Vor allem misslungene Ausweichmanöver können dazu führen, dass ein Wildunfall nicht nur für das Tier verheerend endet.
© Uwe Rattay

Crashtest beleuchtet Folgen eines Wildunfalls

23. April 2020
Im Frühling kommt es naturgemäß wieder zu einem sprunghaften Anstieg von Wildunfällen, ehe sich die Anzahl in den Sommermonaten weiter steigert und im Herbst langsam wieder abnimmt. 2018 wurden 377 Wildunfälle mit Personenschaden registriert, die traurige Bilanz: Vier Personen kamen zu Tode. Insgesamt kommen zudem über 75.000 Wildtiere jährlich auf Österreichs Straßen um – im Schnitt sind das über 200 Tiere pro Tag (Quelle: Statistik Austria, Bearbeitung der ÖAMTC-Unfallforschung). Der Mobilitätsclub führte gemeinsam mit seinen Partnerclubs einen Crashtest mit einem realistisch nachgebildeten, 180 kg schweren Wildschweinkeiler durch.

Das Ergebnis des Crahstests zeigt, dass bei entsprechenden Unfällen kurzzeitig eine Kraft auf die Insassen einwirkt, die dem zehnfachen Körpergewicht entspricht.

"Am Auto entstand erheblicher Schaden, die Insassen blieben jedoch unverletzt. Dieser Umstand verdeutlicht, dass Verletzungen von Fahrzeuginsassen bei Wildunfällen meist nicht durch den direkten Aufpralle des Tieres, sondern durch falsche bzw. panische Reaktionen entstehen", erklärt ÖAMTC-Verkehrstechniker Felix Etl.

Durch misslungene Ausweichmanöver können Fahrzeuge bei einem Wildunfall beispielsweise von der Fahrbahn abkommen oder in den Gegenverkehr geraten. Dabei entsteht die Gefahr von Kollisionen mit anderen Fahrzeugen oder Bäumen, was fatale Folgen haben kann.

"Das bedeutet im Umkehrschluss, dass das Verletzungsrisiko für Pkw-Insassen bei Wildunfällen deutlich geringer ist, wenn der Fahrer richtig reagiert – das heißt bremsen, Lenkrad gut festhalten und unbedingt in der Spur bleiben. Um Auffahrunfälle zu vermeiden, sollte der Abstand zum Vorderfahrzeug vergrößert werden, wenn mit Wildwechsel zu rechnen ist", hält Etl fest.

Assistenzsysteme können Unfallrisiko deutlich senken

Nachtsichtassistenten ermöglichen mittels Infrarotkamera ein Graustufenbild trotz Dunkelheit. Dadurch sind sowohl Personen als auch Tiere am Bildschirm erkennbar.

Exemplarisch wurde das Nachtsichtsystem "Night Vision" von Peugeot im Test geprüft. Das System wird bei Dunkelheit aktiv und gibt eine audiovisuelle Warnung ab, wenn Fußgänger oder Tiere erkannt werden. "Der Nachtsichtassistent erwies sich im Test als hilfreich und leicht verständlich. Generell sind diese Systeme allerdings nur in der Oberklasse oder gegen Aufpreis erhältlich. Ein serienmäßiger Verbau bei allen Herstellern ist nicht in Sicht", kritisiert Etl.

Notbremsassistenten sind ab 2024 für alle Neufahrzeuge vorgeschrieben, werden aber bereits jetzt in vielen Autos verbaut.

Im ÖAMTC-Test wurden die serienmäßig verbauten Notbremssysteme der Modelle Mitsubishi Eclipse Cross und VW T-Cross getestet. Bei der Vermeidung von Auffahrunfällen sowie Unfällen mit Fußgängern und Radfahrern haben sich diese bewährt. Tiere wurden bei der Entwicklung bisher allerdings kaum berücksichtigt.

"Die untersuchten Notbremssysteme reagierten nur eingeschränkt auf den Prototypen des Wildschwein-Dummy, gaben teilweise eine Warnung ab, führten aber keine Notbremsung ein, während dies bei kreuzenden Radfahrern einwandfrei funktionierte", erklärt der Verkehrstechniker. "Aus dem Test lässt sich somit schlussfolgern, dass mit etwas Entwicklungsaufwand eine automatische Notbremsung auch bei Tieren möglich wäre."

Radarsensoren und Infrarotkameras waren hingegen besonders genau bei der Erkennung von Tieren, ihre Reichweiten und Genauigkeit auch bei Dunkelheit oder Nebel hoch. "Durch den Einsatz von Radarsensoren könnte bei Wildwechsel nicht nur das Risiko für die Fahrzeuginsassen reduziert, sondern auch zahlreiche tote Wildtiere vermieden werden", sagt Etl abschließend.