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„Durch Millionärssteuern würden sich die FAG-Mittel signifikant erhöhen“
KOMMUNAL: Der Bodenverbrauch ist eines der großen Themen unserer Zeit. Die Gemeinden wissen, wie wichtig ein sparsamer Umgang mit dieser Ressource ist. Das war mit ein Grund, warum der Gemeindebund den „Bodenschutzplan“ ins Leben gerufen hat. Was halten Sie von diesem Plan? Und wie wichtig ist Ihrer Ansicht nach die künftige Rolle der Gemeinden, deren Raumordnungskompetenz in dieser Frage eine zentrale Rolle spielen wird?
Andreas Babler: Der Bodenschutzplan des Gemeindebundes enthält zahlreiche richtige Vorschläge. Die Gemeinden tragen durch ihre Kompetenzen eine große Verantwortung, sie brauchen auch die nötigen Ressourcen und Instrumente, um Fehlentwicklungen zu verhindern oder gar rückgängig zu machen.
Die Ansiedlung von Gewerbe oder Supermärkten bringt Arbeitsplätze und Steuern, doch wenn diese auf die grüne Wiese gestellt werden, geht der Bodenverbrauch munter weiter. Gerade finanzschwache Gemeinden, die von Betriebsansiedlungen abhängig sind, müssen daher unterstützt werden, damit Neuansiedlungen im Ortskern oder entlang bestehender Infrastruktur geschehen. Programme zur Belebung von Ortskernen gehören ebenso dazu wie Möglichkeiten zur Baulandmobilisierung und die Wiederverwendung von brachliegenden Industrieruinen und Lagerflächen.
Bei den Gemeindefinanzen geht es ähnlich emotional zu. Viele Gemeinden können aktuell trotz Sparmaßnahmen und teils großzügiger Hilfen aus dem KIG immer öfter ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen, weil einfach kein Geld da sind. Die Teuerung, die hohen Standards und die Übertragung von Aufgaben ohne finanzielle Bedeckung tragen das ihre bei. Liegt die Lösung dieser Frage in mehr FAG-Mittel für die Gemeinden, der Ausschöpfung von Effizienzpotenzialen oder gar in der Einschränkung von kommunalen Leistungen?
Die SPÖ möchte, dass die kommunale Daseinsvorsorge durch die Gemeinden aufrechterhalten und finanziell abgesichert wird. Durch Millionärssteuern oder eine Rücknahme der Körperschaftsteuersatzsenkung würden sich die FAG-Mittel für die Gemeinden signifikant erhöhen.
Effizienzpotentiale sind möglichst immer zu heben bzw. auszuschöpfen. Eine Einschränkung kommunaler Leistungen lehnen wir ab. Außerdem brauchen die Gemeinden dringend frisches Geld, um die Liquidität sicherzustellen. Mitteln aus dem KIG, wo sie dann selbst einen Teil aufbringen müssen, sind hilflos, wenn die Gemeinden schlichtweg kein Geld haben, um zu kofinanzieren.
Das wichtigste jedoch - und das fordert die SPÖ seit langem: Es braucht eine Änderung des Verteilungsschlüssels im FAG - damit den Städten und Gemeinden mehr bleibt.
Die Gemeinden wollen seit Jahren eine Neuordnung bei der Grundsteuer. Es dabei um eine wesentliche gemeindeeigene Einnahme – und durch die Inaktivität, was die Valorisierung betrifft, verlieren die Gemeinden rund 380 Millionen Euro pro Jahr. Um das auszugleichen, müsste die Grundsteuer um 30 bis 40 Prozent angehoben werden. Ist es aus Ihrer Sicht zulässig oder geboten, Steuern auch anzupassen?
Zur Verbesserung der finanziellen Situation der Gemeinden ist es notwendig, bestehende Steuern anzupassen. Die Forderung des Städte- und Gemeindebundes nach einer Reform der Grundsteuer wurde in die Vereinbarung zum neuen Finanzausgleich übernommen. Die Reform soll von einer Arbeitsgruppe aus Vertreter:innen des Bundes, der Länder und der Gemeinden gemeinsam erarbeitet werden.
Was sind Ihre Ansätze, um die verzwickte Lage auf dem Immobilienmarkt zu entschärfen – gerade, weil viele Immobilien eher als Wertanlage behandelt werden. Wie wollen Sie diese Immobilien wieder mobilisieren und dadurch Eigentum wieder leichter und vor allem leistbarer zu ermöglichen?
Ein Ansatz der SPÖ ist die Bevorzugung des sozialen Wohnbaus bei den Flächenwidmungen. In den Ballungsräumen sollten mindestens 50 Prozent der Neubauflächen für den sozialen Wohnbau reserviert werden.
Wir fordern außerdem die Wiedereinführung der Zweckbindung der Wohnbauförderung inklusive deren Rückflüsse, um wieder stärkere Impulse im Bereich der Wohnungsbauwirtschaft zu setzen. Auch die Wiedereinführung der Wohnbauinvestitionsbank, die von der ÖVP-FPÖ-Regierung liquidiert wurde, ist notwendig um künftig wieder günstige Kredite (auch um die Schaffung von Eigentum wieder zu erleichtern) zur Verfügung stellen zu können. Ein starker sozialer Wohnbau dämpft auch die Preise für Eigentum.
Die Gemeinden finanzieren zu hohen Anteilen die Spitalsversorgung und die ärztliche Versorgung am Land sowie die Pflege mit. Die Gemeinden schaffen oft und im Grunde immer über den gesetzlichen Rahmen hinaus die Grundlagen, um eine Landarztstellen nachzubesetzen. Das ist aber die Aufgabe und Kompetenz der Gesundheitskassen. Was ist Ihr Rezept, um die ärztliche Versorgung am Land sicherzustellen, ohne dabei die Gemeinden zu involvieren?
Der Schlüssel liegt in einem Bündel an Maßnahmen. Ein österreichweiter modernisierter Gesamtvertrag, verstärkte Zusammenarbeitsmöglichkeiten und mehr Medizinstudent:innen, die sich freiwillig verpflichten, dem öffentlichen System nach der Ausbildung zumindest für eine gewisse Zeit zur Verfügung zu stehen, können dazu beitragen, dass die Anzahl von Kassenvertragsärtz:innen wieder steigen und damit die Versorgung der Bevölkerung insbesondere auch am Land verbessert wird.
Arbeitsbedingungen und Möglichkeiten der Zusammenarbeit können beispielsweise auch durch zusätzliche Angebote, wie PVE, Kinder-PVE, Gruppenpraxen und öffentliche Ambulatorien im niedergelassenen Bereich verbessert werden. Auch hier entspricht ein breiter Mix am ehesten den unterschiedlichen Lebensrealitäten der Ärzt:innen und der Gesundheitsberufe.
In vielen Bereichen der öffentlichen Hand wird durch eine – bewusst oder unbewusst – selbstgemachte Überregulierung das Leben in den Gemeinden zunehmend erschwert und belasten die Gemeindeverantwortlichen mit teils enormen Haftungsrisiken. Wie wollen Sie diese Überregulierung in den Griff bekommen – und dabei vor allem die Gemeinden aus dem Spiel lassen?
Ein Rechtsstaat fußt auf dem Legalitätsprinzip: Jedes staatliche Handeln muss durch Gesetze legitimiert werden. Dadurch ergeben sich gewisse Rahmenbedingungen, denen auch die Gemeinden unterliegen.
Bezüglich Haftungsrisiken gibt es Herausforderungen für die Gemeinden, aber diese können nur abgemildert, nicht beseitigt werden. Denkbar wäre die Einführung von bei Bezirkshauptmannschaften angesiedelten Stellen, in denen sich Bürgemeister:innen und Gemeindevertreter:innen juristisches Know-how holen können und damit besser rechtlich abgesichert sind.
Bei der Kinderbetreuung gibt es immer wieder Stimmen, die einen Rechtsanspruch wie in Deutschland fordern. Die Situation in Deutschland zeigt aber gerade auf, dass durch den Rechtsanspruch keine Plätze geschaffen werden, sondern nur der Kosten- und Belastungsfaktor massiv gestiegen ist. Braucht es in dieser Frage auch bei uns Zwang oder vertrauen Sie auf die bedarfsgerechten Lösungen, die die österreichischen Gemeinden seit vielen Jahren anbieten?
Die SPÖ und der sozialdemokratische Gemeindevertreter*innenverband haben bereits vor Jahren einen 5-Stufen-Plan zum Ausbau der Kinderbetreuung und einen Rechtsanspruch auf einen kostenfreien Kinderbetreuungsplatz vorgelegt. Wäre dieser bereits in Umsetzung, gäbe es bereits deutlich mehr Kinderbildungseinrichtungsplätze. Die Kommunen wären bereit, die Kinderbetreuung auszubauen, wenn ihnen die Bundesregierung die finanziellen Mittel zur Verfügung stellen würde. Die österreichische Bundesregierung hungert die Städte und Gemeinden jedoch finanziell aus.
Österreich bemüht sich seit der Nachkriegszeit, die Besiedelung und Bewirtschaftung des gesamten Landes sicherzustellen. Aktuell ist die flächendeckende Bereitstellung von Glasfaser einer der wesentlichen Infrastruktur-Herausforderungen. Was ist Ihr Modell, um zu einer vollflächigen Versorgung des Landes mit Glasfaser zu kommen?
Neben neuen Fördermitteln für den Glasfaserausbau ist es notwendig, auch die Rolle der Gemeinden bei diesen Ausbauinitiativen zu unterstützen. Am Beispiel Lienz in Osttirol kann als Best Practice-Modell aufgezeigt werden, wie es gelungen ist, markttaugliche mit nicht-markttauglicher Infrastruktur zusammenzufassen und über die Gemeinde zu organisieren.
Zur Unterstützung der kommunalen Gebietskörperschaft auf europäischer Ebene hat der Gemeindebund einen eigenen „EU-Kommissar für Gemeinden“ gefordert. Unterstützen Sie diese Forderung?
Gerade auf kommunaler Ebene zeigt sich, wie Politik wirkt. Bürgermeister:innen sind die ersten Ansprechpartner für viele Angelegenheiten. Politik ist in der Gemeinde so unmittelbar, wie sonst nirgends. Nicht umsonst genießt die kommunale Politikebene deshalb auch das größte Vertrauen.
Verbesserungsbedarf auf Gemeindeebene gibt es dennoch genug – etwa, was den Ausbau der Kinderbetreuung betrifft, die Finanzierung von Freizeiteinrichtungen oder leistbares Wohnen. Eine Kommissarin oder ein Kommissar für das Wohnungswesen, wie von der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vorgeschlagen, um die beihilfen- und wettbewerbsrechtlichen Rahmenbedingungen anzupassen und eine soziale Wohnbauoffensive zu koordinieren, kann sinnvoll sein.
Was ist ihrer Ansicht nach die künftige Rolle der Gemeinden im österreichischen Staatsgefüge?
Jeder Mensch in Österreich lebt in einer Gemeinde oder in einer Stadt. Daher haben Kommunen eine ganz wichtige und zentrale Rolle im österreichischen Staatsgefüge. Die Kommunalpolitik muss Grundlage von Regierungsentscheidungen sein.
Von den letzten beiden Bundesregierungen wurden den Gemeinden Aufgaben übertragen, ohne dass diese vom Bund voll abgegolten wurden. Oberster Auftrag einer künftigen Bundesregierung wird es sein, die finanzielle Ausstattung der Gemeinden sicherzustellen, denn die Gemeinden sind das Herzstück der Republik.
Die Kommunen müssen ihre Aufgaben in der Daseinsvorsorge aufrechterhalten und es braucht daher dringend Maßnahmen gegen die Ausdünnung des ländlichen Raumes und Investitionen in die Infrastruktur.
Die SPÖ will, dass die Menschen in ihren Gemeinden bleiben können und dazu braucht es flächendeckend einen gut ausgebauten öffentlichen Verkehr, ein intaktes Vereinsleben, eine Stärkung des Gesundheitssystems durch mehr Ärzt:innen und Primärversorgungszentren sowie mindestens einen Bankomaten in jeder Gemeinde. Als einen wichtigen Punktefordert die SPÖ einen Rechtsanspruch auf einen kostenfreien Kinderbildungsplatz, denn alle Kinder müssen das Recht auf die beste Bildung haben – unabhängig von der Postleitzahl.