Mikrofon
Es ist doch immer noch besser kantig zu bleiben, statt aalglatt zu werden. Und vor allem ist es wichtig, echt zu sein. Denn das ist am wichtigsten: Authentizität.
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Brauchen Kommunalpolitiker Medientrainings?

Das Auftreten und Erscheinungsbild eines Politikers gehört ebenso zu seiner Kommunikation wie das, was er sagt. Ein Medien- bzw. Öffentlichkeitstraining nehmen auf Gemeindeebene aber nur die wenigsten in Anspruch. Ein Fehler?

Ende Jänner machte eine kleine Gemeinde bundesweit Schlagzeilen. Der Grund? Ihr Bürgermeister hatte sich dazu hinreißen lassen, einem (ehemaligen) politischen Kontrahenten eine deftige E-Mail zu schreiben. Er bedachte ihn darin mit wüsten Beschimpfungen und nannte ihn unter anderem ein „Schwein“ und ein „Arschloch“. Dummerweise gab er dem Schreiben noch einen offiziellen Charakter und unterzeichnete es in seiner Eigenschaft als Bürgermeister.

Die Mail war eine Steilvorlage – mehr noch, ein frei Haus geliefertes Geschenk für den politischen Gegner. Wenig verwunderlich fand ein Faksimile der Nachricht schnell den Weg an die Öffentlichkeit. Für den Bürgermeister waren die Reaktionen in der Folge, gelinde gesagt, unerfreulich.

Immerhin sah die Staatsanwaltschaft keinen Tatbestand einer strafbaren Handlung erfüllt, weder den des Amtsmissbrauchs noch den der Beleidigung. Gerichtlich hatte das Schreiben also keine Konsequenzen. Doch für die öffentliche Wahrnehmung spielt das keine Rolle. Zwar hat sich der Bürgermeister nachträglich entschuldigt, doch retten konnte er damit nichts mehr – geschehen ist geschehen. 

Wer sind deine Adressaten?

Welchen Fehler hat er nun aus kommunikativer Sicht begangen? KOMMUNAL hat dazu die Kommunikationsexperten von Talkingheads (nicht die Band) befragt. Das Team führt Argumentationstrainings durch, macht Praxisübungen zur Öffentlichwirksamkeit und ist Spezialist für Kameratrainings. Namhafte CEOs sind ebenso seine Kunden wie Politiker.

Für die Profis ist die Antwort klar: Der Bürgermeister aus dem erwähnten Beispiel hat einen Kardinalfehler der Kommunikation begangen: Er hat vergessen, wer seine Adressaten sind! 

Seine Nachricht hat der Bürgermeister zwar nur an den besagten Gemeindebürger geschickt, erreicht hat sie allerdings alle, einschließlich seiner Wählerschaft. Das hätte ihm bewusst sein müssen. Ganz besonders, wenn er sie noch in seiner Eigenschaft als Bürgermeister verfasst. 

Diskutiert wird fürs Publikum

Niemals sollte man vergessen, wer seine Adressaten sind. Illustres Beispiel für diesen Merksatz sind Elefantenrunden oder Streitgespräche im Fernsehen. Da sitzen sich mit schöner Regelmäßigkeit Politiker gegenüber und diskutieren mit Leidenschaft über ihre Standpunkte. Klar ist: Keiner wird den anderen von seinen Standpunkten überzeugen. Das wissen alle Beteiligten, und das wollen sie auch gar nicht.

Gerne wird bei diesen Gelegenheiten ein Taferl zu Hilfe genommen, um irgendeinen Einzelfall als plakatives Beispiel anzuführen. Das Schild ist dabei jedoch nicht auf das Gegenüber ausgerichtet, sondern wird vom Taferlhalter ruhig und nur ja im passenden Winkel Richtung Kamera gehalten. Den Diskutanten ist nämlich zu jeder Zeit völlig bewusst, wer ihre wahren Adressaten sind. Nicht der Moderator, nicht die Gegenspieler, sondern die Wähler daheim vor den Bildschirmen sind es.  

Dass in erster Linie Spitzenpolitiker professionell gecoacht und trainiert sind, ist in den Medien tagtäglich zu bemerken. Einstudierte Schlüsselphrasen und Key-Messages werden gebetsmühlenartig repetiert, und zwar ziemlich unabhängig davon, ob überhaupt danach gefragt wurde oder nicht. Körpersprache und Gestik sind ebenso eingeübt. Die Kleidung – keineswegs Zufall, sondern mit Bedacht auf ihre Wirkung ausgewählt.

Auf kommunaler Ebene sieht das anders aus. Die Mittel sind knapp und ein professionelles Medientraining ist üblicherweise nicht eingeplant. Aber ist das überhaupt notwendig? 

Erfolgsfaktoren Talent, Erfahrung und Training

Für ein bestechendes öffentliches Auftreten braucht man in der Regel vor allem drei Dinge: Talent, Erfahrung und Training.

In welcher Gewichtung ist von Mensch zu Mensch verschieden – gänzlich fehlen sollte aber keiner der drei Faktoren, sagen die Kommunikationsprofis. Nun haben Kommunalpolitiker, und insbesondere Bürgermeister, bereits eine gewisse Selektion durchlaufen. Ohne sich für die Menschen zu interessieren und die Fähigkeit, Zugang zu finden und mit ihnen ins Gespräch zu kommen, wird man schließlich kaum in dieses Amt gewählt. Und wer mit Leidenschaft die Anliegen der Gemeinschaft vertritt, wird auch Erfahrung sammeln, Fehler reflektieren, daraus lernen und es das nächste Mal besser machen. 

Imperfektion macht sympathisch

Das den meisten Kommunalpolitikern „fehlende“ Training kann auch als Vorteil gesehen werden. Ein bisserl Imperfektion macht sympathisch. Der- oder diejenige ist „noch eine(r) von uns“.

Und es ist doch immer noch besser kantig zu bleiben, statt aalglatt zu werden. Und vor allem ist es wichtig, echt zu sein. Denn das ist am wichtigsten: Authentizität!

Durch falsches Training kann diese verloren gehen und das ist nicht nur aus kommunikativer Sicht der Worst Case.

Wenn sich ein Politiker mit hochgestochener Ausdrucksweise abmüht und man anstatt auf den Inhalt zu hören, sich nur unweigerlich denkt: „Bitte red doch, wie dir dein Schnabel gewachsen ist“, dann hat derjenige nicht nur sein Kommunikatonsziel verfehlt, sondern auch seine Natürlichkeit und Vertrauenswürdigkeit eingebüßt.

Ein erfolgreiches Training hingegen bietet eine Fülle an wertvollen Tipps und Tricks, für die man sich weder ändern noch etwas großartig erlernen muss und mit denen man seine öffentlichen Auftritte wirksam optimieren kann.  

Den eigenen Stil beibehalten             

Beim Thema Authentizität gilt etwa für Kleidung: Niemals den „Sonntagsanzug“ anziehen, wenn man sonst auch nicht im Anzug geht. Wer einen eigenen Stil pflegt, sollte den beibehalten. Fühlt man sich im eigenen Outfit nicht wohl, merken das die Leute sofort und sind von den Inhalten abgelenkt. 

Frauen sollten, egal ob heißer Sommer oder kalter Winter, immer leichte Strümpfe/Strumpfhosen in Hautton tragen, bei Hosen auf gar keinen Fall Kurzstrümpfe und niemals offene Schuhe.

Stylingtipps

Bei Männern sollten es immer lange Stutzen und die Schuhe niemals offen. Für beide Geschlechter gilt: Schuhe immer gut geputzt, und keine Raulederschuhe (sehen auf Aufnahmen leicht dreckig aus).

Gängiges Hoppala: Viele achten nicht auf den Kragen und beim Hinsetzen auf den Steg. Ein Buckel von fragwürdiger Ästhetik ist die Folge (siehe oben).

Gerade Sitzposition sieht kompetenter aus

Auch zum richtigen Sitzen haben die Medientrainer Tipps: Eine gerade Sitzposition (gilt für alle Arten von Sitzgelegenheiten) sieht kompetenter aus, als wenn man es sich zu „bequem“ macht. Ist aufgrund der Sitzgelegenheiten an der Lehne keine gerade Sitzposition möglich, so kann man sich anlehnen, solange man nicht am Wort ist. Für die Beinhaltung gilt: Egal ob Mann oder Frau, stellen Sie sich vor, Sie haben einen Rock an! Sofern Sie ein Mikro haben, gehen Sie davon aus, dass es eingeschaltet ist. Üblicherweise ist das Mikro immer offen, selbst wenn Sie es nicht erwarten.

Mögliche Gegenargumente im Vorhinein überlegen

Wenn Sie öffentlich diskutieren und argumentieren müssen, lernen Sie Ihre Kontrahenten schon vorab kennen und recherchieren Sie, wie er/sie argumentiert. Formulieren Sie in Bullet-Points das, was Sie selber auf jeden Fall ansprechen wollen, und legen Sie sich griffige, allgemein verständliche Formulierungen zurecht.

Überlegen Sie sich, was die gängigsten Gegenargumentationen zu Ihrer Argumentationslinie sind, und spielen Sie das in einem Frage/Antwort-Spiel durch. Und natürlich bedenken Sie: Ihre wahren Adressaten sind nicht die Diskussionsteilnehmer, sondern das Publikum. 

Wenn Sie eine Vermutung äußern, stellen Sie das immer voran und benutzen Sie Formeln wie „meiner Erfahrung nach“ oder „ich habe beobachtet, dass“ etc., jedoch niemals „ich vermute, dass“ oder „ich glaube, dass“.

Bitte recht freundlich

Fragen Sie niemals „Glauben Sie das wirklich?“ und stellen Sie keine taktischen Fragen, denn so geben Sie Ihrem Gegenüber Raum, seine Behauptung zu untermauern. Und selbst wenn Ihnen eine (falsche) Behauptung des Gegenübers auch noch so gegen den Strich geht, halten Sie sich daran: Bleiben Sie immer freundlich, werden Sie nie persönlich und klären Sie den Sachverhalt auf.

Im Zuge eines Öffentlichkeitstrainings mag man sich bei einigen der Ratschläge denken, dass sie ohnehin klar oder eine Selbstverständlichkeit sind. Etliche aber sind neu und äußerst hilfreich.

Wer die Mechanismen zu nutzen weiß, die seine Botschaften beim Empfänger ankommen lassen, hat auf alle Fälle eine Fähigkeit, die fundamental ist, um seine politischen Inhalte umzusetzen. Und wer Fettnäpfchen vermeiden will, vergisst bitte niemals darauf, wer seine eigentlichen Adressaten sind.