Judith Schilling-Grabher
Judith Schilling-Grabher: "An der Front zu sein‘, der direkte Kontakt, das hatte ich privatwirtschaftlich und jetzt genauso auch im Amt."
© Gemeinde Bildstein

Die polyglotte Sachpolitikerin

Judith Schilling-Grabher ist Bürgermeisterin von Bildstein. Die weitgereiste Vorarlbergerin ist ein Teamplayer und konsensorientiert. Zusammen mit den Gemeinderäten (allesamt der Einheitsliste) stellt sie sich den kommenden Aufgaben.

Einmal tief einatmen. Der Blick gleitet vorbei an den historischen Gebäuden, deren geschichtsträchtige Schönheit seit Jahrhunderten die Gläubigen erfreut. Sie pilgern zu jener Basilika, die inmitten dieser alten Höhensiedlung thront. Von hier oben sieht man die tausenden Lichter der dicht besiedelten Küste, während am Horizont der Sonnenuntergang über dem Meer pures Urlaubsfeeling aufkommen lässt.

Blick auf das Rheintal
Von Bildstein aus bietet sich ein atemberaubender Ausbilck auf das Rheintal und den Bodensee.  
 

Wallfahrtskirche wurde vom Papst aufgewertet  

Nein, die Rede ist nicht von einem Ort in Italien oder Spanien. Diese Stimmung vermittelt ein Ort in Österreich. Gut, das Meer, genauer gesagt das Schwäbische Meer, kann man auch Bodensee nennen, und die dichtbesiedelte Küste ist das Rheintal mit dem Ufer um Bregenz.

Die Wallfahrtskirche ist allerdings eine richtige Basilika und wurde erst vergangenes Jahr von Papst Franziskus in den Rang einer „Basilica minor“ erhoben.

Der Ort heißt Bildstein und ist das Zentrum eines Streusiedungsgebietes, das die gleichnamige Gemeinde bildet. Er befindet sich auf einem Bergrücken des Bregenzerwaldgebirges, das an dieser Stelle eine scharfe Grenze zum unmittelbar anschließenden flachen Rheintal bildet.

Wallfahrtskirche Bildstein
Die Pfarr- und Wallfahrtskirche Bildstein ist dem Fest Mariä Heimsuchung geweiht und besitzt überregionale Bedeutung. 2018 wurde sie von Papst Franziskus zur Basilica minor erhoben. 

Politisches Engagement liegt in der Familie

Die Bürgermeisterin von Bildstein ist Judith Schilling-Grabher, und das seit bald vier Jahren. Ihr Aufstieg begann allerdings schon wesentlich früher, und das im wörtlichen Sinne, denn ursprünglich stammt sie von da unten, vom Ufer, aus Höchst.          

Dort war schon ihre Mutter Gemeinderatsmitglied und Jahrzehnte lang politisch engagiert. Politisches war in Schilling-Grabhers Elternhaus immer präsent, und das hat die nunmehrige Bürgermeisterin schon von klein auf geprägt.

Als sie 2010 nach Bildstein zog, fragte sie der damalige Bürgermeister, ob sie nicht in die Gemeindepolitik eintreten wolle, und so kam es, dass sie Gemeindevertreterin und Mitglied in diversen Ausschüssen wurde. Den Prüfungsausschuss leitete sie als Obfrau. In den folgenden fünf Jahren sammelte sie durch diese Aufgaben wertvolle Erfahrungen in der Gemeindepolitik.

Zweijährige Bedenkzeit

Gleichzeitig absolvierte die Wirtschafts-Fachfrau auch noch ihr Managementstudium. Freizeit blieb ihr daher kaum, und als sie der Bürgermeister fragte, ob sie sich vorstellen könne, sein Amt zu übernehmen, „war das für mich überhaupt kein Thema“.   

Die Option bestand jedoch weiterhin, und nach einem längeren Reifungsprozess von über zwei Jahren, in dem sie sehr genau abgewogen hat, wie das mit der Vereinbarkeit von Amt und Familie aussieht, und nachdem sie das Studium erfolgreich mit dem Masterabschluss beendet hat, „hab’ ich mich schlussendlich dann doch dazu entschieden.  Auch weil mich meine Familie unterstützt hat – insbesondere mein Mann, der noch mehr Teile der Familienarbeit noch mehr übernommen hat. Diese Notwendigkeit war uns schon bewusst, da es doch sehr viele Abend- und Wochenendtermine wahrzunehmen gibt.“ 

Keine Vorbehalte gegen eine Frau Bürgermeister

Vorbehalte, weil nun eine Frau Bürgermeisterin sein würde, gab es - in Vorarlberg leider keine Selbstverständlichkeit (Stichwort: Egg) - keine: „Überhaupt nicht, man hat mich sehr positiv bewertet, und die Bevölkerung war diesbezüglich sehr offen. Sie haben mich da ja auch schon gekannt. Anders als zu dem Zeitpunkt, zu dem ich hierher gezogen bin, aber auch damals waren sie offen für Neues“, lässt Schilling-Grabher nichts über ihre Bürger kommen.  

Mit Menschen umgehen kann sie gut. Diese Erkenntnis hat Schilling-Grabher schon in ihrem früheren Arbeitsleben in der Privatwirtschaft gemacht, als sie in einem großen Textilunternehmen tätig war: „Da wie dort hat man Kontakt mit den verschiedensten Menschen. ,An der Front zu sein‘, der direkte Kontakt, das hatte ich privatwirtschaftlich und jetzt genauso auch im Amt. Das ist das Gemeinsame und der Punkt, der mich immer begleitet hat.“

Beruflich jedes halbe Jahr in einem anderen Land

Mit unterschiedlichsten Charakteren umzugehen lernte die heutige Bürgermeisterin bei ihren früheren Auslandstätigkeiten. Drei bis vier Jahre arbeitete sie im Ausland und hat dabei verschiedenste Länder kennengelernt: „Ich habe für einen Reiseveranstalter gearbeitet, von Amerika bis Asien in zahlreichen Ländern. In Europa vor allem in Spanien und Bulgarien, quasi jedes halbe Jahr war ich in einem anderen Land.  Das war eine sehr prägende Phase in meinem Leben, privat wie auch beruflich. Und es war eine tolle Zeit!“  

So ungebunden Schilling-Grabher damals war, so ortsverbunden ist sie heute. Bildstein ist ihre Heimat geworden. Diese Heimat will sie gestalten, und zu tun gibt es genug, wobei ihr Entscheidungen grundsätzlich nicht schwer fallen. „Für mich ist es immer wichtig, fundierte Grundlagen und Informationen zu haben, um eine Entscheidung zu treffen. Basierend darauf fällt es dann leicht, sie fachlich und sachlich zu erklären.“

 

Seit vier Jahren ist sie mittlerweile Bürgermeisterin. Die Frage, was in dieser Zeit ihr größter Erfolg war, möchte sie jedoch nicht beantworten, denn „ich habe das Amt immer als Arbeit im Team gesehen, und sehe das auch jetzt so. Ich alleine kann ja nicht viel tun. Ich kann Anstöße geben und Dinge in die Wege leiten, aber ohne Vorstand oder die Gemeindevertretung wären Projekte undenkbar. Beschlüsse sind gemeinsame Entscheidungen und gemeinsam zu fassen.“

Gemeindeamt Bildstein
Malerisch thront das Gemeindeamt von Bildstein gegenüber der Basilika über dem Rheintal.

Stolz auf die Finanzverwaltung

Stolz ist sie dennoch auf einiges, etwa die Gründung der Finanzverwaltung. „Wir haben ja sehr viele Kooperationen mit anderen Gemeinden zusammen. Das war eine wichtige Entscheidung.“

Gut ist auch die Einführung des Pilotprojekts Anrufbus, ebenfalls zusammen mit acht anderen Gemeinden, der sehr gut angenommen wird. „Das ist ein Zusatz an Flexiblilität für die Bevölkerung in den Abendstunden.“ Generell ist es eine Herausforderung, die Infrastruktur am Laufen zu halten, „denn wir sind nun einmal eine relativ kleine Gemeinde mit wenig finaziellen Mitteln.“

Bildstein ist auch eine Zuzugsgemeinde. „Wir haben in den letzten drei Jahren einen Bevölkerungszuwachs von über 100 Personen verzeichnet. Allein letztes Jahr über 50. Das ist für uns sehr viel. Wir müssen uns um die Schule kümmern, den Kindergarten, schauen, dass der Nahversorger da bleibt -  und um alles, was man für eine familiengerechte, freundliche Gemeinde so braucht, von der Jugend bis zu den Senioren.“

Die nächsten Projekte

Davon abgesehen stehen noch einige weitere Aufgaben an: „Das nächstgrößere Projekt ist die Erstellung des Kanalkatasters“, erzählt Schilling-Grabher. „Das ist sicher ein Projekt, das über zwei Jahre dauern wird. Wir haben es jetzt einmal in der Gemeindevertretung beschlossen und auch in der Eröffnungsbilanz. Allerdings sind momentan die Preise leider so hoch, dass wir relativ schwierig an Angebote kommen. Vom Land ist es bis zu einer gewissen Frist vorgeschrieben. Fakt ist, wir müssen einen Kanalkataster erstellen, das ist ein größerer Posten. Dann gibt es die neue Raumplanungsnovelle, die ab 1. 3. in Kraft trat, und durch die es auch zu Veränderungen kommt. Wir müssen das räumliche Entwicklungskonzept spätestens bis 2022 überarbeiten - mit Bürgerbeteiligung etc. Das wird sicher auch etwas Umfangreiches werden“, gibt die Bürgermeisterin einen Ausblick auf kommende Aufgaben. „Und eine Herausforderung ist natürlich auch leistbares Wohnen. Das ist ein großes Thema in ganz Vorarlberg. Die Preise sind inzwischen astronomisch.“  

Die Vorteile einer Einheitsliste

Die Bildsteiner werden auch diese Probleme meistern. Das Arbeitsklima im Gemeinderat ist gut. Die Bildsteiner Liste hat zwölf Mandate, andere Parteien sind nicht vertreten.

„Gottseidank ist es so. Das ist sehr positiv“, meint Schilling-Grabher. „Solange es eine Eineitsliste gibt, macht es für mich Sinn, weil es reine Sachpolitik und keine Parteienpolitik gibt. Sachthemen kann man besprechen, und auch wenn man unterschiedlicher Meinung ist, ist das konstruktiv. Die Kommunikation ist sehr wertvoll, und schlussendlich finden wir den Konsens. Ich finde es nur positiv!“   

Zur Person

Judith Schilling-Grabher 

Alter: 53

Gemeinde: Bildstein

Einwohnerzahl: 766 (1. Jänner 2018)

Bürgermeisterin seit: 13. April 2015

Partei: Bildsteiner Liste