Bernadette Schöny
Bernadette Schöny: „In Kaltenleutgeben kennt man einander und man hilft sich.“

Die jüngste Bürgermeisterin

Seit den letzten Gemeinderatswahlen Ende Jänner dieses Jahres leitet Bernadette Schöny die Geschicke ihres Heimatortes, der Marktgemeinde Kaltenleutgeben. Mit ihrer Ernennung avancierte sie zur jüngsten Bürgermeisterin Österreichs.

Kaltenleutgeben (mit der Betonung auf „leut“) ist eine Marktgemeinde südwestlich von Wien, die unmittelbar an die Bundeshauptstadt grenzt. Vereinfacht gesagt, handelt es sich bei ihr um ein langes, schmales Tal, das somit auch die Siedlungsform der Ortes vorgegeben hat. Entlang der Hauptstraße bzw. links und rechts davon an den mitunter recht steil geneigten Hängen haben sich die Menschen niedergelassen.

Kaltenleutgeben
Kaltenleutgeben ist ein topografisch bedingt lang gestreckter Ort, der sich im Wesentlichen entlang der Hauptstraße und an den teils steilen Hängen des schmalen und dicht bewaldeten Tals erstreckt. Foto: CC BY-SA 3.0 at - Zenturio2500

Einst war Kaltenleutgeben ein Kurort, in dem unter anderem auch Mark Twain ein halbes Jahr gewohnt hat. Danach wandelte sich die stark bewaldete Gemeinde (73 %), die von West nach Ost von der Dürren Liesing durchflossen wird, zu einem Industriestandort.

Über Jahrzehnte war die Zementfabrik Perlmooser der bestimmende Hauptbetrieb. Mittlerweile ist dieser stillgelegt und Kaltenleutgeben heute eher eine Wohnsitzgemeinde – auch mit vielen Zweitwohnsitzen der Wiener. Auch einen Beachvolleyballplatz gibt es hier. Das ist wichtig, denn der gemeinsame Einsatz mit anderen für seine Errichtung war der eigentliche Anlass, der Bernadette Schöny in die Politik brachte. Heute steht sie an der Spitze der Gemeinde, und zwar im Alter von 27 Jahren als jüngste Bürgermeisterin Österreichs. 

Dürre Liesing
Die „Dürre Liesing“ entspringt bei Kaltenleutgeben und durchfließt das Gemeindegebiet von West nach Ost. Nach dem Zusammenfluss mit der Reichen Liesing (im Bild) bildet sie den Liesingbach, dem der 23. Wiener Gemeindebezirk seinen Namen verdankt. Foto: CC BY-SA 4.0 - Tiefkuehlfan

Schöny hat also schon recht früh begonnen, sich politisch zu interessieren und zu engagieren: „Zuerst war ich Klassensprecherin in der Schule und 2009 bin ich der Jungen ÖVP beigetreten. Zuerst wollte ich eigentlich nur den Beachvolleyballplatz in Kaltenleutgeben mitgestalten, bin dann aber bei der ÖVP geblieben, habe meinen ersten Wahlkampf 2010 mitgeschlagen, und mittlerweile kann ich sagen, dass auch ein großer Freundeskreis daraus entstanden ist.“

Schöny ist in Kaltenleutgeben aufgewachsen, hier wohnt ihre Familie und hier wohnt sie auch noch immer mit ihrem Partner Stefan, mit dem sie bereits seit über elf Jahren liiert ist. Im Jänner bzw. Sommer möchte das Paar übrigens standesamtlich und kirchlich heiraten.

Trotz aller Heimatverbundenheit ist die junge Bürgermeisterin auch schon viel herumgekommen, nicht nur weil Reisen eine ihrer großen Leidenschaften ist. Unter anderem hat sie ein Jahr in Kalifornien gelebt und gearbeitet. In Deutschland machte sie ein mehrmonatiges Praktikum und in New York arbeitete sie in der Außenhandelsstelle der Wirtschaftskammer . „Dort habe ich wirklich sehr wichtige Erfahrungen sammeln können“,erzählt sie.  

Für Schöny ist heuer ein Jahr großer Veränderungen. So hat sie etwa diesen Sommer ihr Studium der Betriebswirtschaftslehre erfolgreich abgeschlossen. Das bedeutete für sie auch insofern eine Erleichterung, da sie bis vor Kurzem zwischen ihrem Wohnort Kaltenleutgeben, ihrem Studienort Krems und ihrem Arbeitsplatz in St. Pölten pendeln musste.

Die beiden letzten fielen heuer weg, Krems wegen des Bachleor-Abschlusses, und St. Pölten, weil Schöny ihren dortigen Brotberuf aufgegeben hat: „Ich war dreieinhalb Jahre Geschäftsführerin der Jungen ÖVP in Niederösterreich. Das ist die größte politische Jugendorganisation in Niederösterreich. Ich leitete dort die politischen Geschäfte und das Büro mit allen Mitarbeitern.“ Im Mai hat sie diese Funktion allerdings an Melanie Schneider aus Payerbach abgegeben, um sich mit voller Kraft und so viel Zeit wie möglich dem Bürgermeisteramt widmen zu können. Dieses ist schließlich auch eine markante Veränderung des Jahres 2020.

Beim ersten Antritt Gemeinde gedreht 

Bei den Gemeinderatswahlen am 26. Jänner wurden dafür die Weichen gestellt. Die ÖVP und die Grünen verzeichneten als einzige Parteien Stimmen- und Mandatszugewinne, sodass sie gemeinsam eine Mehrheit im Gemeinderat erlangten und Bernadette Schöny erstmals in das Bürgermeisteramt wählten. Eine Premiere, denn bislang stellte immer die SPÖ den Bürgermeister.

Die frischgebackene Ortschefin ist jedoch alles andere als ein Neuling in der Kommunalpolitik. Bereits die letzten fünf Jahre war sie geschäftsführende Gemeinderätin für Familie und Gesundheit. In dieser Zeit hat sie auch einige wichtige Initiativen ins Leben gerufen, so zum Beispiel das G’sunde Familienfest, WIFI4EU oder das Klima- und Umweltmanifest. Vernetzt ist sie ohnehin bestens: „Der Austausch mit der Bezirks-, Landes- und Bundesebene ist mir ein besonderes Anliegen. Gerade durch meine Arbeit in St. Pölten kam und komme ich immer wieder mit wichtigen Entscheidungsträgern zusammen und kann dort die wichtigen Themen unserer Gemeinde einbringen.“  

Stolz auf die Gemeinde

Schöny ist nicht nur politisch erfahren, sondern auch stolz auf ihre Heimat, und das spürt man: „Kaltenleutgeben ist ein recht langes, schmales Tal – das macht unsere Gemeinde auch so besonders im Vergleich mit anderen Gemeinden im Bezirk Mödling. Gerade für Familien ist es schön, hier zu wohnen. Wir haben unsere Volksschule und unseren Kindergarten und in der Nachbargemeinde haben wir eine Mittelschule und ein Gymnasium. Außerdem genießen wir hier alle Vorteile von Wien, wir genießen alle Vorteile der Großstadt und haben trotzdem ein wirklich tolles Naherholungsgebiet mit dem Wienerwald, der direkt vor der Tür ist.“

Julienturm
Die Aussichtswarte „Julienturm“ und die angeschlossene Schutzhütte der Naturfreunde auf dem Gipfel des 645 Meter hohen Höllensteins sind ein beliebtes Ausflugsziel in Kaltenleutgeben. Foto: CC BY-SA 4.0 - Bwag

Außerdem merkt sie an: „Hier in Kaltenleutgeben kennt man einander und man hilft sich, und das macht unsere Gemeinde ganz besonders!“ Daher ist Schöny auch das Miteinander in der Politik - gerade auf der Gemeindeebene - ein besonderes Anliegen: „Ich bin der Überzeugung, dass die Bevölkerung kein Interesse an Konflikten hat, sondern will, dass etwas weitergeht. Natürlich gibt es da auch die eine oder andere Diskussion, aber wenn zum Schluss dabei etwas Gutes rauskommt, war es das auf jeden Fall wert.“

Nach dem Stark kam gleich der Lockdown

Als kommendes großes Projekt hat Schöny den Umbau bzw. die Renovierung des Turnsaals der örtlichen Volksschule auf dem Plan. Dabei soll auch eine Aula dazugebaut werden. Bislang konnte sie sich derartigen Vorhaben nur bedingt widmen, denn der Start in ihr Amt verlief alles andere als erwartet. Nur einen Tag nach ihrer Angelobung kam der Lockdown, der die 27-Jährige vor ungekannte Herausforderungen stellte.

Vorstellungsrunden, Treffen oder Diskussionen wurden abgesagt oder fanden erst gar nicht statt. Die Information und der Schutz der Bevölkerung waren Priorität und Schöny musste quasi vom ersten Tag weg eine Ausnahmesituation managen, ohne einen Tag Erfahrung eines regulären Bürgermeisteralltags erlebt zu haben.

„Das waren sehr aufregende Wochen. Wir haben einen Krisenstab einberufen und teilweise wusste ich gar nicht, ob das,was ich gerade mache, eine normale Bürgermeistertätigkeit ist oder etwas das ich coronabedingt zu tun habe“, erinnert sie sich zurück. Herausfordernd war in dieser Zeit manchmal auch das Zwischenmenschliche. „Der Kindergarten- und Schulbetrieb war nur sehr eingeschränkt - nur für Personen, die auch wirklich einen Betreuungsplatz für ihre Kinder notwendig hatten. Da zu entscheiden, welches Kind genommen werden darf und welches nicht, war nicht einfach. Oft waren es gerade kleine Sachen, die plötzlich zu großen Herausforderungen wurden.“ 

Mittlerweile hat sich die erste Aufregung in der Bevölkerung gelegt und man hat sich daran gewöhnt, den Alltag mit Corona zu leben. Feste und Feierlichkeiten musste Schöny zwar verschieben, aber langsam und vorsichtig nähert man sich so weit wie möglich der Normalität an. Jubilare aus der Gemeinde besucht sie zu Hause und wenn es die Corona-Regeln gestatten, spielt sie auch heute noch auf dem Beachvolleyballplatz, der sie einst zur Politik brachte.

 

Zur Person

Bernadette Schöny

Alter: 27

Gemeinde: Kaltenleutgeben

Einwohnerzahl: 3.337

Bürgermeisterin seit: März 2020

Partei: ÖVP