
Superwahljahr 2024
Europawahl: Vorhang auf zum ersten Akt
Nach dem Zweiten Weltkrieg war Jean-Baptiste Nicolas Robert Schuman (1886-1963), der ursprünglich die deutsche Staatsbürgerschaft hatte, Abgeordneter der französischen Nationalversammlung und amtierte als Präsident des Finanzausschusses. Bekannt wurde er als Politiker unter anderem durch die Schaffung des nach ihm benannten Schuman-Plans.

Am 9. Mai 1950 veröffentlichte Schuman die historische Erklärung für die Neukonstruktion Europas, beginnend mit der Montanunion, die politisch zur Föderation Europas führen sollte. Am 18. April 1951 wurde der Montanvertrag in Paris unterzeichnet. Robert Schumans Idee einer Europäischen Gemeinschaft fand in Frankreich zum damaligen Zeitpunkt keine Resonanz, sodass er 1952 sein Amt niederlegen musste.
1955 wurde dann die von Schuman noch maßgeblich mitgestaltete Straßburger Konvention für Menschenrechte und bürgerliche Grundfreiheiten von 26 europäischen Staaten unterzeichnet. Am 19. März 1958 fand die erste Versammlung des Europäischen Parlaments unter der Präsidentschaft von Robert Schuman in Straßburg statt.
Die Annahme der Römischen Verträge 1957 sollte Europa auf den Weg führen, den der „Vater Europas“ in seiner Erklärung vom 9. Mai 1950 bereits vorgezeichnet hatte. 1958 wurde Robert Schuman zum ersten Präsidenten des neu gegründeten Europäischen Parlaments in Straßburg gewählt.
Europaparlament erhielt schrittweise mehr Kompetenzen
Dem Europäischen Parlament – dem direkt gewählten Gremium der EU – wurden in den europäischen Verträgen zahlreiche Befugnisse übertragen. Und seit der Gründung des Parlaments 1952 wurden seine Kompetenzen bei der EU-Rechtsetzung mehrmals deutlich erweitert, vor allem durch den Vertrag von Maastricht 1992 und zuletzt durch den Vertrag von Lissabon 2007, der am 1. Dezember 2009 in Kraft trat.
Auch in Bezug auf die Bildung der Exekutive, also die Wahl der Europäischen Kommission, wurden die Rechte des Parlaments schrittweise ausgebaut. So müssen sich die Kandidaten für die EU-Kommission zunächst einer Anhörung im Europäischen Parlament stellen und ihre Eignung und Befähigung für das vorgeschlagene Amt unter Beweis stellen.
Diese Anhörung führt in der Regel der entsprechende Ausschuss des Europäischen Parlaments durch und alle Anhörungen werden per Web-Stream über die Website des Europäischen Parlaments auch öffentlich gemacht. Erst nach der erfolgreich bestandenen Anhörung kann der Kandidat zum Mitglied der EU-Kommission gewählt werden, auch dies geschieht durch das Europäische Parlament (Plenum).
Wechselnde Mehrheiten
Im Europäischen Parlament fehlt der typische Gegensatz zwischen Regierungs- und Oppositionsfraktionen. Anders als in den meisten nationalen Parlamenten, in denen die Regierungsfraktionen normalerweise loyal zur Regierung stehen und deren Gesetzentwürfe prinzipiell unterstützen, bilden sich im Europäischen Parlament je nach Abstimmungsthema wechselnde Mehrheiten. Dies bewirkt auch, dass die einzelnen Europa-Abgeordneten unabhängiger sind und mit Verhandlungsgeschick und Sachkenntnis größeren Einfluss auf die EU-Gesetzgebung haben, als es Abgeordneten nationaler Parlamente möglich ist.
Seit der Europawahl 2014 umfasst das Parlament maximal 750 Sitze zuzüglich des Präsidenten, also 751 Abgeordnete (Art. 14 Abs. 2 EU-Vertrag). Das Parlament hat derzeit sieben Fraktionen sowie 49 fraktionslose Abgeordnete. In ihren Heimatländern sind diese Abgeordneten Mitglieder in rund 200 verschiedenen nationalen Parteien, die sich auf europäischer Ebene großteils zu Europaparteien zusammengeschlossen haben.