fall der steirischen Gemeinde Donawitz mit dem Konkurs einer Gemeinde auseinandersetzen müssen.

Die Erfolgsaussichten einer solchen Insolvenz aus Sicht der Gläubiger sind aber mehr als fraglich: die Exekution kann nur hinsichtlich der Vermögensbestandteile einer Gemeinde bewilligt werden, welche die Gemeinde zur Erfüllung ihrer Aufgaben bzw. der öffentlichen Interessen nicht benötigt. Straßen, Kindergärten, Schulgebäude, das Rathaus, die IT-Anlage im Bauamt, Schneeräumfahrzeuge, der Kinderspielplatz, Mülltonnen oder das Kanalsystem u.v.m. – abgesehen davon, dass es für viele Vermögensbestandteile in der Praxis gar keine „praktische“ Verwertungsmöglichkeit gibt, dienen diese nahezu alle den öffentlichen Interessen der Bevölkerung und sind damit von vornherein nicht „exekutionsfähig“.

Eine Verpfändungsbeschränkung hinsichtlich ihrer Abgabenrechte, Ertragsanteile und vermögensrechtlicher Ansprüche, die auf Grund des Finanzausgleichs gegenüber dem Bund oder anderen Gebietskörperschaften den Gemeinden zustehen, enthält zudem § 16 Absatz 2 F-VG. Gegen diese Ansprüche und Rechte ist auch keine Zwangsvollstreckung möglich, allerdings kann das Finanzministerium auf Antrag der Landesregierung Ausnahmen von diesem Verbot bewilligen.

Für die Insolvenz nach der Insolvenzordnung (§§ 66 f. Konkursordnung) wäre auch eine rechnerische Überschuldung (vereinfacht dargestellt das negative Verhältnis des bestehenden Gemeindevermögens zu den Verbindlichkeiten der Gemeinde) alleine nicht ausreichend, sondern müsste auch kumulativ eine negative Fortbestehensprognose vorliegen – wie letztere aussehen könnte, wirft viele Fragen auf. Zudem würde eine Insolvenz die strukturellen Probleme einer Gemeinde nicht nachhaltig lösen.

Welche Auswirkungen hat der Fall Matrei auf andere Gemeinden?

Ein Gemeindekonkurs hätte schließlich drastische Auswirkungen für alle Gemeinden. Die Erhöhung der Sicherheitsaufschläge im Bereich der Finanzierung würde mit großer Wahrscheinlichkeit (jährlich) ein Vielfaches jener Kosten für die öffentliche Hand auslösen, welche mit einem einzigen Gemeindekonkurs verbunden wären. Mit anderen Worten: die eigentliche „Zeche“ eines solchen Konkurses könnte dann alle Gemeinden Österreichs treffen.

Im Ergebnis zeigt sich, das – obwohl die österreichische Rechtsordnung den „Gemeindekonkurs“ nicht ausdrücklich ausgeschlossen hat – er sehr unwahrscheinlich ist und mit einem unüberschaubaren Kollateralschaden für die anderen Kommunen verbunden wäre.

Dass Matrei ein harter Sparkurs bevorsteht, ist unbestritten, eine Gemeindeinsolvenz ist aber generell keine verhältnismäßige Lösung. Sowohl die geltende Finanzverfassung (§ 12 F-VG 1948) als auch das Finanzausgleichgesetz (§ 12 Abs. 1 FAG 2017) enthalten Bestimmungen, mit denen die Erfüllung der kommunalen Pflichtaufgaben sichergestellt und die Wiederherstellung des Haushaltsgleichgewichtes bzw. die Abfederung besonderer Härten erzielt werden soll.

Derzeit benötigen die meisten Bundesländer nur einen überschaubaren Teil dieses kommunalen „Notgroschens“ im Rahmen der BZ-Mittel. Schließlich befinden wir uns gerade auch in der „heißen“ Phase der Finanzausgleichsverhandlungen, bei der Bund und Länder finanzverfassungsgesetzlich darauf achten müssen, dass die Grenzen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Gemeinden nicht überschritten werden.

Die Berichterstattung über die großen Herausforderungen, vor denen die Gemeinde Matrei steht, ist ein recht guter Zeitpunkt, diese Verpflichtung des § 4 F-VG bei Bund und Ländern einmal mehr in Erinnerung zu rufen.