Wasserkraftwerk
Burgenland, Kärnten, Salzburg, Tirol und Vorarlberg wiesen 2020 bereits einen Anteil der Erneuerbaren an der Stromproduktion von deutlich über 90 % auf, in Niederösterreich lag er bei 86 % und in Oberösterreich und der Steiermark bei rund drei Vierteln. In den meisten Bundesländern dominierte dabei die Wasserkraft, nur im Burgenland stammte der größte Teil der produzierten elektrischen Energie aus Windkraftanlagen.
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Energie

Die Elektrizitätswende als Chance für den ländlichen Raum?

Österreich will bis zum Jahr 2040 klimaneutral werden. Dieses ambitionierte und mit den EU-Klimazielen eng abgestimmte Vorhaben wird gewaltige Anstrengungen erfordern. Für den kompletten Umbau des österreichischen Energiesystems, das schon bis zum Jahr 2030 bilanziell national zu 100 Prozent Ökostrom produzieren soll, wurde sogar ein neues Gesetz nötig: das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG). Es regelt, wie bis zum Jahr 2030 zusätzliche 27 Terawattstunden (TWh) Strom aus erneuerbaren Ressourcen produziert werden sollen. Österreich setzt dabei vor allem auf einen massiven Zubau an Windkraft (+10 TWh) und Sonnenenergie (+11 TWh); aber auch aus Wasserkraft (+5 TWh) und Biomasse (+1 TWh) wird absolut mehr Strom produziert werden müssen. Zur Finanzierung dieser Anstrengungen stellt der Bund im Rahmen des EAG bis zum Jahr 2030 pro Jahr eine Milliarde Euro (die sogenannte Ökostrommilliarde) zur Verfügung. Doch inwiefern kann auch der ländliche Raum davon profitieren?

Von diesen Mitteln könnte der ländliche Raum in besonderer Weise profitieren, da die Stromerzeugung zukünftig deutlich dezentraler stattfinden wird als heute und daher durch das EAG viel Geld dorthin geleitet werden muss. Besonders Wind- und Sonnenenergie benötigen günstige Standorte, die sich am Land wohl eher finden werden als in den Städten.

Schon heute gibt es zum Beispiel Konzepte, Photovoltaikanlagen in die landwirtschaftliche Produktion zu integrieren und damit Flächen doppelt zu nutzen.[1]

Auch Windkraftanlagen lassen sich in der Landwirtschaft hervorragend integrieren. Zwar werden auch im städtischen Raum viele Maßnahmen ergriffen – die Stadt Wien plant zum Beispiel eine umfassende PV-Offensive[2] – der ländliche Raum wird aber mengenmäßig einen größeren Beitrag leisten können und müssen.

Wie die Abbildung unten zeigt, erfolgte auch schon 2020 der Großteil der Stromproduktion aus Erneuerbaren in den Bundesländern: Burgenland, Kärnten, Salzburg, Tirol und Vorarlberg wiesen dadurch bereits einen Anteil der Erneuerbaren an der Stromproduktion von deutlich über 90 % auf, in Niederösterreich lag er bei 86 % und in Oberösterreich und der Steiermark bei rund drei Vierteln.

In den meisten Bundesländern dominierte dabei die Wasserkraft, nur im Burgenland stammte der größte Teil der produzierten elektrischen Energie aus Windkraftanlagen. Strom aus fossilen Quellen wird vor allem noch in Oberösterreich, Niederösterreich, der Steiermark und Wien erzeugt. Burgenland, Kärnten, Salzburg, Tirol und Niederösterreich konnten netto betrachtet Strom exportieren, während die Steiermark, Vorarlberg, Wien und Oberösterreich auf Importe angewiesen waren.

Auffallend ist außerdem der stark unterschiedliche Bruttoendenergieverbrauch je EinwohnerIn. Den Hauptgrund dafür stellt der Strombedarf des produzierenden Bereichs dar, der in Oberösterreich und der Steiermark relativ betrachtet am größten und in Wien mit Abstand am geringsten ist.

Stromaufbringung und Stromverwendung nach Bundesländern in TWh je 100.000 EinwohnerInnen, 2020

Energiebilanzen der Bundesländer
Quelle: Statistik Austria (2021): Energiebilanzen der Bundesländer; Eigene Darstellung.
Anmerkung: Der Bruttoendenergieverbrauch umfasst den Stromverbrauch der Endverbraucher (private Haushalte, produzierender Bereich, öffentliche und private Dienstleistungen, Verkehr, Landwirtschaft) sowie Netzverluste und den Eigenverbrauch des Sektors Energie.

Die Österreichische Energieagentur[3] hat in einer aktuellen Studie die vom Bund gemäß EAG gesteckten Ausbauziele mit den Zielen der einzelnen Bundesländer verglichen und findet dabei große Diskrepanzen. Rechnet man zusammen, was sich die Länder jeweils vorgenommen haben, dann wird man das Bundesziel bis zum Jahr 2030 nicht erreichen können. Nach aktuellem Stand würden viele Bundesländer nicht einmal ihre eigenen, ohnehin schon zu niedrig gesteckten Ziele erreichen.

Ausbauchancen und Potenziale

Die Energieagentur identifiziert aber nicht nur die Lücken, sondern interpretiert diese zugleich als Ausbauchancen und zeigt die Potenziale der jeweiligen Bundesländer auf. Zum Beispiel wird das Burgenland, in dem nur drei Prozent der österreichischen Bevölkerung lebt und über drei Viertel der Gemeinden als ländlicher Raum gelten,[4] bis 2030 rund 3,3 TWh Strom zusätzlich aus Windenergie aufbringen, also für ein Drittel der nationalen Ausbauziele einstehen müssen.

Fast die Hälfte des nötigen Zubaus im Bereich der Wasserkraft wird in Tirol stattfinden, das ebenfalls überwiegend ländlich geprägt ist und wo kaum neun Prozent der Menschen leben. Die Stadt Wien dagegen, wo über 20 Prozent der österreichischen Bevölkerung lebt, wird – trotz ihrer PV-Offensive – bei keiner der Technologien eine nennenswerte Rolle spielen.

Ein großer Teil der Ökostrommilliarde wird also in Gegenden verwendet werden, in denen eher wenige Menschen leben, in denen aber viel Fläche mit guten natürlichen Bedingungen für Wind-, Solar- und Wasserkraft vorzufinden ist. Das Geld wird allerdings für Vorleistungen in Form von Gütern und Dienstleistungen ausgegeben, die zu einem erheblichen Teil auch wieder zu einer Wertschöpfung außerhalb der ländlichen Räume führen. Wie viel verbleibt tatsächlich im ländlichen Raum?

Was von der Ökostrommilliarde im ländlichen Raum ankommen könnte

In einer aktuellen, durch das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) geförderten Untersuchung des Instituts für Höhere Studien (IHS) wurden die ökonomischen Effekte der Ökostrommilliarde berechnet.[5] Dabei wurde die Betrachtung noch einmal deutlich erweitert und die volkswirtschaftlichen Effekte der Investitions- und Betriebseffekte der Ökostrommilliarde für die einzelnen Stromerzeugungstechnologien aus Erneuerbaren quantifiziert.

Demnach variieren die heimischen Beschäftigungs- und Wertschöpfungseffekte von Investitionsausgaben erheblich zwischen den einzelnen Technologien. So fließen bei Investitionen in Windkraft- und Photovoltaikanlagen in der Bauphase viel Wertschöpfung und somit auch Beschäftigung ins Ausland ab, da die Anlagen hauptsächlich im Ausland produziert und in Österreich zumeist nur montiert werden.

In der Wasserkraft dagegen basieren Investitionen stark auf heimischen Wertschöpfungsketten. Bei der Planung und Errichtung von Wasserkraftwerken und der Herstellung von Anlagenteilen für Wasserkraftwerke nimmt Österreich eine führende Position ein, somit kann beim Ausbau der Wasserkraft viel Wertschöpfung und Beschäftigung im Inland gehalten werden. Zudem kommen bei allen Technologien insbesondere die Planungs-, Bau- und Installationsleistungen aus Österreich und werden häufig regional bezogen.

Bei den Betriebseffekten zeigt sich, dass der Betrieb aller Arten der erneuerbaren Stromerzeugung im Vergleich zu fossilen Energieträgern deutlich höhere heimische Wertschöpfungs- und Beschäftigungseffekte auslöst, da die bei Fossilen nötigen Brennstoffimporte aus dem Ausland entfallen. Innerhalb der Erneuerbaren nimmt die Stromerzeugung aus Biogenen (v.a. Biomasse und Biogas) eine Sonderstellung ein, da der Betrieb der Anlagen Rohstoffe benötigt, die vor allem aus der Land- und Forstwirtschaft stammen. Auch hier ist davon auszugehen, dass ein Teil der Rohstoffe zukünftig regional bezogen wird. Diese Studienergebnisse legen nahe, dass die einzelnen ländlichen Regionen je nach ausgebauter Technologie rein ökonomisch betrachtet unterschiedlich stark vom Ausbau der erneuerbaren Energieträger profitieren werden.

Herausforderungen für den ländlichen Raum

Die Energiewende birgt jedoch nicht nur Potenziale für die ländlichen Räume, sondern auch Herausforderungen. So können beispielsweise Interessenskonflikte bei der Landnutzung entstehen, die moderiert werden müssen. Wesentlich ist, dass die BürgerInnen aktiv in die Energiewende eingebunden werden, wozu auch der Zugang zu Informationen zählt. Auch im ländlichen Raum müssen Beratungsangebote – zum Beispiel für Energiegemeinschaften – geschaffen werden. Damit der Ausbau erneuerbarer Energieträger erfolgreich gestaltet werden kann, ist auch die Koordination zwischen den einzelnen Bundesländern zentral.

Forschungsbedarf

Während es für die gesamte österreichische Volkwirtschaft schon Abschätzungen der ökonomischen Effekte der Ökostrommilliarde gibt, besteht hinsichtlich der Potenziale für die ländlichen Räume in Österreich noch Forschungsbedarf.

Studien aus Deutschland[6] zeigen, dass vor allem der ländliche Raum von der Energiewende profitiert. Diese Ergebnisse sind jedoch aufgrund unterschiedlicher Strukturen der Energieerzeugung nicht eins zu eins auf Österreich übertragbar. So besteht beispielsweise noch Forschungsbedarf, ob die benötigten Fachkräfte für den Ausbau und den Betrieb von erneuerbaren Anlagen im ländlichen Raum verfügbar sind und wie regional die einzelnen Güter und Dienstleistungen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien bezogen werden. Denn nur wenn Unternehmen aus dem ländlichen Raum aktiv am Ausbau und dem Betrieb von Erneuerbaren beteiligt sind, kann er hinsichtlich Wertschöpfung und Beschäftigung profitieren.

[1] Vgl. z.B. Photovoltaic Austria: https://pvaustria.at/pvdoppelnutzenlw/

[5] Lappöhn et al. (Veröffentlichung voraussichtlich bis Mai 2022): Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung zur Ökostrommilliarde. Wien: Institut für Höhere Studien.