Europas Kommunen fordern mehr Gewicht
Einmal im Jahr erhebt der Ausschuss der Regionen, die Versammlung der Regional- und Kommunalvertreter der EU, wie es um die Städte und Regionen in der Union bestellt ist. Der aktuelle Bericht wurde anlässlich der 22. Europäische Woche der Regionen und Städte präsentiert.
Vertrauen in regionale Ebene gestiegen
Eine zentrale Erkenntnis ist, dass das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die regionalen und lokalen Gebietskörperschaften erheblich gestiegen ist. Im Jahr 2024 erreichte das Vertrauen in diese Ebene einen Höchststand von 60 Prozent.
Das zeigt, dass insbesondere in Zeiten der Unsicherheit, wie während der Corona-Pandemie und des Krieges in der Ukraine, Menschen in ihrer unmittelbaren Umgebung nach Lösungen und Unterstützung suchen. Auf nationaler und europäischer Ebene ist das Vertrauen deutlich geringer ausgeprägt.
Verantwortung für Klimaschutz und Anpassung
Der Bericht beleuchtet auch die bedeutende Rolle der kommunalen Ebene bei der Umsetzung des Grünen Deals der EU: Städte und Gemeinden sind für die Durchführung von 70 Prozent der Klimaschutzmaßnahmen und 90 Prozent der Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel verantwortlich. Damit haben sie eine Schlüsselrolle bei der Bekämpfung der Klimakrise.
Von jedem in die Umweltpolitik investierten Euro werden acht Euro direkt in den Gemeinden und Regionen ausgegeben. Das bedeutet, dass ein Großteil der finanziellen Mittel, die für Umweltmaßnahmen bereitgestellt werden, vor Ort investiert werden, um konkrete Maßnahmen umzusetzen.
Um die Umsetzung des Grünen Deals zu ermöglichen, fordern die Regionen und Städte gezielte finanzielle Unterstützung. Als Problem wird gesehen, dass die lokalen Gebietskörperschaften häufig mit zahlreichen Herausforderungen wie unzureichender Finanzierung, bürokratischen Hürden und einem Mangel an qualifiziertem Personal konfrontiert sind.
Neue Industriestrategie benötigt
Der Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft hat unterschiedliche Auswirkungen auf die Regionen Europas. In einigen Regionen, insbesondere in solchen, in denen energieintensive Industrien angesiedelt sind, sind die Herausforderungen besonders groß. Diese Regionen stehen vor der Aufgabe, ihre Wirtschaftsstrukturen grundlegend zu verändern, um den Anforderungen des Klimaschutzes gerecht zu werden.
Der Bericht fordert daher eine neue Industriestrategie, die auf die spezifischen Gegebenheiten der Regionen zugeschnitten ist. Dabei geht es vor allem darum, regionale Stärken zu nutzen, um die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, während gleichzeitig auf die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen des industriellen Wandels eingegangen wird.
Kampf gegen Armut
Der Bericht hebt hervor, dass die sozialen Herausforderungen in Europa zunehmen. Rund 100 Millionen Menschen in der EU sind von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht.
Besonders betroffen sind junge Menschen. Etwa 47 Prozent der Europäerinnen und Europäer im Alter von 18 bis 34 Jahren leben noch bei ihren Eltern, da sie keinen bezahlbaren Wohnraum finden.
Die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften tragen eine erhebliche Verantwortung für die Bereitstellung öffentlicher Dienstleistungen, die diesen Herausforderungen begegnen sollen. Sie sind für etwa 50 Prozent der Ausgaben für Infrastruktur, Wohnraum, Gesundheit, Bildung und soziale Dienste verantwortlich. Der Bericht fordert daher, dass mehr in qualitativ hochwertige öffentliche Dienstleistungen investiert wird, um den sozialen Zusammenhalt zu stärken und den Zugang zu wesentlichen Dienstleistungen für alle Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten.
Demografischer Wandel und ländliche Entwicklung
Eine weiterte Herausforderung für die gesamte EU und im Speziellen für die Gemeinden ist der demografische Wandel: Europa ist mit einer alternden Bevölkerung konfrontiert, und viele Menschen, insbesondere in ländlichen Gebieten, sehen sich gezwungen, ihre Heimat zu verlassen, um bessere wirtschaftliche Perspektiven zu finden. Dies führt zu einem erheblichen Ungleichgewicht zwischen städtischen und ländlichen Gebieten.
Die Regionen und Städte fordern daher Investitionen, die den demografischen Wandel unterstützen und ländlichen Gebieten attraktive Lebensbedingungen bieten.
Der Bericht hebt hervor, dass etwa ein Viertel der europäischen Bevölkerung in ländlichen Gebieten lebt, die 75 Prozent der Fläche der EU ausmachen. Diese Gebiete sind nicht nur für die Landwirtschaft von zentraler Bedeutung, sondern bieten auch ein enormes Potenzial für erneuerbare Energien.
Hälfte der öffentlichen Investitionen
Regionen und Städte tätigen mehr als die Hälfte der gesamten öffentlichen Investitionen. Um den sozialen und wirtschaftlichen Wandel zu bewältigen, sind weitere massive Investitionen notwendig. Verlangt wird daher ein ehrgeiziger EU-Haushalt, der lokale Investitionen unterstützt und eine starke Kohäsions-/Regionalpolitik in den Mittelpunkt stellt.
Was die Regionen und Städte fordern
Abschließend stellt der Bericht die zentralen Forderungen der Regionen und Städte vor:
- Unterstützung der lokalen und regionalen Wirtschaft bei der Weiterentwicklung und beim Übergang. Verringerung der asymmetrischen Auswirkungen des Klimawandels und der Ungleichheiten zwischen den Regionen und Städten der EU.
- Schaffung eines stabilen, ambitionierten und inklusiven Rahmens für den Grünen Deal, aus dem der von der Wissenschaft geforderte Ehrgeiz zu erkennen ist, bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen.
- Verbesserung der Multi-Level-Governance, also ein koordiniertes Vorgehen der Union, der Mitgliedstaaten und der lokalen und regionalen Behörden auf der Grundlage einer Partnerschaft.
- Stärkung der Regionen und Städte durch gezielte finanzielle Unterstützung, um dem Verlust an biologischer Vielfalt schnellstens entgegenzuwirken, geschädigte Ökosysteme wiederherzustellen und die Umweltverschmutzung auf null zu reduzieren.
- Schließung der Investitionslücke beim Grünen Deal durch Priorisierung und Beschleunigung von klimarelevanten Investitionen im künftigen langfristigen EU-Haushalt.
Den Bericht zur Lage der Regionen und Städte finden sie hier.