„Der Bürgermeister muss die Leute, die im Ort leben, gut kennen. So kann er am besten beurteilen, wenn jemand eine Veränderung durchmacht.“ Wolfgang Sobotka über die Möglichkeiten, die Gemeinden haben, die Sicherheitslage im Ort zu erhöhen.

„Die Mindestsicherung muss gerecht sein“

Sicherheit und Integration sind die Themen, die die Gemeinden im derzeit besonders bewegen. KOMMUNAL sprach darüber mit Innenminister Wolfgang Sobotka.

Sie waren Bürgermeister und jahrelang in der Landespolitik tätig. Welche Erfahrungen haben Sie in das Ministeramt mitgenommen?



Erstens, dass man problemorientiert arbeiten muss. Zweitens, dass die Menschen erwarten, dass man erkennt, welche Themen wichtig sind und dass man Lösungen anbietet.

Und drittens habe ich in meinen bisherigen Ämtern den Wert des Föderalismus schätzen gelernt. Man soll die Dinge dort belassen, wo sie am besten zu lösen sind. Das zeigt sich gerade jetzt beim Sicherheitsthema: Wenn es um Präventionsfragen geht, sind die Gemeinden ideale Partner.

Es zeigt sich auch immer wieder, dass Probleme am kostengünstigsten auf der untersten Ebene gelöst werden können.



Das Thema, das die Menschen derzeit am meisten bewegt, ist der Terror. Wie akut ist die Gefahr?



Die Wahrheit ist zumutbar: Wir müssen davon ausgehen, dass ganz Europa vom Terror bedroht ist. Wir wissen aber nicht wann und wo etwas passieren kann und auch nicht wer am unmittelbarsten bedroht ist.

Wir tun, was menschenmöglich ist, um Gefahren rechtzeitig zu erkennen – etwa wenn es darum geht, mögliche Attentäter zu identifizieren. Aber wie beispielsweise Nizza gezeigt hat, sind Anschläge nicht zu verhindern.

Wir haben im Familienministerium eine Hotline eingerichtet, an die sich beispielsweise Eltern, deren Kinder nach Syrien oder in den Irak gegangen sind oder von dort zurückgekommen sind, wenden können. Bisher gab es bereits über 1000 Anrufe. Das zeigt, dass wir hier auf dem richtigen Weg sind.



Kann eine Gemeinde, ein Bürgermeister etwas tun, um die Sicherheit im Ort zu erhöhen?



Der Bürgermeister muss die Leute, die im Ort leben, gut kennen. So kann er am besten beurteilen, wenn jemand eine Veränderung durchmacht. Und der Bürgermeister und die Gemeinde können mit guter Integrationsarbeit viele Probleme vermeiden. Wichtig ist es auch, von neuen Gemeindebürgerinnen und –bürgern zu verlangen, dass sie sich, etwa in der Freiwilligenarbeit, einbringen.

Die Erfahrung zeigt, dass Gemeinden, die sich um Integration bemühen, sehr erfolgreich sind. Die Erfahrungen, die dabei gemacht werden, können sie anderen Kommunen zur Verfügung stellen.



Im Frühjahr wurde von Innenministerium und Gemeindebund die Initiative „Gemeinsam Sicher“ ins Leben gerufen. Sicherheitsgemeinderäte und „Sicherheitsbürger“ sollen eine Schnittstelle von Polizei und Bevölkerung sein. Gleichzeitig sollte auch der Gemeindepolizist ein Comeback feiern. Wie sind die bisherigen Erfahrungen?



Die Erfahrungen in den vier Pilotbezirken sind sehr gut. Wir sind derzeit dabei, die Namensgebung klarer zu formulieren, damit die Aufgabenverteilung klarer wird. Es wird ein Sicherheitsforum geben, wo es einen Polizisten als Ansprechpartner geben wird; ein Sicherheitsgemeinderat wird dort die Gemeinde vertreten. Darüber hinaus können sich auch Sicherheitspartner aus der Bevölkerung, aber auch Firmen, einbringen.

Im Sicherheitsforum soll dann ein Sicherheitsprofil der Gemeinde erstellt werden. So soll klar werden, was gut funktioniert und wo Handlungsbedarf besteht.



Anderseits wurden Polizeidienststellen geschlossen. Wie passt das zusammen?



Eine Polizeidienststelle bringt ja noch keine Sicherheit. Posten mit drei oder fünf Beamtinnen und Beamten sind nicht effizient. Wichtig ist, dass es funktionierende Einheiten gibt, sodass verstärkt Streifen auf der Straße sind.



Immer wieder wird der Ruf nach privaten Bürgerwehren laut. Ist das nicht eine bedenkliche Entwicklung?



Bis zum Jahr 2020 werden wir zusätzlich 20.000 Polizistinnen und Polizisten einstellen. Von privaten Bürgerwehren halte ich gar nichts, weil sie die Sicherheit nicht erhöhen.

Bei der Zahl der Polizeikräfte sind wir gut aufgestellt. Jetzt geht es darum, die Beamtinnen und Beamten dort einzusetzen, wo sie gebraucht werden. In Kriminalitäts-Hotspots brauchen wir mehr Leute als in Gegenden, in denen kaum etwas passiert.



Bürgermeister sagen, dass es fast unmöglich ist Wahlkommissionen wie vorgeschrieben zu besetzen, weil es einfach zu wenig Beisitzer gibt. Durch die Entwicklung der letzten Monate wird sich diese Situation kaum verbessern. Sie haben vorgeschlagen, das Beisitzen zu einer Bürgerpflicht zu machen. Verfolgen Sie diese Idee weiterhin? Wie ist der aktuelle Stand?



Ich bin zuversichtlich, dass die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister Beisitzer motivieren können.

Wenn sich aber Gemeinden außerstande sehen, genügend Beisitzer zu nominieren, dann muss man andere Wege gehen – z. B. wie bei den Geschworenengerichten. Eine andere Möglichkeit wäre ein Bezahlsystem. Dazu wird es sicher im Parlament Diskussionen geben. Sicher ist aber, dass wir an der Struktur, wie bei uns Wahlen organisiert werden – also mit Wahlkommission, Beisitzern und Wahlbeobachtern – festhalten werden.



Was würde die Einführung eines zentralen Wählerregisters für die Gemeinden bedeuten?



Es würde beispielsweise vermieden werden, dass – wie das ja bei der Bundespräsidentenwahl passiert ist – Unter-16-Jährige zur Wahl zugelassen werden. Auch Doppelnennungen würde es keine mehr geben.



Wie ist der aktuelle Stand der Umsetzung?



Es gibt eine Initiative der beiden Regierungsparteien und Signale der Oppositionsparteien, dass sie dafür stimmen werden.



Bei Landes- und Gemeindewahlen werden schon jetzt Briefwahlstimmen direkt in den Gemeinden am Wahltag ausgezählt. Dieses Prinzip schlägt Gemeindebundpräsident Mödlhammer nun auch für Bundeswahlen vor. Damit hätte man noch am Wahltag ein vollständiges Ergebnis. Was halten Sie davon?



Ein derartiges Modell halte ich für sinnvoll.



Ihre Vorschläge zur Reform der Mindestsicherung (jahrelange Wartezeit auf die Leistung, Deckelung, Verpflichtung zu gemeinnütziger Arbeit) haben für heftige Diskussionen gesorgt. Stehen Sie noch dazu?



Große Teile der Bevölkerung sind der Ansicht, dass es einen Unterschied geben muss zwischen Sozialleistungen, vor allem der bedarfsorientierten Mindestsicherung, und wenn man arbeiten geht. Und die Menschen meinen auch, dass jemand, der Sozialleistungen in Anspruch nimmt, auch etwas in das System eingezahlt haben muss.



Aus dieser Überlegung heraus gibt es für die ÖVP einen zentralen Ansatz: Die Mindestsicherung muss gerecht sein. Es ist ungerecht, wenn ein Asylberechtigter mit mehreren Kindern sowohl in der bedarfsorientierten Mindestsicherung etwas für die Kinder bekommt und zusätzlich noch Familienbeihilfe erhält. Daher wollen wir eine Deckelung.



Ein Vorbild könnte das dänische Modell sein: Bevor man anspruchsberechtigt ist, muss man fünf Jahre einen Wohnsitz im Land haben. Davor gibt es eine Grundversorgung mit Taschengeld und zusätzlich einen Integrationsbonus, z. B. wenn man einen Deutschkurs besucht.



Ist geplant, hier die Gemeinden stärker einzubinden? Denn dort weiß man ja am besten, wer sich gut integriert und wer nicht.



Ich glaube, dass der Integrationsminister in diese Richtung denkt.



Im Rahmen des Gemeindetags wird im Oktober der Österreichische Gemeindepreis vergeben. Wie viele Einreichungen gibt es bereits?



In Österreich gibt es eine Fülle von Gemeinden sowie von Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, die hervorragende Arbeit leisten. Diese sollen vor den Vorhang geholt werden und als positive Beispiele dienen. Bisher gibt es bereits über 6000 Einreichungen.



Innenminister Wolfgang Sobotka im Gespräch mit Kommunalverlag-Geschäftsführer Michael Zimper und Redakteur Helmut Reindl. Mit dabei: Pressesprecherin Katharina Nehammer