Bürgermeister Lukas Peer
Lukas Peer: "Die Bürger wollen kein Theater im Gemeinderat! Streiten kommt immer negativ an.."

Bürgermeister im Tal der Liebe

Lukas Peer ist jung, tatendurstig und brennt für seine Heimatgemeinde Navis im Bezirk Innsbruck-Land. Seit Jänner steht er ihr nun als Bürgermeister vor. Im Gespräch mit KOMMUNAL erzählt er, wie es dazu kam.

Wer heutzutage etwas über Navis hört, der denkt vermutlich zuerst an Routenplaner und Navigationsgeräte. Es sei denn, er kennt das Tiroler „Tal der Liebe“. Dessen profaner Namen lautet Navistal und es besteht aus einer einzigen Gemeinde. Diese heißt - Sie ahnen es schon - ebenfalls Navis. Mit der Betonung auf I wohlgemerkt!      

Die beiden höchsten Erhebungen der Tuxer Alpen, der Lizumer Reckner und der Geier, bilden den Talschluss des rund zehn Kilometer langen Navistals, das außergewöhlich ist. Als einziges Seitental des Wipptales weist es an keiner Stelle eine ebene Talsohle auf. Doch das ist bei weitem nicht die einzige Besonderheit in Navis.

Navistal
Das „Tal der Liebe“ oder schlicht Navistal ist ein sogenanntes Kargtal. Das bedeutet, es besitzt keine ebene Talsohle. Es gliedert sich in Ober- und Unterweg. Beide verlaufen, so wie die gesamte Bebauung, auf der Südseite des Tals. Foto: Svíčková  CC BY-SA 3.0

Geleitet wird die Gemeinde vom gerade einmal 30-jährigen Lukas Peer, der damit der jüngste Bürgermeister in der Region ist. Jung und neu, denn das Amt übt er erst seit 20. Jänner dieses Jahres aus. Das bedeutet allerdings nicht, dass er auf diesem Gebiet unerfahren wäre. Ganz im Gegenteil. Es gibt wohl kaum einen Bürgermeister, der sein Amt mit derart vielfältigen und relevanten Vorkenntnissen und Erfahrungen angetreten hat wie Peer. 

Seit der Amtsübernahme hat er seinen Brotberuf bei der Landwirtschaftskammer auf 20 Stunden reduziert. Dort ist er für den Ausbau der biologischen Landwirtschaft und für das Tiroler Grünland zuständig.

Referent für Bio und Grünland in der Landwirtschaftskammer

Ursprünglich ist Peer auf die dreijährige Fachschule für Landwirtschaft in Imst gegangen, hat dann Zimmermann gelernt, nach sechs Jahren als Zimmerer Bildungskarenz genommen, die Matura nachgemacht und beim Maschinenring als Agrarbetreuer gearbeitet - bis ihn die Landwirtschaftskammer gefragt hat, ob er die Bauberatung übernehmen wolle. Peer wollte und wurde schließlich Arbeitskreisleiter: „Ich habe Betriebskonzepte errechnet, viel gezeichnet, beraten und einige schöne Projekte im ganzen Land Tirol umgesetzt.“

Das tat er, bis ihn der Kammerdirektor fragte, ob er nicht Referent für Bio und Grünland werden möchte - den Job, den Peer ebenfalls annahm und bis heute ausübt.  

Beruflich hatte Peer, der zuhause selbst mit seiner Familie eine Landwirtschaft bewirtschaftet, also schon einige kommunale Berührungspunkte, zahlreiche Kontakte mit Bauern und genauso viele zu Institutionen mit verschiedenen Verbindungen zum Land: „Ich war in ständigem Kontakt mit diversen Stellen, die man als Bürgermeister auch wieder braucht“, erklärt Peer, „und als Bauberater bekommt man vieles mit, wie etwa die Tiroler Bauordnung, Widmungen, usw.“

Engagement führte in die Jungbauernschaft

Doch nicht nur von beruflicher Seite her hat sich Peer nützliche Kenntnisse angeeignet und wertvolle Netzwerke aufgebaut. „Ich bin schon immer politisch interessiert gewesen und habe immer gerne etwas mit Menschen gemacht“, erzählt der gesellige Tiroler, der früh in mehreren Vereinen aktiv geworden ist. Vom Sportverein, über die Schützenkompanie bis hin zur Landjugend, deren Obmann er 2012 wurde.

Auch hier war er für etliche Projekte verantwortlich, wie etwa die Wipptal Classic, die als bestes Projekt Österreichs mit Gold ausgezeichnet wurde. „Ich habe immer versucht, etwas für die Region zu tun und Navis bekannt zu machen“, erklärt Peer.

Sein Engagement blieb nicht unbemerkt, und so wurde er gefragt, ob er in der Landesführung der Tiroler Jungbauernschaft mitwirken würde, mit 18.000 Mitgliedern immerhin die größte Jugendorganisation Österreichs. Peer bejahte. „Es war eine sehr lehrreiche Zeit als Landesobmannstellvertreter. Ich kam in die diversen Bezirke und lernte Mitglieder mitzureißen. Gleichsam habe ich auch die Bundespolitik relativ gut kennengelernt, die Sektionsvorstände in den Ausschüssen, und habe Kontakte geknüpft.“ 

Mit eigener Liste auf Anhieb vier Mandate

Drei Jahre lang blieb er Landesobmann-Stellvertreter der Jungbauernschaft. 2016 schließlich standen Gemeinderatswahlen an. Zwar war Peer nicht im Gemeinderat, doch als interessierter Zuschauer kannte er die Sitzungen bereits bestens, und so fragten gleich mehrere Listenführer, ob er nicht für sie kandidieren wolle.

Als der damalige Bürgermeister ankündigte, nicht mehr zur Wahl anzutreten, gründete Peer eine eigene Liste und erreichte auf Anhieb vier Mandate. Durch die Kopplung mit einem langgedienten Gemeinderat waren es derer letztendlich fünf.

Im Gemeinderat herrschte schlechte Stimmung

Doch der Bürgermeister entschied sich im Dezember dazu, doch weiterzumachen. Die folgenden zwei Jahre waren von schlechter Stimmung im Gemeinderat gekennzeichnet:

„Es war wirklich nicht unbedingt das beste Verhältnis, das wir im Gemeinderat gehabt haben. Es wurde nie über Projekte gesprochen, sondern man ist immer vor vollendete Tatsachen gestellt worden. Gemeinderäte waren nicht eingebunden und Gemeindevorstandssitzungen hat es auch fast keine gegeben. Obwohl wir den Überprüfungsausschuss und den Bauausschuss gehabt haben, sind unsere beiden Parteien links liegen gelassen worden. Es gab Sitzungen von acht bis halb zwei Uhr nachts und sehr viele Abstimmungen sind 6:7 ausgegangen. Als Vizebürgermeister war das für mich nicht einfach. Die Zuschauerzahl bei den Sitzungen war immer hoch, und mir war klar: die Bürger wollen kein Theater im Gemeinderat! Streiten kommt immer negativ an.“

Mittlerweile ist Peer selbst Bürgermeister und möchte sein Amt anders anlegen: „Ich mache nun mehr Gemeindevorstandssitzungen und binde die Leute mit ein. Seit wir den Gemeinderat übernommen haben, sind fast alle Beschlüsse einstimmig gefallen. Ich bin auch offen für andere Vorschläge und muss nicht mit allem Recht haben. Wenn es einen besseren Weg gibt, kann man das im Vorfeld im Gemeindevorstand besprechen. Gottseidank ist jeder manchmal anderer Meinung.“

Konzentration auf Probleme

Peer ist erleichtert, sich nun auf die eigentlichen Probleme konzentrieren zu können. Die Straßenerhaltung, der Winterdienst, den Breitbandausbau und die Kanalisation verschlingen in der zweitgrößten Flächengemeinde des Wipptals ebenso wie die Gebäudeerhaltung einen großen Brocken des Gemeindebudgets.

Der Burgweg zur Ruine Aufenstein muss saniert werden. Kosten: eine Million Euro. Der Fun Court vor der Volksschule kostet weitere 130.000 Euro. Der Glasfaserausbau muss vorangetrieben werden.

Und dann ist da noch die Kerschbaum-Siedlung. Die rund 80 Häuser stehen auf einem Hang, der sich in Bewegung gesetzt hat und nun zu einem der bestbeobachteten Hänge Europas zählt. Die Bohrungen, Entwässerungsmaßnahmen und ständige Lasermessungen schlagen ebenfalls ordentlich aufs Gemeindebudget. Peer ist auch Substanzverwalter der Gemeindegutsagrargemeinschaft Navis. Er verwaltet die forstlichen, landwirtschaftlichen und finanziellen Maßnahmen von 2300 Hektar.

Abwanderung ist kein Thema

Glücklicherweise ist Navis eine gesunde Gemeinde und kann diese Summen stemmen.

Am Taleingang liegt ein florierendes Gewerbegebiet, das Kommunalsteuern bringt. Und Abwanderung ist in Navis auch kein Thema - im Gegenteil. Durch die S-Bahn-Verbindung im Halbstundentakt ist man in nur 21 Minuten in Innsbruck. Für Pendler ist Navis daher äußerst attraktiv. Sie sind schnell im Ballungsraum und gleichzeitig mitten in der Natur, denn je weiter man ins Tal hineinkommt, desto ländlicher und idyllischer wird es.

Navis
Der Gemeindegasthof mit Veranstaltungssaal, rechts Lüftelmalerei am „Widum“ genannten Gebäude. Foto: Viktoria Hörtnagl

Fast am Talende, dort wo sich Gemeindeamt und Gemeindegasthof befinden, wird es noch einmal richtig breit. Hier befinden sich zahlreiche bewirtschaftete Almen. Diese sind über die bekannte Navisser Almenrunde wunderbar erschlossen, aber keineswegs überlaufen, denn in Navis hat man sich dem sanften und nachhaltigen Tourismus verschrieben. Zudem boomt das Tal im Winter als sicheres und doch naturbelassenes Schitouren-Eldorado.

Darüber hinaus gibt es einen von der Gemeinde betrieben Schilift, der eine weitere Besonderheit darstellt. Da die Liftspur eine Gemeindestraße kreuzt, hat er eine beschrankte Mittelstation mit Lift-/Schrankenwärter. „Ein bei Medien äußerst beliebtes Motiv!“, freut sich Peer. 

Steigende Bevölkerungszahl macht Investitionen nötig

Zusammen mit der Rodelbahn oder dem E-Bike-Verleih stehen der Bevölkerung vielfältige Freizeitmöglichkeiten zur Verfügung. Kein Wunder, dass unlängst die 2000-Einwohner-Marke überschritten worden ist.

Für Peer wiederum bedeutet das: Die Kinderbetreuungsplätze müssen ausgebaut werden. Der Kindergarten wurde gerade erst umgebaut, und jetzt soll noch eine Kinderkrippe kommen. Die Volksschulen wurden bereits in der Vergangenheit zusammengelegt. Keine Selbstverständlichkeit, denn in Navis gibt es vieles doppelt: Zwei Feuerwehren, zwei Jungbauernschaften und so ziemlich jeden Verein. Grund dafür ist abermals eine Besonderheit, die mit der Kirche zu tun hat und historisch bedingt ist.

Während Innernavis nämlich eine eigene Pfarre mit Kirche und Friedhof hat, gehört Aussernavis kirchlich zur Pfarre Matrei. Doch egal zu welcher der beiden Pfarren sie gehören, die Bürger von Navis sind fromme Leute und seit vielen Generationen für ihr großes Herz bekannt. Der Name „Tal der Liebe“ leitet sich nämlich von deren Nächstenliebe ab, die sie den pestgeplagten Innsbruckern zuteil werden ließen und ihnen halfen in einer Zeit, in der Navis selbst von der Seuche ebenso beinahe ausgelöscht wurde.  

Zur Person

Lukas Peer 

Alter: 30

Gemeinde: Navis

Einwohnerzahl: 2004 (1. Jänner 2018)

Bürgermeister seit: 20. Jänner 2019

Partei: Navis – Inser Dahoam, Team Lukas Peer