Je kleiner die Gemeinde ist, desto höher ist der Anteil jener, die zwar auf der Hut sind, aber noch abwarten.
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Energiekrise

Bürgermeister erwarten dunkle Zeiten

10. September 2022
KOMMUNAL hat Österreichs Bürgermeister und Amtsleiter zu den steigenden Energiekosten der Gemeinden befragt. Die Antworten zeichnen ein vielsagendes Bild in bisher ungekannter Deutlichkeit.

Die Inflation war bereits im Juni so hoch, wie es die Mehrheit der Österreicher überhaupt noch nie erlebt hat. Fast ein halbes Jahrhundert ist es her, dass die Preissteigerungsrate zuletzt in derartige Höhen kletterte.

Einen signifikanten Anteil an der jetzigen Teuerung haben die Energiekosten, die insbesondere durch den Ukraine-Krieg regelrecht explodiert sind. Doch nicht nur Privatpersonen und Unternehmen leiden unter ihnen, auch die Gemeinden stellt der Energiekostenanstieg vor ernste Probleme. KOMMUNAL hat daher eine Umfrage unter Österreichs Bürgermeistern und Amtsleitern durchgeführt. Die Vorgehensweise ist im Infokasten näher erläutert. 
     
Die Ergebnisse der Umfrage zeichnen ein drastisches Bild der Lage. In praktisch allen Gemeinden ist die Kostenexplosion bei den Energiepreisen ein Thema. Während sich noch ein gutes Viertel der Gemeinden abwartend und beobachtend verhält, versuchen gegenwärtig über 70 Prozent der Kommunen dem Kostenanstieg aktiv entgegenzutreten.

Stellenwert des Kostenanstiegs

Wie stark sind die Energiekosten gestiegen?

In jeder fünften Gemeinde haben die Energiekosten bereits alle anderen Probleme in den Hintergrund treten lassen und besitzen mittlerweile höchste Priorität. Insbesondere bei Gemeinden über 10.000 Einwohnern bereiten die Energiekosten Kopfzerbrechen. 56 Prozent widmen ihnen die höchste Aufmerksamkeit.

Kleinere Gemeinden wollen noch abwarten

Je kleiner die Gemeinde ist, desto höher ist der Anteil jener, die zwar auf der Hut sind, aber noch abwarten. Die Tendenz, dass größere Gemeinden energischer gegen die Energiekosten versuchen vorzugehen, korreliert mit den Angaben zur Höhe des Kostenanstiegs im Vergleich zum Vorjahr. Dabei zeigt sich nämlich, dass die Energiekosten im Schnitt umso höher gestiegen sind, je größer die Gemeinde ist.

Während von den kleinsten Gemeinden jede vierte angibt, dass ihre Energiekosten gar nicht oder nur moderat im einstelligen Prozentbereich gestiegen seien, kann das von den bevölkerungsreichsten Gemeinden nicht einmal jede zehnte behaupten. In jeder fünften Großgemeinde (über 10.000 EW) haben sich die Energiekosten verglichen mit 2021 sogar mehr als verdoppelt. 

Angesichts dieser Zunahmen verwundert es nicht, dass die Gemeindeverantwortlichen einerseits nach kurzfristig umsetzbaren Maßnahmen suchen, um den Energieverbrauch zu reduzieren, und andererseits längerfristig nach Alternativen für den kommunalen Energiebezug.  

Jeweils vier von zehn Gemeinden beabsichtigen als schnell umsetzbare Maßnahmen die maximale Heiztemperatur zu senken, die Straßenbeleuchtung, sowie die Gebäudebeleuchtung zu reduzieren. Das Anheben der minimalen Kühltemperatur wird wohl auch durch die (noch) geringe Verbreitung von Klimaanlagen hingegen nur für fünf Prozent der Gemeinden als ein wirksames Mittel zum Energiesparen wahrgenommen. Ein Fünftel der Befragten gibt zudem an, dass darüber hinaus weitere Maßnahmen in ihrer Gemeinde getroffen wurden. 

Änderung des Energiebezugs in den meisten Gemeinden geplant

Ganz eindeutig zeigen sich Favoriten, wenn es um die Strategien geht, wie sich die Gemeinde von den verteuerten Energieformen, allen voran dem Gas, unabhängiger machen kann. Eine überwältigende Mehrheit der heimischen Kommunen planen eine Änderung ihres Energiebezugs.

Nur ein Sechstel der Befragten gibt an, dass sie keine Änderung beabsichtigen, wobei die Hälfte davon darauf verweist, dass sie dazu gar nicht die Möglichkeit hätten. Der Wechsel zu anderen fossilen Energieträgern ist für kaum eine Gemeinde eine Option. Den Rettungsanker sehen die meisten Kommunen vielmehr in klimafreundlicheren Energiegewinnungsformen.  

Welche Energieträge sollen eine Rolle spielen?

Photovoltaik beliebter als Windkraft

In dieser Deutlichkeit überraschend zeigte sich eine hohe Affinität zu Photovoltaik. Knapp drei Viertel der Gemeinden möchten verstärkt auf solare Energiegewinnung setzen. Ein beeindruckender und einsamer Spitzenwert.

Dahinter folgt mit großem Abstand Biomasse, die für 30 Prozent der Kommunen eine realistische Alternative darstellt.

So beliebt die Photovoltaik ist, so unbeliebt ist die Windkraft. Gerade einmal vier Prozent aller Befragten sagen, dass Windenergie durch die aktuelle Lage für ihre Gemeinde zu einer Option wurde.

Diese Abneigung bleibt auch relativ konstant, wenn man sich den Grad der Kostenzunahme pro Gemeinde anschaut. Erst in jenen Kommunen, die eine Preissteigerung von über 50 Prozent verzeichneten, zeigt sich eine leicht gesteigerte Bereitschaft auf Windkraftanlagen zu setzen, mehr als acht Prozent sind es aber auch dann nicht.

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass auch jene Gemeinden, die (bisher) keinen Energiekostenanstieg verzeichneten, zwar zu einem Gutteil ebenso hin zu erneuerbaren Energiegewinnungsformen drängen, jedoch keine einzige von ihnen angegeben hat auf Windkraft setzen zu wollen. Natürlich sind die Gegebenheiten für eine sinnvolle Installation von PV-Anlagen viel öfter und viel eher erreicht, als für Windräder, dennoch überrascht die weitverbreite Ablehnung gegenüber der Windenergiegewinnung in dieser Ausprägung. 

Auswirkungen auf die Gemeindebudgets

Bei der Frage, was der Energiekostenanstieg für das Gemeindebudget bedeutet, sprachen die Gemeindespitzen Tacheles und offenbarten damit drei weitere unerfreuliche Tatsachen. 

Da wäre zunächst einmal der Umstand, dass bislang zahlreiche Kommunen nur deshalb von exorbitanten Energiepreissteigerungen verschont geblieben sind, da sie noch bestehende Energielieferverträge zu festgesetzten Preisen haben.  

„Gemeinden schließen Jahresverträge. Das heißt, für das laufende Budget gibt es keine Auswirkungen, aber im kommenden Jahr werden wir einen Anstieg in der Höhe von 200 Prozent haben und das ist eine enorme Herausforderung“, lautet eine Antwort, die exemplarisch für eine Vielzahl an ähnlichen Rückmeldungen steht. Darunter sind besonders die kleineren Gemeinden stark vertreten, sowie überproportional viele jener, die angegeben haben bislang keine oder nur moderate Kostenanstiege verzeichnet zu haben. Der Anstieg wird vielerorts also erst 2023 richtig schlagend werden, vereinzelt sogar erst 2024.

Budgets werden laufen überschritten

Die zweite bittere Erkenntnis sind die Konsequenzen, die sich aus den unvorhergesehenen Zusatzkosten ergeben. Budgets werden laufend überschritten. Größere Gemeinden gaben voraussichtliche Mehrbelastungen in der Höhe von 350.000, 350.000 bis hin zu 600.000 Euro an – allein für die zusätzlichen Energiekosten öffentlicher Einrichtungen wohlgemerkt.

Eine kleine Gemeinde, die bisher 15.000 Euro Gesamtenergiekosten verzeichnete, sieht sich nun plötzlich Kosten von 55.000 Euro gegenüber. Solche Verdopplungen, Verdreifachungen und mehr sind in den Rückmeldungen der Gemeindespitzen leider keine Seltenheit. 

Um diese zusätzlichen Belastungen auszugleichen muss gespart werden, bzw. werden die „Mehrausgaben, in irgendeiner Form kompensiert werden müssen.“ Gebührenerhöhungen werden von vielen Befragten in Aussicht gestellt. Doch die alleine reichen meist nicht. Noch häufiger genannt wird das Einsparen durch Rückstellen anderer Projekte, insbesondere von Investitionen in die Infrastruktur. Eine Tendenz die leicht zu einem Teufelskreis führen könnte, denkt man an ausbleibende thermische Sanierungen, und andere klimafreundliche bzw. den Energieverbrauch senkende Maßnahmen.   

Kaum Einsparungspotenziale

Die Gemeinden befinden sich auch deshalb in einem Dilemma, da das Einsparungspotenzial kaum vorhanden ist. Schon bisher hat man nichts verschwendet und die Pandemie hat die finanzielle Lage zusätzlich belastet: „Durch Corona haben wir Mindereinnahmen in unserer Gemeinde wie wir sie bis dato noch nicht gekannt haben, daher stellt jeder Kostenanstieg ein großes finanzielle Problem dar“, klagt ein Gemeindeverantwortlicher.

Ein anderer Befragter bringt es auf den Punkt: „Ständig sparsam wirtschaften ist für uns ein wichtiges Prinzip“, und das war es auch schon in der Verghangenheit. Man hat schon bisher ncihs verschwendet, und was jetzt eingespart werden muss, sind eigentlich wirklich notwendige Dinge, und das tut richtig weh. 

Infrastrukturprojekte auf Eis legen?

Bauvorhaben abzublasen, erscheint auch deshalb opportun, da die Baustoffpreise eine ähnlichen Anstieg verzeichneten, wie die Energiepreise. Womit auch die dritte Erkenntnis zur Sprache kommt. Nämlich jene, dass insbesondere Bauprojekte, die bereits in Umsetzung sind, genauer gesagt deren Kostenanstieg mancherorts den Gemeindespitzen noch mehr Kopfzerbrechen bereitet als die Energiepreise:

„Für das laufende Budget im heurigen Jahr bedeuten die Energiepreissteigerungen generelle Kostenüberschreitungen, die sonst noch keine entscheidenden Auswirkungen haben. Viel bedeutender ist, dass praktisch in allen Bereichen, vor allem in der für Gemeinden relevante Baubranche, Kosten explodieren (auch Lieferzeiten) und Projekte nicht mehr planbar und somit letzendlich für den Steuerzahler unzumutbar sind.“ 

Auch in den wenigen Gemeinden, die vom Energiekostenanstieg weitestgehend verschon geblieben sind, weil sie rechtzeitig umgestellt haben, sind dafür die Baukosten das Problem. Ein Gemeindeverantwortlicher dazu: „Der Kostenanstieg bei der Energie bedeutet für die Gemeinde selbst nicht so viel, weil wir sehr früh die gesamte Straßenbeleuchtung auf LED umgestellt haben, mit dem EU-Sinfonia-Projekt die gesamte Abwasserreinigung ohne Fremdenergie läuft, alle neuen Gebäude der Gemeinde (Verwaltung, Schulen, kommunaler Wohnbau) auf Passivhausstandard umgestellt sind, der Rest energieoptimiert wurde und wir breit in Photovoltaik investieren. Das Problem kommt eher durch die Hintertüre – die höheren Baupreise“

Kritik an Energielieferanten

Am Schluss der Umfrage hatten die Bürgermeister und Amtsleiter noch Gelegenheit Anmerkungen zum Thema Energiekostenanstieg zu machen, nach denen nicht gefragt wurde. Die Ideen, Schlussfolgerungen und Ansichten dazu wiederzugeben würde den Umfang des Artikels bei weitem sprengen. Vom Wunsch auch die Energiekosten der Gemeindeverbände zu thematisieren, über die Forderung einer Erhöhung der Bedarfszuweisungen an die Gemeinden zur Deckung der gestiegenen Energiekosten, bis hin zu Analysen des eigenen Energiebezuges reichen  die Angaben.

Viele Anmerkungen beziehen sich auf die individuelle Situation vor Ort. Aber auch grundsätzliche und generalisierbare Fragen werden angesprochen, beispielsweise welche rechtliche Hürden beim Abschalten der Straßenbeleuchtung bestehen.

Vermehrte Kritik üben die Gemeindespitzen gegenüber den Energielieferanten: „Es wäre generell zu hinterfragen, warum die Kosten derart explodieren und ob das alles wirklich eine Rechtfertigung findet - oder ob es ein Ausnutzen der gegenwärtigen Preis-Situation in anderen Bereichen ist.“

Ein anderer Gemeindeverantwortlicher meint: „Die Entwicklungen der Strompreise dürften nicht an den Börsenkurs gekoppelt sein! Die Gesetzgeber sind hier klar gefordert zu steuern und nicht nur durch „Stillhalteprämien“ die Menschen zu beruhigen.“

Aus Niederösterreich berichtet ein Spitzenvertreter einer Gemeinde, dass „ eine Nachtabschaltung jeder zweiten Ortsbeleuchtung seitens der Gemeinde gefordert wurde. Da beim Bau durch die EVN aber nur eine Leitung verlegt wurde ist dies nicht möglich. Energieversorger haben kein Interesse am Stromsparen.“ 

Energiegemeinschaften. Auffallend häufig wurden auch die neuen Erneuerbaren-Energiegemeinschaften angesprochen, und deutliches Interesse an dem Programm signalisiert. KOMMUNAL wird daher diesem Thema weiterhin besondere Aufmerksamkeit widmen. 

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Energiepreisanstieg für wenige Gemeinden vernachlässigbar ist, für viele ist er prekär und für die Mehrheit leider gar dramatisch. Die Erläuterungen der Befragten lassen die rein quantitativen Auswertungsergebnisse nochmals ins Negative rutschen und verheißen auch für die kommenden Monate eine weitere Zuspitzung der  Problemlage.