Volles Haus im EU-Parlament in Brüssel. Trotz der Jubiäumsfeierlichkeiten wurde ein sehr ambitioniertes Programm durchgezogen.
© European Union / John Thys / Philippe Buissin

Der AdR ist 25 Jahre alt

Gleich mehrere Gründe haben KOMMUNAL Anfang Dezember 2019 nach Brüssel geführt. Zum einen standen auf der Agenda der 137. AdR-Plenartagung (Ausschuss der Regionen) gleich einige Stellungnahmen, die gerade kleine und mittlere Gemeinden betreffen. Und zum zweiten feierte der AdR sein 25-jähriges Bestehen.

Eines wird mir immer unverständlich bleiben. Noch bei jedem Besuch im Ausschuss der Regionen war bei den Debatten der Mandatare – es sind dies ja die lokalen und regionalen Vertreter – fast greifbar, mit welcher Energie und mit welchem Enthusiasmus sie sich für diese Ebene der EU einbringen.

Die Stellungnahmen und Analysen, die der AdR erstellt, diskutiert und dann verabschiedet, werden anschließend den Organen der EU übermittelt. Diesen Organen wird dadurch ein Blick auf die Sicht der lokalen Mandatsträger ermöglicht. Jene Leute also, die den direkten Draht zu den Menschen haben – das ist eine Tatsache, die quer durch alle politischen Ebenen Europas anerkannt und bestätigt wird. Man sollte meinen, dass dieser „direkte Draht“ noch viel mehr Gehör in der Union und in den Staaten findet, weil er in den allermeisten Fällen die Standpunkte der Menschen Europas wiedergibt.

Und dennoch bleibt das Gefühl, dass die Vorschläge der kommunalen Mandatare auf dem weiteren Weg durch die Bürokratie Europas (und die braucht es auch, denn ohne kann man keinen Kontinent mit rund 500 Millionen Menschen verwalten) dann verwässert und verschleppt werden. Sei es durch kurzsichtige national-politische Widerstände oder die Einflussnahmen der vielen Lobbys, die ausschließlich von Profitdenken geleitet werden – es bleibt zu vieles auf dem Weg liegen und geht verloren.

Wie dem auch sei, erfreulich ist, dass die Mandatarinnen und Mandatare des AdR in ihren Anstrengungen nicht nachlassen, wie die folgenden zwei Beispiele zeigen sollen.

Die Herausforderungen für Metropolregionen und ihre Position in der künftigen Kohäsionspolitik nach 2020

Was auf den ersten Blick ein Stadt-Thema ist, hat massive Auswirkungen auf die eine Stadt umgebende Gemeinden.

Die zunehmende Verstädterung ist nicht nur ein österreichisches, sondern auch ein globales Phänomen. Sie bietet zwar Chancen, zwingt aber auch dazu, sich neuen Herausforderungen zu stellen, die durch die Zusammenarbeit der Einrichtungen und Akteure in den Metropolregionen bewältigt werden müssen.

Berichterstatter Juraj Droba, Vorsitzender des Bezirks Bratislava, meinte, dass „die EU für die Probleme der Metropolregionen sensibilisiert werden muss“. Die zunehmende Verstädterung bereitet diesen Regionen Schwierigkeiten.

Juraj Droba
Juraj Droba, Vorsitzender des Bezirks Bratislava: „Die zunehmende Verstädterung bereitet allen Regionen Schwierigkeiten.“

„Ich denke an die wachsende Nachfrage nach guten öffentlichen Dienstleistungen und Infrastrukturen, den knappen Wohnraum, die Umweltprobleme und die soziale Marginalisierung. Und bei all dem sind die Haushaltsmittel knapp“, führte der Slowake aus. Dennoch hätten diese Regionen ein großes Potenzial. Wohldosierte Unterstützung könnte eine Entwicklung nicht nur in den Metropolregionen in Gang setzen, sondern auch zu einer gerechten Verteilung des Nutzens für die entlegenen Regionen und zu engeren Banden zwischen Stadt und Land führen, was ein spürbarer Beitrag zur Überwindung regionaler Unterschiede wäre.

Makroregionale Strategie für die Karpaten

Von den Metropolregionen zu den kleinen und dezentral liegenden Gemeinden Europas. Dabei geht es weniger um die Umsetzung besserer Be dingungen für die Menschen, sondern schlicht um die Erhaltung des Naturreichtums und des multikulturellen Erbes Europas.

Falls Sie sich fragen, was die Karpaten mit Österreich zu tun haben: Die Ausläufer beginnen im Weinviertel und ziehen sich als mehr als 1300 Kilometer langer Bogen über die Slowakei, Ungarn, Südpolen, Rumänien und enden in Serbien und sind damit nach den Alpen das bestimmende Gebirgssystem in Europa. Gerade hier ist jede Menge kleiner Gemeinden zu finden, deren durchschnittliches BIP 50 Prozent des EU-Durchschnitts beträgt. Sie kämpfen noch mehr als andere mit den Problemen Abwanderung und fehlender Infrastruktur.

Darum ist der Inhalt der Stellungnahme Władysław Ortyls’, Marschall der Woiwodschaft Podkarpackie (polnisches Karpatenvorland), bedeutend für kleine und mittlere Gemeinden. „Sowohl in den bereits bestehenden makroregionalen Strategien als auch im Zuge der Konzipierung neuer kommt den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften eine Schlüsselrolle bei der Förderung von Demokratie, Dezentralisierung sowie lokaler und regionaler Selbstverwaltung zu.“

Władysław Ortyl
Władysław Ortyl, Marschall der Woiwodschaft Podkarpackie: „Den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften kommt eine Schlüsselrolle bei der Förderung von Demokratie, Dezentralisierung sowie lokaler und regionaler Selbstverwaltung zu.“

Die Strategien würden zu einem Bottom-up-Instrument für die territoriale Zusammenarbeit führen und beruhten auf dem Engagement regionaler und lokaler Akteure sowie der Zivilgesellschaft. Für Regionen, deren Entwicklungsmöglichkeiten eingeschränkt sind, weil sie sich im Verhältnis zu den Zentren der Entwicklung in Europa in einer Randlage befinden oder „aufgrund ihres Reliefs und der historisch bedingten Barrieren in Form von Grenzen verkehrs- und kommunikationstechnisch nur schwach angebunden sind, ist die Multi-Level-Governance noch wichtiger“, so Ortyl.
„Im Übrigen ist die Initiative für die erfolgreiche Alpenstrategie seinerzeit ebenfalls vom Europäischen Ausschuss der Regionen ausgegangen“, betonte der Berichterstatter. 

Der „Green Deal“ – Industrie, Energie, Verkehr, Heizen und Landwirtschaft müssen umgekrempelt werden

Einen großen Auftritt hatte Frans Timmermans, Vizepräsident der Europäischen Kommission. Mit dem „Green Deal für ein klimaneutrales Europa“ würden auf die Menschen jede Menge Veränderungen zurollen. Ziel sei, dass Europa keine neuen Treibhausgase mehr in die Atmosphäre entlässt – sie also entweder vermeidet oder in Wäldern speichert. Aber dazu, so Timmermans, müssten nicht nur Produktion und Energieversorgung komplett umgebaut werden, sondern sich auch in den Bereichen Verkehr, Heizen und Kühlen oder auch bei der Landwirtschaft die Dinge massiv ändern.

Timmermans meinte, dass entscheidend sein wird, die Menschen mitzunehmen. Viele könnten sich 15.000 oder 20.000 Euro für bessere Isolierung oder eine neue, umweltfreundliche Heizung einfach nicht leisten. „Wir müssen das für diese Menschen organisieren“, so Timmermans, der vorschlug, dass ein Vertragspartner den Umbau übernehmen könnten, den der Hausbesitzer dann über einige Jahre abzahlen könnte.

Auch das geplante „massive Programm zur Wiederaufforstung“ müsse genauer formuliert werden. Darin gehe es nicht nur um die Wälder, die bereits heute unter dem Klimawandel leiden, sondern auch um Grünflächen im innerstädtischen Bereich, die auf natürliche Weise für etwas mehr Kühlung sorgen könnten.

Timmermans formulierte auch Ziele des „Green Deal“: Bis 2030 sollen die europäischen Treibhausgase „in verantwortlicher Weise“ um bis zu 55 Prozent unter den Wert von 1990 gesenkt werden. Wie das gehen soll, will die EU-Kommission bis Oktober 2020 in einem umfassenden Plan aufzeigen. Und bereits im März 2020 soll eine neue Industriestrategie und ein neuer „Aktionsplan“ für die Kreislaufwirtschaft vorliegen.

Die Initiative für die von Timmermans angesprochene „Renovierungswelle“ soll in der ersten Hälfte 2021 folgen. Timmermans rechnet damit, dass „wenn wir die Gesetze binnen fünf Jahren fertig bekommen, wir noch 25 Jahre für die Umsetzung“ haben.