Johannes Pressl: „Wir müssen messen, messen, messen und nochmals messen – ohne Daten geht gar nichts.“

Infrastrukturen

Digitale Innovation und menschliche Ethik

Johannes Pressl, Bürgermeister im niederösterreichischen Ardagger und Präsident des NÖ Gemeindebundes, ist einer der Vordenker digitaler Entwicklungen in Gemeinden. In seiner Keynote am Kommunalwirtschaftsforum machte er sich Gedanken über Herausforderungen und Chancen, die die Digitalisierung für Gemeinden bringt.

Vor welchen Herausforderungen stehen Gemeinden, wenn es um Infrastruktur geht?

Modernisierung

Infrastruktur muss ständig weiterentwickelt werden, denn sonst stürzen schlimmstenfalls Brücken ein, wie es in Italien passiert ist.

Dienstleistungsqualität

Zählerstände können mittlerweile vielfach online abgelesen werden, sodass Bürgerinnen und Bürger dabei nicht mehr anwesend sein müssen. Im öffentlichen Verkehr sind Online- Ticketing- und -Bezahlsysteme bereits Standard und ermöglichen einen einfachen Kauf von Fahrkarten.

Finanzierung

Gebühren finanzieren die Infrastruktur. „Gebühren dürfen aber nicht zum Spielball der Sozialromantik werden“, so Pressl. Es braucht saubere und konsequente Gebührenhaushalte, aus denen klar ersichtlich ist, wofür Geld ausgegeben wird.

Pressl präsentierte Beispiele, die zeigen sollen, wohin die Entwicklung geht.

Kläranlagen:

Kläranlagen sind Energiefresser. Daher ist es sinnvoll, dort eine PV-Anlage zu errichten. Es stellt sich allerdings die Frage, ob eine Kläranlage immer laufen muss oder ob man sie nicht mit intelligenten Systemen steuern kann.

Müllabfuhr:

In Mülltonnen kann bereits gemessen werden, wie hoch der Füllstand ist. „Das kann dazu führen, dass Infrastrukturen gerechter werden“, weil der Müll nur dann abgeholt werden muss, wenn die Tonne voll ist.

In Müllwägen kann auch auch gemessen werden, welche Qualität der Müll hat. Auch das kann zu einer effizienteren Entsorgung führen.

Beides wird heute schon in vielen Gemeinden gemacht. Neu ist, dass Müllautos auch Daten sammeln können. Etwa, indem sie die Oberfläche der Fahrbahn abtasten, um festzustellen, wie die Qualität der Straße ist.

Nahversorgung:

24-Miniläden gibt es mittlerweile in zahlreichen Gemeinden. Selfcheckout-Kassen können dort dabei helfen, die Logistik zu optimieren und etwa Lieferungen zu organisieren, wenn sie notwendig sind.

Landarztversorgung/Gesundheitsvorsorge:

  • Telemedizin kann in Regionen helfen, in denen die ärztliche Versorgung schlecht ist.
  • Gesundheitsdatenmonitoring ist mittlerweile oft besser in der Anamnese und in der längerfristigen Beobachtung als Ärztinnen und Ärzte.

Lehren aus diesen Beispielen der technischen Optimierung:

  • Wir müssen messen, messen, messen und nochmals messen – ohne Daten geht gar nichts. Aber wir müssen die Daten auch bei uns behalten.
  • Wir müssen die Ideen der Effizienz, der Innovation und der technischen Weiterentwicklung generieren.
  • Wir müssen uns aber auch trauen, sie einzusetzen.
  • Wir müssen für all die dafür erforderlichen Übertragungen die Kommunikationsinfrastrukturen schaffen (Glasfaser/LORA-WAN/ioT).
  • Wir brauchen in Einzelbereichen auch einen neuen gesetzlichen Rahmen dazu. Etwa bei der Frage, ob Gebühren leistungsbezogen eingehoben werden. Auch beim Datenschutz gibt es Anpassungsbedarf.

Daten sinnvoll vernetzen

„Es muss erlaubt sein, Daten so abzugleichen, dass es mehr Gerechtigkeit gibt“, fordert Pressl und nennt als Beispiel die Leerstandsproblematik. Etwa wenn in einem Haus, wo nur eine Person gemeldet ist, enorm viel Müll anfällt und sich die Frage stellt, ob die Meldedaten stimmen.

Eine Leerstandsdatenbank ist allerdings aufwändig. Dagegen wäre es mit GIS-Daten (Grundbuchsdaten/FLÄWI), AGWR, Meldedaten) wesentlich einfacher, einen besseren Überblick zu bekommen.

Wichtig dafür ist, dass man zu einem neuen Verständnis für Daten kommt. Gemeinden müssen Daten sammeln, ordnen und verfügbar machen. So sollten Gemeinden beispielsweise ihre Verträge mit Müllentsorgen prüfen, was darin über Daten steht. Datenhaltung und Datenorganisation müssen von Grund auf neu gedacht werden. Es braucht aber einen langen Atem, weil wir heute noch nicht wissen, wofür wir die Daten nutzen werden. Nicht um Daten zu verkaufen, sondern um sie selbst zu nutzen.

Wichtig dafür ist eine neue Datenethik. Pressl: „Amtsverschwiegenheit muss neu definiert werden. Wichtig ist eine „digitale Amtsverschwiegenheit“, die auf zukünftiges Verwaltungshandeln mit Daten abgestimmt ist,

Und: „Wir brauchen Verwaltungsinnovationen, die digitale Möglichkeiten und zutiefst menschliche Verhaltensweisen miteinander interagieren lassen. Anwendungen müssen Empathie haben, um akzeptiert zu werden.“

Zusammenfassend

  • An den Basisinfrastrukturen wird sich nichts ändern. Digitalisierung, Mess- und Regeltechnik, aber auch Innovationen, werden uns dabei begleiten.
  • Neu und immer wichtiger werden alle Formen der Kommunikationsinfrastruktur, Das betrifft nicht nur das klassische Internet und von Menschen genutzten Endgeräte, sondern von Daten, die sich nach gewissen Logiken austauschen, ergänzen und Handlungen oder Impulse auslösen.
  • Wir müssen in die Daten getriebenen Infrastruktur und Verwaltungssysteme der Zukunft den Menschen auf eine neue Art und Weise hereinbringen: Ethik und Empathie werden da die Key-Codes sein.

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